Faymann:
Die Herzen der Menschen sind bei uns
Ungerechten gesellschaftspolitischen Entwicklungen mit aller Härte entgegenstellen
Wien (sk) - Bundeskanzler und SPÖ-Parteivorsitzender Werner Faymann forderte im Zuge seiner
Rede beim 41. Ordentlichen Bundesparteitag der SPÖ am 11.06. einmal mehr eine neue Finanzmarktarchitektur.
Der Mensch müsse wieder "in den Mittelpunkt der Gesellschaft" rücken. "Die neoliberalen
Apologeten des Marktes haben uns lange genug in die Irre geführt. Wir müssen stärker werden als
sie", sagte Faymann, der dabei besonders die Bedeutung eines internationalen Engagements für mehr Kontrolle
und Regulierung der Finanzmärkte hervorhob. Zwei Drittel der europäischen Regierungschefs seien Konservative
oder Neoliberale. Überdies seien Banken und Spekulanten in Europa bestens vernetzt. "Aber die Herzen
und Hirne der Menschen sind bei uns", so der Bundeskanzler. Man müsse sich mit aller Kraft Konservativen,
Neoliberalen und den Banken- und Spekulanten-Lobbys entgegenstellen. Die im Lissabon-Vetrag vorgesehene Möglichkeit
einer EU-weiten Bürgerinitiative sei daher wichtig, um dagegenzuhalten und Druck für einen Paradigmenwechsel
aufzubauen.
Und weiter: "Unsere Stärke ist die Stärke der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, sozialen Bewegungen,
NGOs und Konsumentenschutz-Organisationen. Dieses Bündnis muss stark sein", weil die Sozialdemokratie
"die Lobby der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" sei, so der Kanzler. Die Sozialdemokratie müsse
die Kraft aufbringen, die "Chancengleichheit zu stärken", "soziale Missstände zu beseitigen"
und "gerecht zu verteilen".
"Ein gemeinsames und soziales Europa war uns immer ein Anliegen. Dafür müssen wir die internationale
Solidarität stärken", so Faymann. Den Vorschlägen der Konservativen, auf den internationalen
Wettbewerb mit Lohnkürzungen zu reagieren, stellte Faymann entgegen: "Wir wollen Arbeitszeitverkürzungen
und gerechte Löhne von denen man leben kann." Vielmehr brauche es einen Wettbewerb in Sachen Bildung,
Forschung und Entwicklung sowie sozialer Errungenschaften. "40 Millionen Menschen in Europa können von
ihrer Arbeit nicht leben, obwohl sie hart arbeiten. 80 Millionen Menschen leben an der Armutsgrenze. Das kann nicht
gerecht sein", betonte Faymann.
Die Zeit für Gerechtigkeit ist gekommen - weit über Parteigrenzen hinaus
"Wenn jemand wie ein Josef Ackermann meint, jetzt sei der falsche Zeitpunkt für Bankenabgaben
und diese sollen zu einem späteren Zeitpunkt kommen, kann man nur, in Anbetracht der Gewinne der Banken, sagen:
Es ist die richtige Zeit, es ist höchste Zeit, die von uns geforderten Maßnahmen sind umzusetzen",
so Faymann.
"Genossinnen und Genossen, das wird keine einfache Sache. Nach der Krise sind viele Banken und viele Bereiche
der Finanzmärkte noch stärker, weil sie globale Regelwerke verhindern", so der Bundeskanzler. Entscheidend
sei daher die Qualität der Maßnahmen, für die sich die SPÖ einsetzt. "Wir Sozialdemokraten
haben es uns in der Geschichte nie leicht gemacht, es gab oft harte Auseinandersetzungen. Aus der Geschichte unserer
Bewegung haben wir gelernt, dass es uns stark macht, auf der richtigen Seite zu kämpfen.". Als Beispiel
nannte der Kanzler, dass auf der einen Seite die Finanzgewinne wieder sprießen und auf der anderen Seite
die Sozialdemokratie um die Mindestsicherung kämpft. Allein die Beispiele in den Medien der letzten Tage würden
zeigen, wie wichtig die Mindestsicherung sei: "Da ist etwa die Mutter, die ihren Job krankheitsbedingt aufgeben
musste, die nie mit ihrem Kindern in Urlaub war, einmal im Monat Fruchtzwerge kaufen will und Angst hat, sich das
nicht mehr leisten zu können", erklärte Faymann. "Es gibt 165.000 Sozialhilfebezieher in Österreich,
30 Prozent davon sind Kinder; 53.000 Kinder leben in Wohnungen, die im Winter nicht geheizt werden, 20 Millionen
Kinder in Europa leben unter der Armutsgrenze. Und dann sagt Kopf, er braucht die Mindestsicherung als Erpressungsgegenstand,
sonst sei er nicht bereit, "die Krot zu schlucken"! Solche Leute brauchen wir nicht, die in Fragen der
Armutsbekämpfung "eine Krot schlucken" müssen", bekräftigte der Bundeskanzler, was
von den Delegierten mit tosendem Applaus quittiert wurde.
