EU-Unterausschuss begrüßt Vorschläge der Kommission
Wien (pk) - Der Kampf gegen den Menschenhandel und gegen den sexuellen Missbrauch sowie der Opferschutz
waren am 09.06. zentrales Thema des EU-Unterausschusses. Die EU-Kommission hat dazu Vorschläge zu zwei Richtlinien
vorgelegt, die ein besseres abgestimmtes Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten sowie eine engere Zusammenarbeit auf internationaler
Ebene in diesen Bereichen zum Ziel haben. Dabei handelt es sich einerseits um die Richtlinie zur Verhütung
und Bekämpfung von Menschenhandel und zum Opferschutz andererseits um die Richtlinie zur Bekämpfung des
sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie.
Beide Richtlinienentwürfe wurden von den Abgeordneten aller fünf Fraktionen unisono begrüßt,
was auch durch zwei S-V-Anträge auf Ausschussfeststellung bekräftigt wird, die den Ausschuss mit großer
Mehrheit passierten. Die Abgeordneten sprechen sich darin jedoch für Präzisierungen in den EU-Vorlagen
aus.
Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner stellte dazu fest, in Österreich gebe es auf Grund der guten Rechtslage
nur geringen Anpassungsbedarf. Neu in österreichisches Recht aufgenommen werden müsste laut Erläuterungen
des Justizministeriums der Tatbestand des "Grooming". Damit bezeichnet man die Kontaktaufnahme zu Kindern
zum Zweck des sexuellen Missbrauchs. Die Abgeordneten traten auch eindeutig dafür ein, Internetseiten mit
kinderpornografischen Inhalten zu löschen.
Der Vorschlag zur Bekämpfung des Menschenhandels sieht ausdrücklich auch das Ausnützen von Personen,
die zum Betteln oder Stehlen gezwungen werden, als Menschenhandel an. Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner bemerkte
dazu, schon die Tatsache, dass Kinder von Großfamilien, die sich temporär in einem EU-Staat ansiedeln,
zum Betteln und Stehlen angehalten werden und keine schulische Ausbildung erhalten, mache die Notwendigkeit einer
engen grenzüberschreitenden Kooperation deutlich.
Der Vorteil der Annäherung im Bereich des materiellen Strafrechts und der Verfahrensvorschriften innerhalb
der EU liegt in der Erleichterung eines abgestimmten Vorgehens und damit einer Verbesserung der internationalen
Zusammenarbeit, unterstrich die Ministerin.
EU verstärkt Zusammenarbeit im Kampf gegen Menschenhandel
In der Vorlage zu einer effizienteren Bekämpfung des Menschenhandels wird der Straftatbestand des Menschenhandels
genau definiert. Demnach fällt darunter jeglicher Handel mit Menschen, egal ob gewaltsam durch Nötigung,
Bestechung, Betrug oder Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses. Es sind auch umfassende und verbindliche
Regelungen im Hinblick auf die gerichtliche Zuständigkeit vorgesehen, vor allem wird dem Opferschutz mehr
Beachtung geschenkt. Das reicht von der Einführung zur frühzeitigen Erkennung und Unterstützung
von Opfern über den Zugang zu notwendigen medizinischen Behandlungen und psychologischen Hilfen bis hin zu
Vorkehrungen, die Opfer, insbesondere Kinder, im Strafverfahren im besonderen Maße unterstützen und
begleiten. Auch die Prävention gewinnt an Bedeutung. So sollen verstärkt Schulungen erfolgen und Schritte
in die Wege geleitet werden, die der Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen und billigen Arbeitskräften
entgegenwirken. Geplant ist auch eine strafrechtliche Verfolgung von Personen, die unter Zwang erbrachte Dienste
nutzen, obwohl sie wissen, dass der/die Betreffende Opfer von Menschenhandel ist. In den einzelnen Mitgliedstaaten
sollen darüber hinaus nationale BerichterstatterInnen eingesetzt oder gleichwertige Mechanismen eingeführt
werden, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu prüfen.
