Erste Zinsschritte für das 4. Quartal 2011 erwartet, Zinssicherungen auf extrem niedrigen
Niveau angesichts großer Risiken sinnvoll
Wien (ba) - Die massiven Turbulenzen rund um den Euro werden nach aktueller Einschätzung derUniCredit
Group unmittelbar keine negativen Auswirkungen auf die konjunkturelle Erholung haben. Stattdessen sollten
die Aufwärtsrevisionen der verschiedenen Wachstumsprognosen weiter anhalten, wobei die Konjunkturdynamik je
nach Region recht unterschiedlich ausfällt. „Der Bank Austria Konjunkturindikator etwa hat im April ein Zwei-Jahres-Hoch
erreicht. Insbesondere das stark gestiegene Verbrauchervertrauen und die bessere Stimmung in der Industrie lassen
die kurzfristigen Wachstumsaussichten wieder günstiger erscheinen“, sagt Helmut Bernkopf, Bank Austria Vorstand
Corporate & Investment Banking, „Wir rechnen unverändert mit einem Anstieg des österreichischen BIP
um plus 1,3 Prozent 2010.“
Die Zuspitzung der Krise hat jedoch die Ausstiegsstrategie der Europäischen Zentralbank, EZB, aus ihrer Niedrigzinspolitik
unterbrochen, sodass erste Leitzinserhöhungen frühestens für das 4. Quartal an Stelle des 1. Quartals
nächsten Jahres zu erwarten sind. Ihr und nicht dem gigantischen Unterstützungspaket in Höhe von
750 Milliarden Euro ist letztlich auch die Stabilisierung der Situation zuzuschreiben. „Mit der Entscheidung, im
Bedarfsfall staatliche Anleihen aufzukaufen, hat die EZB dieselbe Antwort auf die Krise gegeben wie die Fed und
die Bank of England 2009. Ob man deshalb die Glaubwürdigkeit der EZB anders sieht, wird sich erst langfristig
beantworten lassen. Die Kredibilität sämtlicher Euro-Mitgliedsländer hat sich zumindest gemessen
an den rückläufigen CDS-Levels verbessert“, resümiert Bernkopf.
Anleihen: Der Rettungsschirm wird die Peripherie-Märkte im Euroraum beruhigen
Beim Kauf von Staatsanleihen durch die EZB bzw. die nationalen Notenbanken ist nicht eine bestimmte Performance
das Ziel, vielmehr geht es darum, die Bondbären im Zaum zu halten. Ein erstes Beispiel ihrer Entschlossenheit
hat die EZB dabei am Montag letzter Woche geliefert, als sie die Rendite von zweijährigen griechischen Staatsanleihen
um mehr als 10 Prozentpunkte nach unten drückte. „Und dieser Erfolg wird wohl anhalten, denn schließlich
verfügt die Europäische Zentralbank über unendliche Feuerkraft“, meint Michael Rottmann, Global
Head of Fixed Income & Forex Strategy UniCredit Group, „Dazu kommt, dass die Notenbankkäufe auf eine extrem
niedrige Liquidität treffen.“
Eine mögliche Abgabebereitschaft von "Real Money Accounts" auf den deutlich niedrigeren Niveaus
sollte gleichzeitig verdaubar sein. Zudem dürfte ein dynamischer Gruppenzwang gerade die gegen eine Benchmark
ankämpfenden Investoren wie Investmentfonds von einer stärkeren Untergewichtung der Peripherie-Märkte
Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien abhalten. Angesichts einer exorbitanten Wochenperformance in
den relevanten Märkten läuft man Gefahr, zu deutlich hinter die Benchmark zurückzufallen und sich
in den kommenden Monaten Tag für Tag am Ende der veröffentlichten Performanceranglisten wiederzufinden.
Bei ihren Aufkäufen dürfte die EZB durchaus ein Gefüge relativer Renditeniveaus im Hinterkopf haben.
„Spanien, Portugal und Irland hätten es mit hoher Sicherheit als ‚ungerecht’ empfunden, sich zu höheren
Kosten am Markt zu refinanzieren, als den Preis, den Griechenland für sein Hilfspaket zahlen muss“, vermutet
Rottmann, „Als Obergrenze dieser Länder würde ich daher ein Renditeniveau von Swap plus 300 Basispunkte
plus 50 Basispunkte Bearbeitungsgebühr über Laufzeiten bis 3 Jahre hinweg ansetzen bzw. Swap plus 400
Basispunkte plus Bearbeitungsgebühr für Laufzeiten von mehr als 3 Jahren.“ Entsprechend dieser Überlegung
sollten die Renditen der betroffenen Länder künftig deutlich unter diesen Niveaus handeln.
