Pflanzen: Krankheitsresistenz mit Nebenwirkungen   

erstellt am
04. 06. 10

Wien (öaw) - Arabidopsis-Pflanzen, die gegen gewisse Krankheiten resistent sind, wachsen schlechter. Ein Gen, das in diesem physiologischen Kompromiss eine zentrale Rolle spielt, haben Magnus Nordborg vom Gregor Mendel Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) und internationale Forschungspartner jüngst identifiziert. Ihre Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe von Nature veröffentlicht.

Sesshafte Lebewesen wie Pflanzen können bei Gefahr nicht fliehen. Deshalb haben sie im Lauf der Evolution maßgeschneiderte Strategien entwickelt, um sich gegen eine große Vielfalt möglicher Feinde zu verteidigen. So können sie beispielsweise Dornen oder Wachs als mechanische Barrieren gegen Fressfeinde oder Krankheitserreger ausbilden. Oder sie halten gefräßige Insekten mittels giftiger Inhaltsstoffe ab. Und selbst gegen Viren sind sie nicht machtlos, wie Ergebnisse der Epigenetik-Forschung eindrucksvoll belegen. Welche Strategien Pflanzen zur Verteidigung anwenden, ist einerseits artspezifisch, andererseits auch innerhalb einer Art – je nach Situation – sehr variabel. Wenn Pflanzen ihre Feinde erfolgreich abwehren wollen, müssen sie aber „Kompromisse“ schließen. Das hat sich bei einer großen internationalen Studie, an der Magnus Nordborg als wissenschaftlicher Direktor des Gregor Mendel Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) federführend beteiligt war, eindrucksvoll gezeigt: Die Widerstandsfähigkeit gegen bestimmte Krankheitserreger ist nur um den Preis eines eingeschränkten Wachstums zu haben.

Eine Genvariante mit Nebenwirkungen
Magnus Nordborg und seine Kolleg(innen) haben dieses Phänomens als Erste an Arabidopsis-Pflanzen im Detail geklärt. Die Wissenschafter(innen) haben sich mittels verschiedener experimenteller Ansätze ein umfassendes Bild verschiedener Arabidopsis-Populationen gemacht. Eine neue, als „Genome-Wide Association Studies“ bekannte Technik trug wesentlich dazu bei, dass sie das, an der Pathogen-Resistenz entscheidend beteiligte, Gen namens ACD6 (Accelerated Cell Death) identifizieren konnten. Das gelang den Wissenschafter(innen) anhand von Arabidopsis thaliana-Pflanzen aus Estland. Die Pflänzchen trugen eine Variante von ACD6, die ihnen Widerstandsfähigkeit gegenüber vielen Erregern pflanzlicher Krankheiten verlieh – gegen Bakterien, Pilze oder sogar gegen manche Insekten. Die entsprechende ACD6-Variante schien über die Anreicherung von Salicylsäure zu wirken, die bekanntermaßen bei der pflanzlichen Krankheitsabwehr eine zentrale Rolle spielt. Darüber hinaus führte diese Genvariante zur Anreicherung einer für Mikroorganismen giftigen Substanz namens Camalexin sowie dem pflanzlichen Verteidigungs-Hormon Jasmonat.

Die durch ACD6 verursachte Abwehrstrategie hatte aber ihren Preis: Die widerstandsfähigen Pflanzen hatten deutlich kleinere Blätter, die noch dazu langsamer gebildet wurden als bei Vergleichspflanzen. Die nicht-widerstandsfähigen Artgenossen wuchsen deutlich besser, so lange sie nicht mit einem Erreger konfrontiert waren.

Arbeitsteilung innerhalb einer Population
Diese Entdeckung zeigt, dass für das Überleben einer Pflanze nicht nur kräftiges Wachstum entscheidend ist. In bestimmten Situationen, vor allem wenn sie stark von Krankheitserregern und Fressfeinden bedroht sind, ist es vorteilhafter, klein aber widerstandsfähig zu sein. Die Abwehr-Variante des Gens ACD6 betrifft üblicherweise nicht die gesamte Arabidopsis-Population eines bestimmten Lebensraumes. Neben den klein wüchsigen, resistenten Pflanzen können sich ebenso groß wüchsige, aber empfindliche ausbreiten, so lange die Gefahr von Pathogenen gering ist. In Krisenzeiten allerdings zahlt es sich für die gesamte Population aus, ihre Zukunft über klein wüchsige, aber widerstandsfähige Individuen zu sichern. „Die variable Ausprägung der für die Widerstandsfähigkeit entscheidenden Merkmale ermöglicht es Pflanzen, unter unterschiedlichsten Umweltbedingungen optimal zu überleben. Dabei müssen die Vorteile einer effizienten Verteidigung gegenüber den Kosten für die Fitness abgewogen werden“, fasst Magnus Nordborg zusammen.

Über das GMI
Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI, organisiert als GmbH, ist die einzige internationale Grundlagenforschungseinrichtung auf diesem Gebiet in Österreich. Die Forschung am GMI gilt primär den Grundlagen der Pflanzenbiologie und umfasst vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana ist die am meisten verwendete Versuchspflanze. Das GMI hat ungefähr 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 22 verschiedenen Ländern. Die Umgangssprache ist Englisch. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude der ÖAW, das im Januar 2006 fertig gestellt wurde. Dieses gehört zum Vienna Biocenter Campus (VBC), auf dem mehrere Forschungseinrichtungen sowie Biotechnologie-Firmen angesiedelt sind.
     
Informationen: http://www.gmi.oeaw.ac.at    
     
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