In der einstimmig angenommenen V-S-Ausschussfeststellung wird die Tatsache hervorgehoben, dass die geschlechts-
und altersspezifische Komponente von Menschenhandel besonders beachtet werden soll. Befürwortet wird insbesondere
die Strafbarkeit juristischer Personen, womit man die Mitwirkung am Menschenhandel unter dem Deckmantel einer Organisation
oder eines Unternehmens unterbinden will. Es sollte nach Ansicht der Abgeordneten geprüft werden, ob den Mitgliedstaaten
ausdrücklich die Option eingeräumt werden kann, juristische Personen für Handlungen unter Strafe
zu stellen, bei denen zwar keine Begünstigung aber dennoch ein grobes, der juristischen Person zuzurechnendes
Verschulden vorliegt.
Die Diskussion zeigte dann auch allgemeine Zustimmung zum geplanten Richtlinienvorschlag. Abgeordnete Christine
Muttonen (S) hob die Bedeutung der einheitlichen Definition von Menschenhandel und die besondere Beachtung der
geschlechts- und altersspezifischen Komponente hervor, zumal ein Großteil der Opfer von Menschenhändlern
Frauen und davon wieder ein hoher Prozentsatz Minderjährige sind. Ebenso zeigte sie sich über die Bestimmungen
zu einem verbesserten Opferschutz zufrieden. Ähnlich positiv reagierte Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V),
der auf die Bedeutung des Menschenhandels im Rahmen des internationale organisierten Verbrechens hinwies. Der Menschenhandel
habe viele Facetten, sagte Donnerbauer, weshalb auch in Österreich entschiedene Schritte zur Eindämmung
dieser Verbrechen gesetzt worden seien. Die Abgeordneten Johannes Jarolim (S) und Albert Steinhauser (G) pflichteten
dem bei und stellten fest, die unumgängliche internationale Zusammenarbeit könne jedoch innerstaatliche
Maßnahmen nicht ersetzen, um diesen Verbrechenszweig einzudämmen.
Abgeordneter Johannes Hübner (F) monierte, es müsse auch in Zukunft sicher gestellt sein, dass die einzelnen
Länder strengere Bestimmungen, als sie in der Richtlinie enthalten sind, vorsehen können. Unterstützung
für die Vorlage kam schließlich auch vom BZÖ, wobei Abgeordneter Herbert Scheibner (B) mehr Druck
auf jene Länder verlangte, von denen ein Teil des Problems ausgeht. Auch werde der Erfolg der legislativen
Maßnahmen von der konkreten Umsetzung abhängen, sagte er und übte Kritik an der Wiener Stadtpolitik,
wo man seiner Meinung nach zu wenig gegen die Mafia im Prostitutionsbereich unternimmt.
Internetseiten mit kinderpornografischem Inhalt löschen
Mit Hilfe des zweiten Richtlinienvorschlags würden nun schwere Formen des sexuellen Missbrauchs und
der sexuellen Ausbeutung von Kindern, die derzeit nicht von den EU-Rechtsvorschriften erfasst sind, unter Strafe
gestellt. Die Definition des Tatbestands der Kinderpornographie wird vereinheitlicht und den Übereinkommen
von Europarat und UNO angenähert, das Strafausmaß soll so erhöht werden, dass die Strafen verhältnismäßig,
wirksam und abschreckend sind.
Unter Strafe gestellt werden sollen insbesondere pornografische Online-Darbietungen sowie der bewusste Zugriff
auf Kinderpornografie. Damit soll auch das Anschauen von Kinderpornografie auf Webseiten erfasst werden, was in
Österreich seit dem 2. Gewaltschutzgesetz bereits strafbar ist. Erleichtert werden soll auch die Strafermittlung.