Anders als die Fed und die Bank of England 2009 kauft sich die EZB zu ungleich attraktiveren Renditeniveaus ein,
sodass kaum mit einem frühzeitigen Verkauf zu rechnen ist. Stattdessen sollte man davon ausgehen, dass die
gekauften Anleihen bis zur Endfälligkeit gehalten werden.
Keine Indizien für höhere Inflationserwartung, Vertrauen in Euro-Mitgliedsländer gestiegen
Trotz der Stabilisierungsmaßnahmen für die Gemeinschaftswährung lässt sich bis dato
weder im Spread zwischen gängigen und inflationsgeschützten Staatsanleihen noch in Inflationsswaps oder
Forwards inflationsindexierter Bonds eine höhere Inflationserwartung ablesen. Zudem haben sich die Geldmarktforwards
in der vergangenen Woche deutlich reduziert - ebenfalls keine Indikation für steigende Inflationsängste.
„Auch für höhere Risikoprämien auf Grund einer schwindenden Kredibilität des gesamten Euroraumes
gibt es derzeit keine Indizien“, sagt Zinsexperte Michael Rottmann. So sind die Credit Default Swaps, CDS, im Euroraum
nicht nur in den Ländern gesunken, die unmittelbar von den Käufen der Zentralbank betroffen waren. Die
CDS-Levels sämtlicher Länder sind deutlich zurückgegangen, obwohl die Renditen der Kernländer
gestiegen sind. Diese Kombination ist allerdings auch ein klares Zeichen dafür, dass die Euro-Kernländer
den Status sicherer Häfen verloren haben.
Höherer Goldpreis widerspricht nicht optimistischer Sicht von Inflations- und Kredibilitätsrisiken
Der höhere Goldpreis widerspricht nach Ansicht Rottmanns nicht seiner aktuell optimistischen Bewertung
von Inflations- und Kredibilitätsrisiken. Der Goldpreis ist gerade deshalb gestiegen, weil sich die Finanzwelt
nach den Anleihekäufen der EZB beruhigt hat. Ein generell stabileres Umfeld kommt nicht zuletzt Gold zugute,
da es sich im weitesten Sinne um eine risikoreiche Assetklasse handelt, die in einem ruhigeren Fahrwasser an den
Finanzmärkten davon profitiert, dass die vorhandene Finanzmarktliquidität in höher volatile Assetklassen
fließen kann. Zudem kann man Gold ohnehin als die Assetklasse ansehen, die in wahrscheinlichkeitsgewichteten
Makroszenarien unter Risiko-Ertragsaspekten mit am interessantesten ist.
Tatsächlich hinterlässt Gold nur unter einer extrem eng gefassten Konstellation einen anfälligen
Eindruck – nämlich einem kurzfristigen Schock an den Finanzmärkten mit extremer Illiquidität in
vielen Assetklassen und der Notwendigkeit, Risiko um jeden Preis zu reduzieren. Nur dann scheint Gold angesichts
eines zunächst noch immer erfreulichen Preises und einer befriedigenden Liquiditätssituation unter Abgabedruck
kommen zu können.
Fazit: Stärker steigende Geldmarkt- und Swapsätze erst im späteren Verlauf von 2011, Risikoszenarien
bleiben allerdings extrem. Eine teilweise Zinsabsicherung macht vor diesem Hintergrund Sinn!
Die UniCredit Group erwartet nunmehr die erste Leitzinsanhebung der EZB gegen Ende 2011. Daneben gehen ihre Experten
davon aus, dass die Ausstiegsstrategie der EZB aus ihrer Niedrigzinspolitik bis weit ins Jahr 2011 hinein verschoben
wird. Da es somit generell bei einer Vollzuteilung der Tender zum Festzins bleibt, wird auch mit einer Rückkehr
des 3-Monats-Euriborsatzes zum Leitzinsniveau erst im Verlauf des nächsten Frühjahrs gerechnet. Die Swapsätze
bzw. Renditen in den Kernländern werden deshalb später ansteigen als bislang prognostiziert. Den 10-jährigen
Swapsatz sieht Michael Rottmann zum Ende dieses Jahres bei 3,45 Prozent und Ende 2011 bei 3,80 Prozent. Den schwächeren
Anstieg sieht er in einer langsamen Rückkehr zu einer Neuen Normalität begründet.
