2009 brachte Gleitflug nach Schubverlust
Wien (oenb) - Österreichs internationale Finanzaktivitäten kamen nach Jahren intensiven
Wachstums 2009 erstmals zum Stillstand. Auslandsveranlagungen wurden weitgehend vermieden, die Finanzierung im
Ausland ist eingebrochen. Anleihen fanden vermehrt im Inland Käufer. Allein die Aktienmärkte sendeten
erste Erholungssignale. Heimische Privatanleger kauften österreichische Aktien vor allem zu Jahresbeginn und
damit zu günstigen Kursen.
„Österreichs internationale Finanzverflechtung befindet sich erstmals seit dem EU-Beitritt in einer Phase
der Stagnation“, eröffnete Dr. Aurel Schubert, Direktor der Hauptabteilung Statistik, heute ein Pressegespräch
in der Oesterreichischen Nationalbank. „Die jüngste Finanzkrise wirkte wie ein vorübergehender Triebswerksausfall,
der Österreichs grenzüberschreitendes Finanzgeschehen nach einem langjährigen Steig- nunmehr in
einen Gleitflug zwang“, so Direktor Schubert. Zwischen 1999 und 2008 hatten sich Österreichs internationale
Finanzaktiva und passiva in Summe auf rund das Fünfeinhalbfache des BIP mehr als verdoppelt. Im Krisenjahr
2009 reduzierte sich diese Quote aber etwas. Absturzgefahr bestehe jedoch nicht, Österreichs Finanzintegration
befinde sich entsprechend seiner Position als hoch entwickeltes Industrieland weiterhin auf äußerst
hohem Niveau, so Schubert. Für die heimische Volkswirtschaft bleiben Auslandsmärkte nach wie vor sehr
wichtig. Österreich konnte 2009 infolge seines Leistungsbilanzüberschusses Kapital im Ausmaß
von etwa 4 Mrd EUR im Ausland veranlagen.
Das österreichische Auslandsvermögen ist zum Großteil in etablierten Märkten Europas veranlagt.
Allein im Euroraum waren Ende 2009 337 Mrd EUR oder 45% des gesamten Auslandsfinanzvermögens ohne jegliches
Währungsrisiko investiert. Auch die Schweiz ist mit mehr als 100 Mrd EUR einer der wichtigsten Finanzpartner.
Von großer Bedeutung sind aus österreichischer Sicht auch Finanzaktiva in europäischen Wachstumsmärkten.
Hier haben österreichische Investoren im Laufe ihrer langjährigen Tätigkeit jedoch eine sehr gute
Streuung erreicht. Mit 117 Mrd EUR entfällt der Großteil auf die Länder der EU-Erweiterungsrunden
2004 und 2007, deren ökonomischer Aufholprozess bereits vergleichsweise weit fortgeschritten ist.
„Die Finanzkrise konnte zwar die grundlegende Struktur der österreichischen grenzüberschreitenden Finanzaktivitäten
kaum verändern, wohl aber deren Dynamik erheblich stören“ erläuterte Direktor Schubert. Das Jahr
2009 war durch massive Einbrüche sämtlicher Finanzveranlagungen im In- und Ausland gekennzeichnet. Österreichs
strategische Unternehmensbeteiligungen im Ausland (Direktinvestitionen) erreichten mit 2,7 Mrd EUR nur 15% des
Vorjahresvolumens und damit den geringsten Wert seit zehn Jahren. Die Zahl der Großprojekte mit Eigenkapitalerwerb
von mehr als 100 Mio EUR ist 2009 auf weniger als zehn gesunken, nachdem es 2008 noch etwa 20 und 2007 sogar 50
solcher Geschäfte gegeben hatte. Umgekehrt waren auch ausländische Investoren kaum an Projekten in Österreich
interessiert, passive Direktinvestitionen erfolgten vor allem in Form von nicht entnommenen Gewinnen oder Konzernkrediten,
nicht aber mittels frischem Eigenkapital.
Ähnliche Zurückhaltung ließen österreichische Banken bei der Kreditvergabe im Ausland erkennen:
2009 wurden per Saldo sogar Kreditmittel im Ausmaß von 3,3 Mrd EUR abgezogen, nachdem in den beiden Vorjahren
noch je etwa 20 Mrd EUR veranlagt worden waren. Der Rückzug aus dem Auslandsgeschäft erfolgte aus Industrieländern
wie aus Wachstumsmärkten in ähnlichem Ausmaß. Vorsicht war insbesondere am Interbankenmarkt spürbar.
Gänzlich anders als in den Jahren zuvor verlor 2009 das Ausland auch als Abnehmer österreichischer Anleihen
massiv an Bedeutung. Im Fall der Banken konnten nur staatsgarantierte Anleihen und Pfandbriefe dem Sicherheitsbedürfnis
internationaler Anleger einigermaßen gerecht werden. Der Staat setzte bei inländischen Anlegern (v.a.
Banken) mit knapp 10 Mrd EUR drei Mal so viele Anleihen ab wie im Ausland (3,3 Mrd EUR).
Bemerkenswert war 2009 das Vertrauen österreichischer Privatanleger in die Stärke der heimischen Wirtschaft:
Mehr als 700 Mio EUR wurden in Anleihen österreichischer Unternehmen investiert, während Staatsanleihen
per Saldo um 100 Mio EUR abgestoßen wurden. Privatanleger ließen sich durch hohe Renditen also eher
anlocken als abschrecken. Klug investierten sie auch an der Wiener Börse: Sie kauften vor allem zu Jahresbeginn
2009 und damit zu vergleichsweise günstigen Kursen.
Erholungssignale sendete 2009 die Wiener Börse, deren Marktkapitalisierung nach dem Einbruch im Jahr 2008
bereits wieder um 40% zulegen konnte. Ausländische Investoren wechselten 2009 – nach ihrer vorübergehenden
Abkehr vom österreichischen Aktienmarkt – wieder auf die Käuferseite und veranlagten 1,8 Mrd EUR an der
heimischen Börse. „Mit der wiederkehrenden Zuversicht an den Aktienmärkten stieg in Österreich auch
das Interesse an Fondsveranlagungen wieder an“, erläuterte Direktor Schubert abschließend. |