Straftäter aus der EU, die außerhalb der Union Kinder missbrauchen oder ausbeuten, können in Zukunft
ebenfalls verfolgt werden, womit man dem Sex-Tourismus begegnen will. Die Bestimmungen würden auch zu einem
EU-weiten Verbot für Sexualstraftäter führen, Tätigkeiten im Kontakt mit Kindern auszuüben.
Auch in diesem Richtlinienvorschlag gibt es zahlreiche Bestimmungen zu einem verbesserten Opferschutz und zu mehr
Prävention. Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner wies in diesem Zusammenhang auf die Vorreiterrolle Österreichs
beim Opferschutz hin. So gebe es bereits seit 16 Jahren opferschonende Vernehmungen. Durch die fortschrittliche
österreichische Gesetzgebung würde die geplante Richtlinie keinen Änderungsbedarf in Österreich
hervorrufen, sagte sie.
Auch zu dieser Vorlage äußerten sich die Abgeordneten aller Fraktionen durchwegs positiv. So begrüßte
etwa Abgeordneter Johannes Jarolim (S) die Initiative der Kommission. Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) betonte
die Wichtigkeit der Maßnahmen, denn kriminelle Handlungen an Kindern zählten zu den abscheulichsten
Verbrechen, und die Opfer litten oft lebenslang unter den Folgen. Beide wiesen auf das hohe Niveau der österreichischen
Gesetzgebung hin und erinnerten an das zweite Gewaltschutzpaket zur effizienteren Bekämpfung des sexuellen
Missbrauchs.
In der von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ angenommenen V-S-Ausschussfeststellung wird der Entwurf als
ein wichtiger Schritt bezeichnet, um die Bekämpfung von Kinderpornografie in Europa und darüber hinaus
voranzutreiben, Lücken sowohl in der Strafverfolgung als auch im Opferschutz zu schließen und eine angemessene
Abschreckungswirkung zu erzeugen. Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) ging näher auf den Inhalt des Antrags
ein und unterstrich die Wichtigkeit einer gemeinsamen Definition der Straftatbestände, die die internationale
Zusammenarbeit auf diesem Gebiet erleichtert. Er unterstützte auch die vorgesehene Strafbarkeit juristischer
Personen.
Eine ausführlichere Diskussion entwickelte sich zum Thema Internet. In der mehrheitlich angenommenen Ausschussfeststellung
heißt es, die Möglichkeit, Internetseiten zu sperren, stelle eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung
von Kinderpornografie dar. Keinesfalls dürften dadurch aber die Anstrengungen zur Löschung von kinderpornografischem
Inhalt aus dem Internet nachlassen.
Zu diesem Thema legten auch die Grünen einen Antrag auf Ausschussfeststellung vor, in dem rechtliche Rahmenbedingungen
gefordert werden, die sicherstellen, dass die Provider in jenen Staaten, in denen sich die Server befinden, kinderpornografische
Inhalte löschen. Abgeordneter Albert Steinhauser (G) erläuterte dazu, Internetsperren würden den
Inhalt nicht aus dem Netz entfernen. Es würde lediglich ein technischer Vorhang darüber gestülpt,
womit die Inhalte über Nummernadressen weiterhin abrufbar seien. Mit dem Sperren von Seiten würde man
damit nur einem Placebo-Effekt erzielen. Es gehe einfach darum, die Märkte trocken zu legen. Die EU müsse
auch Druck auf jene Länder ausüben, die die Inhalte nicht löschen wollen, weshalb man die Diskussion
auch auf der Ebene der UNO führen sollte.
Die Abgeordneten Johannes Jarolim (S) und Heribert Donnerbauer (V) wiesen darauf hin, sowohl im Richtlinienentwurf,
als auch in der angenommenen Ausschussfeststellung werde festgehalten, dass das Löschen Vorrang vor dem Sperren
haben müsse. Dennoch sei es oft sehr schwierig, dies bei Drittländern durchzusetzen, weshalb es die zweitbeste
Alternative, nämlich das Sperren, geben müsse. Ministerin Bandion-Ortner ergänzte, die EU intensiviere
in dieser Frage die Verhandlungen mit anderen Ländern. Der Antrag der Grünen wurde mehrheitlich von SPÖ
und ÖVP abgelehnt.