"Wir werden Bündnisse schaffen und für die Einführung der Mindestsicherung Seite an Seite mit
Minister Rudi Hundstorfer kämpfen, bis wir sie haben", so Faymann. "Es ist die Zeit für Gerechtigkeit
gekommen, weit über unsere Parteigrenzen hinaus!", so der Bundeskanzler. Eine einnahmenseitige Konsolidierung
etwa mittels einer Vermögenszuwachssteuer dürfe nicht die kleinen Leute und Mittelschichten treffen.
"Die Vermögenden, die Banken und Finanzmärkte sollen herangezogen werden bei den Budgets der Zukunft.
Wir sind jetzt deutlicher geworden, die Ungerechtigkeit ist stark spürbar, auch für Menschen, die sonst
nichts mit der Sozialdemokratie zu tun haben. Die Menschen sagen, es ist ungerecht, statt Spekulation zu verhindern
bei den Armen zu sparen", so Faymann.
"In der Vergangenheit haben Schüssel und Grasser ?Mehr privat, weniger Staat? gefordert - bis Rettungsschirme
vom Steuerzahler benötigt wurden", so Faymann. Was mit "mehr privat" gemeint war, würden
die unabhängigen Gerichte schon ans Tageslicht bringen. Diese Machenschaften würden sich von der Causa
Hypo bis hin zu den ÖBB-Spekulationen ziehen, bei denen ein ÖVP-Staatssekretär namens Lopatka dabei
war. "Er ist sicher nicht der Richtige für Vorschläge zur Bahn, wir sollten auf die hören,
die sich wirklich auskennen", so Faymann in Richtung Infrastrukturministerin Doris Bures. Was das Sparen in
den einzelnen Ressorts betrifft, stehe, so Faymann, die Frage im Mittelpunkt, wen das Sparen trifft. "Die
letzten drei Finanzminister, Grasser, Molterer, Pröll, wurden von der ÖVP gestellt und inserieren auch
noch Babys, denen die Schulden vorgehalten werden.
Bildung wesentlich für Zukunft unseres Landes
Auch den Bildungsbereich hob der Bundeskanzler besonders hervor: "Wir stehen in einer Phase, wo in
Europa einige unter dem Titel ?Sparen? den Rasenmäher in Betrieb nehmen und "drüberfahren"
und dabei auch Bildung und andere wichtige Schlüsselressorts mitmähen. Die Zukunft unserer Kinder und
Menschen im Land wird stark im Klassenzimmer entschieden, Bildungsministerin Claudia Schmied weiß das und
kämpft für die gemeinsame Schule", so Faymann. Es würden sich auch immer mehr Stimmen zu Wort
melden, die nicht mit Prölls Einzelmeinung einverstanden sind, dass es keine Neue Mittelschule und keine ganztägigen
Schulangebote braucht. "Wir brauchen keine Deckelung, wir brauchen einen offenen Zugang für ausreichende
Schulversuche für die gemeinsame Schule", unterstrich der Bundeskanzler.
In Richtung SPD sagte Faymann, er würde sie unterstützen, und er hoffe, dass sie stark genug seien, zu
verhindern, dass die Schwächsten bei den Sparplänen der FDP unter die Räder geraten. "Wenn
wir Sozialdemokratie sagen, muss auch Sozialdemokratie drinnen sein, wir müssen hier für Klarheit sorgen",
so Faymann zu Kritik an früherer Politik auf europäischer Ebene; etwa von Tony Blair.
Geschlossenheit zur Umsetzung der sozialdemokratischen Maßnahmen notwendig
Eindringlich plädierte Bundeskanzler Werner Faymann in seiner Rede für Geschlossenheit. "Wir
haben in allen gesellschaftspolitischen Bereichen eine Menge zu tun. Und wir wissen, dass diese Arbeit nur von
einer starken Sozialdemokratie geleistet werden kann. Wir wissen, dass ein guter Kompromiss nur dann entstehen
kann, wenn man vorher weiß, was man will, und wenn man eine klare Haltung hat und die Leute spüren,
dass man sich einsetzt, dass auch darum gekämpft wird. Und daher brauchen wir diese Geschlossenheit."