Eine steigende Inflations- und/oder den gesamten Euroraum ergreifende Kredibilitäts-Risikoprämie ist
hierin nicht enthalten. Diese beiden Faktoren betrachtet der Zinsexperte weiterhin als reine Risikoszenarien. Allerdings
ist ein solches Szenario in den heutigen Renditen bereits eingepreist. Zudem muss man sich eingestehen: Angesichts
der vielfältigen Unsicherheiten sind die Risikoszenarien beträchtlich und steigende Zinsen aufgrund aufflackernder
Inflationsängste und/oder einer erneuten Kredibilitätskrise kann man in diesem Umfeld nicht kategorisch
vom Tisch wischen. „Der Starökomon Nouriel Roubini rechnet beispielsweise noch immer mit dem Austritt einiger
Länder aus der Eurozone. Daneben erwarten weitere namhafte Kommentatoren noch immer eine Umstrukturierung
der griechischen Schulden“, sagt Bank Austria Vorstand Helmut Bernkopf, „Sollte sich die Markterwartung in diese
Richtung drehen, ein mehr als prononcierter Zinsanstieg wäre die Konsequenz.“ Wer also nicht ausschließlich
das kurzfristige Basis-Szenario im Hinterkopf hat, sondern auch die unabwägbaren Risikoszenarien in seine
Entscheidungsfindung einbezieht, der kann sehr wohl das aktuell extrem niedrige Zinsniveau nutzen, um seine
Zinskosten abzusichern.
Ein Euro ist ein Euro und bleibt ein Euro
Will man von einem generellen Vertrauensverlust des Euroraums sprechen, so ist dieser am ehesten in der
Währung ablesbar. Anders als in den Staatsanleihen im Euroraum ist ein direktes Eingreifen via Interventionen
aufgrund der Volumina in den Hauptwährungen mittel- und langfristig nicht erfolgversprechend. So greifen im
Euro dann auch alle skizzierten Risikoszenarien. „Die Marktteilnehmer erwarten von der Politik eine ganz klare
Aussage, wie die mannigfaltigen Probleme innerhalb des Euroraums - Leistungsbilanzungleichgewichte, relative Fiskalpolitik,
unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit - gelöst werden sollen“, so Experte Michael Rottmann, „Solange
diese Antwort nicht klar nachvollziehbar ist, wird sich auch die gemeinsame Währung nicht nachhaltig stabilisieren.“
Die Strukturprobleme haben damit auch klar unterstrichen, dass der Euro in den nächsten Jahren den US-Dollar
kaum als Weltwährungsreserve Nr. 1 ernsthaft gefährden kann. Daneben laufen auch die Zinserwartungen
derzeit auseinander. Während man in den USA mit dem Beginn der Leitzinsnormalisierung spätestens im 1.
Quartal 2011 rechnet, sieht kaum jemand eine Leitzinsanhebung im Euroraum vor Ende 2011.
Aber man sollte die Pferde nicht scheu machen. Der EUR-USD Wechselkurs handelt aktuell noch immer marginal über
seinem Startkurs von rund 1.19 am 1. Jänner 1999. Auch die Kaufkraftparitität wird mehrheitlich
um ein Niveau von 1.15 gesehen. Unter dieser Betrachtung war der Euro jahrelang überbewertet und kehrt aktuell
lediglich zu seinen "fairen" Wert zurück. Von einer Weichwährung kann man aktuell aber trotzdem
nicht sprechen. Es ist also vielmehr eine verzerrte Wahrnehmung der Marktteilnehmer, die zu dem rasanten Einbruch
des Euros auf breiter Front geführt hat. Der Euro wird derzeit nicht als gemeinsames Ganzes, sondern vielmehr
als Summe seiner schwächsten Einzelteile empfunden (erwartete spanische Arbeitslosenquote in 2011 um 20 Prozent,
erwartete griechische Staatsverschuldung in 2011 um 130 Prozent des BIP).
Wenngleich oftmals der Vergleich Griechenlands mit Kalifornien gezogen wird, in Krisenzeiten leidet der Euro immer
unter dem gravierenden "Malus" einer zu großen Anzahl von Entscheidungsträgern. Einem
US-Präsidenten stehen im Euroraum 16 + X Entscheider gegenüber. Die Größe X steht dabei für
Brüssel. Es ist also die rein rechnerische Möglichkeit von widersprüchlichen Statements, die den
Euro in Krisenzeiten immer wieder belastet. Letztlich haben aber – gemessen an ihrer Verschuldung – auch die USA,
Großbritannien und Japan ein Problem. Niemand kann heute ausschließen, ob nicht in 2 Jahren die AAA-Ratings
von Großbritannien und den USA ernsthaft zur Debatte stehen. Die UniCredit Group rechnet entsprechend mit
einer Stabilisierung im Bereich von 1.10 bis 1.20, nicht aber mit einem mehrmonatigen Abgleiten unter die Parität.
Auch gegen Schweizer Franken und japanischen Yen sollte der Euro im Verlauf von 2011 zulegen. |