Nachdem Abgeordneter Herbert Scheibner (B) in einem weiteren Antrag auf Ausschussfeststellung die Abschaffung der
Verjährungsfristen bei strafbaren Handlungen gegen die Integrität und Selbstbestimmung von Minderjährigen
gefordert hatte, wurde auch dieses Thema in der Diskussion näher beleuchtet. Bundesministerin Bandion-Ortner
hielt diesen Vorschlag für wenig zielführend, da eine Abschaffung zu einer weiteren schweren Belastung
der Opfer führen könnte, da nach etwa 40 Jahren die Beweisführung schwierig sei. Die österreichische
Rechtslage, wonach die Verjährungsfrist erst mit dem 28. Lebensjahr der Opfer beginnt, sei ausreichend. Außerdem
sei zu bedenken, dass von einer solchen Maßnahme nur zukünftige Fälle betroffen wären und
heutige Opfer aufgrund der zahlreichen Opferschutzeinrichtungen wesentlich früher über das ihnen zugefügte
Leid sprechen.
Dennoch meinte Abgeordneter Albert Steinhauser (G), man sollte über die Verjährungsfristen einen Round-Table
mit StrafrechtsexpertInnen und PsychotherapeutInnen abhalten. Es hätten sich die technischen Mittel verbessert,
um lange zurückliegende Fälle aufzuklären. Dem stimmte auch Abgeordneter Johannes Jarolim (S) zu.
Es sei sehr unterschiedlich, wann Opfer in der Lage seien, über das, was ihnen angetan wurde, zu reden. Abgeordneter
Herbert Scheibner (B) warf ein, in vielen Fällen würden die Opfer die Täter nicht kennen, durch
moderne technische Mittel könnten aber nunmehr die Spuren nach Jahrzehnten zu den Tätern führen.
Der von den anderen Fraktionen abgelehnte Antrag des BZÖ enthält darüber hinaus etwa auch die Forderung
nach Verdoppelung der Strafrahmen von strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung
von Minderjährigen, nach verpflichtend lebenslangen Kontrollmaßnahmen im Anschluss an die Haftentlassung
und nach einer generellen Anzeigepflicht. Das BZÖ wendet sich auch gegen eine bedingte Strafnachsicht sowie
gegen eine bedingte Entlassung bei Freiheitsstrafen wegen Sexualdelikten an minderjährigen Personen. Scheibner
wollte dies als ein Signal dafür sehen, dass für den Staat und die Gesellschaft sexueller Missbrauch
von Kindern und Jugendlichen als ein Kapitalverbrechen angesehen wird und dass hier keine Rücksichten gelten
dürften wie bei anderen Straftaten. Vor allem dürfe man das Restrisiko von Wiederholungstätern nicht
Kindern und Jugendlichen aufbürden.
Den Einwand des Abgeordneten Johannes Hübner (F) dass der Antrag zu weit gehe, weil er, wie auch die Vorlage
der Kommission, nicht zwischen Jugendlichen unter 14 Jahren und Jugendlichen über 14 Jahren unterscheide,
begegnete Scheibner mit dem Hinweis, sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sei nicht vergleichbar mit
Körperverletzung und Vermögensdelikten. Hier gehe es um den Eingriff in die Psyche und Integrität
von Menschen, die das Ausmaß anderer Delikte übersteigen. Abgeordneter Hübner blieb jedoch bei
seiner Feststellung, durch die mangelnde Differenzierung zwischen Mündigen und Unmündigen würde
der Rechtsstaat um wichtige Aspekte beraubt. Die Ministerin informierte daraufhin die Abgeordneten, dass diese
Frage in einem Arbeitsdokument aufgeworfen werde und die Diskussion darüber laufe. |