Faymann betonte, das die Sozialdemokratie 1990 rund 600.000 Mitglieder hatte, derzeit etwa 250.000. "Wir können
nicht davon ausgehen, dass die Treue zur Partei ausreicht, um diese gesellschaftspolitische Stärke und diese
Mobilisierungskraft zu erreichen, die wir brauchen, um all das umzusetzen, was wir uns vorgenommen haben."
Die Sozialdemokratie habe sehr unterschiedliche Persönlichkeitstypen wie Johanna Dohnal, Hertha Firnberg und
Helmut Zilk begeistern können, die alle aber für die gleiche, die richtige Sache gekämpft haben
- "diese Art von Breite braucht unsere Bewegung".
Friede brauche Freiheit und Demokratie. Und Demokratie braucht so etwas wie einen gerechten Wohlstand." Darauf
basiere der soziale Ausgleich, auf den Österreich so stolz ist und das sei auch in Europa anzustreben. Dieses
Europa solle menschenwürdiger, gerechter und sozialer werden. Auch hier müsse man diesen Kampf geschlossen
führen. Wenn er gefragt würde, ob er garantieren könne, dass alles durchzusetzen, so betonte der
Kanzler, er hätte gerne eine sozialdemokratische Mehrheit im Europäischen Rat und gerne eine absolute
Mehrheit in Österreich. Faymann sprach von harten Auseinandersetzungen, die bevorstünden, um all die
Ziele zu erreichen. "Aber die sozialdemokratische Führung einer österreichischen Regierung muss
erkennbar sein." Und das sei sie, "weil nicht eine Frau Gehrer für die Schulpolitik zuständig
ist, sondern Claudia Schmied, und weil nicht ein Herr Bartenstein für den Arbeitsmarkt zuständig ist,
sondern ein Rudi Hundstorfer." Es brauche Geschlossenheit, um die die zusätzlichen Einnahmen für
Arbeitsplätze im Gesundheitsbereich zu schaffen, einen Generationenfonds, um die Gemeinden und Städte
bei der Kinderbetreuung und bei der Pflege zu unterstützen. "Dafür brauchen wir die Sozialdemokratie."
Beim Frauenbild dürfe nicht auf die alten Rezepte gesetzt werden, wonach Frauen sich um den Haushalt, die
Kinder und etwaige Pflegefälle in der Familie zu kümmern hätten. Daher brauche es ganztägige
Kinderbetreuungsplätze und hochwertige Pflegeplätze in ganz Österreich. "Wir brauchen diese
Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Zukunft unseres Landes."
Notwendig sei "eine Gesundheitspolitik, die qualitativ besser wird, und die keine Zusperrlisten braucht, die
den Patient im Mittelpunkt sieht und die gemeinsam mit Ländern effizient die Mittel einsetzt", eine gemeinsame
Schule, Katastrophenschutz, Maßnahmen in Infrastruktur, etc. "Wir werden daher Sparvorschläge sehr
genau danach beurteilen, ob sie mit Gerechtigkeit zu tun haben." Eine klare Absage gab es zu einer etwaigen
Wiedereinführung der Studiengebühren: "Die Schlauberger, die die Einführung der Studiengebühren
vorbereiten, werden uns kennenlernen - Studiengebühren werden keine eingeführt!" Faymann betonte,
dass das darin begründet ist, weil nicht mehr Kinder aus Arbeiterfamilien Höhere Schulen besucht haben,
sondern weniger. "Wer die Chancen der nächsten Generation fördern will, muss beim Kind schon vor
der Schule beginnen, muss in der Schule die Chancen optimal fördern und auch bei der Universitätsausbildung
für Gerechtigkeit sorgen."
"Ich kenne schon ein paar - auch in Österreich - die könntenden Gürtel enger schnallen",
so der Kanzler weiter, "aber nicht die Alleinerzieherinnen, nicht die Armen und nicht die Mittelschicht -
die haben die Krise auch nicht verursacht!" Eine Lanze brach Faymann auch für Menschen mit Migrationshintergrund,
die in vielen Bereichen, etwa am Bau oder als Krankenschwestern arbeiten - auch sie hätten die Krise nicht
verursacht. "Daher sind sie nicht die Sündenböcke und auch nicht die Schuldigen." Darauf folgte
lauter Applaus.
Faymann betonte die Unterstützung der Sozialdemokratie für Landeshauptmann Franz Voves in der Steiermark
und Bürgermeister Michael Häupl in Wien für die kommenden Wahlauseinandersetzungen. "Eine Sozialdemokratie,
die muss man spüren, die muss man wahrnehmen, merken. Den Mut, sich auch einmal entgegenstellen muss man spüren.
Die konstruktive Entwicklung dieses Landes muss man sehen, aber auf der richtigen Seite", so Faymann. Die
Delegierten spendeten der Rede des Bundeskanzlers minutenlangen Applaus und Standing Ovations. |
Pröll: Leistungsgerechtigkeit gefordert
Kaltenegger: Mehr Bundeskanzler, weniger SP-Chef
Wien (övp-pd/pk) - In Reaktion auf den Bundesparteitag der SPÖ betont ÖVP- Bundesparteiobmann
Finanzminister Josef Pröll: „Wer von Verteilungsgerechtigkeit redet, muss auch Leistungsgerechtigkeit einfordern!“
Pröll zählt da auf seine persönlichen Erfahrungen: „Als Christdemokrat und Bauernsohn habe ich ein
starkes Gefühl für Gerechtigkeit und Verständnis, jenen Menschen zu helfen, die nicht mitkommen
mit dem Tempo. Es muss aber eine Balance gefunden werden zwischen Verteilung und Leistung, damit der Standort Österreich
nicht in Gefahr kommt. An der Steuerschraube drehen ist leicht. Entscheidend ist aber, die Ausgabendynamik zu stoppen.“
Einmal mehr warnt Pröll vor überhasteten und verantwortungslosen Aktionen: „Die Länder Europas müssen
an die notwendigen Sparprogramme mit Zeitverzögerung und gegenseitiger Abstimmung herangehen. Das zarte Pflänzchen
Aufschwung darf nicht wieder abgewürgt, der Euro nicht gefährdet und madig gemacht werden.“
Kaltenegger: Mehr Bundeskanzler, weniger SP-Chef
Nach dem SPÖ-Parteitag kann sich Werner Faymann hoffentlich wieder auf die Regierungsarbeit konzentrieren,
wünscht sich Fritz Kaltenegger, damit eine sachlichere Zusammenarbeit in der Regierung möglich wird.
Fritz Kaltenegger wünschte Bundeskanzler Werner Faymann ein gutes Ergebnis am SPÖ-Parteitag - aus Interesse
für das Land: „Damit er sich ab Montag wieder auf die Regierungsarbeit konzentrieren kann,“ wie er im Gespräch
mit dem Kurier erklärt.
Schatten des SP-Parteitags
Und nicht mehr auf den Parteitag, der seinen Schatten auch auf die Einigung zur Mindestsicherung und die Transparenzdatenbank
geworfen hat. Anscheinend wollte Faymann vor seiner Wiederwahl „noch einmal die Muskeln spielen lassen“, wie es
Kaltenegger formuliert.
Am Montag, nach dem Parteitag, gibt es dann die nächste, und hoffentlich letzte, Verhandlungsrunde zum Transferkonto
und der Mindestsicherung. Kaltenegger geht davon aus, dass es dann ein Ergebnis geben wird.
Veritabler Linksruck in SPÖ
Ganz allgemein wünscht sich Fritz Kaltenegger, dass Werner Faymann wieder „mehr Bundeskanzler wäre -
und weniger SPÖ-Chef“. Denn in den letzten Wochen hat die SPÖ bei einigen Themen einen veritablen Linksruck
vollzogen. „Ob das sinnvoll ist, wird man sehen.“
Präzise Arbeit gefragt
Der Generalsekretär hofft aber, dass man in Zukunft wieder sachlicher arbeiten kann, zum Beispiel in der Spitalsfrage.
Dort ist er mit Schieders Ausritten wenig glücklich, denn: „Wenn man einen Blinddarm operiert, nimmt man ja
auch ein Skalpell und keine Kettensäge.“ Präzise Arbeit für das Land ist gefragt, und nach dem SP-Parteitag
hoffentlich wieder möglich.
Ein hervorragendes Ergebnis konnte das SPÖ-Bundesparteipräsidium einfahren SPÖ-Vorsitzender
Werner Faymann erhielt 93,8 Prozent Zustimmung. Faymann: "Danke, liebe Genossinnen und Genossen, für
euer Vertrauen!" Eine überwältigende Mehrheit erhielten auch die anderen Präsidiumsmitglieder:
Ackerl, Josef; Binder-Maier, Gabriele; Brauner, Renate; Dunst, Verena; Gschwentner, Hannes; Häupl, Michael;
Heinisch-Hosek, Gabriele; Kaiser, Peter; Leitner, Josef; Niessl, Hans; Prammer, Barbara; Ritsch, Michael; Tauß,
Tina; Voves, Franz. |