Schonende Videobefragung sexuell missbrauchter Kinder   

erstellt am
09. 06. 10

Wien (bmi) - Seit Anfang 2000 wurden in Wien rund 700 Videobefragungen sexuell missbrauchter Kinder durchgeführt. Sie finden in angenehmer Atmosphäre statt und werden auf Video aufgezeichnet, so dass später Gericht und Sachverständige einen authentischen Eindruck von der Opferbefragung erhalten.

"Die erste Befragung eines Opfers sexuellen Kindesmissbrauchs ist die wichtigste und sie ist unwiederbringlich", sagte Innenministerin Dr. Maria Fekter beim Festakt aus Anlass des zehnjährigen Bestehens des Konzepts der "schonenden Videobefragung" der Wiener Polizei am 08.06. "Diese erste Befragung findet in der Regel bei der Polizei statt. Mit dem Konzept der schonenden Videobefragung und mit speziell ausgebildeten Kriminalbeamtinnen und Kriminalbeamten hier in Wien können wir den Gerichten qualitativ hochwertiges Befragungsmaterial liefern – bei gleichzeitiger Schonung der Opfer."

Im Februar 2000 nahm die Wiener Polizei im 7. Bezirk in der Andreasgasse einen Raum für die Videobefragung sexuell missbrauchter Kinder in Betrieb. In angenehmer Atmosphäre mit bunten Vorhängen, einer Couch, Kindersessel und Spielsachen können hier Kriminalistinnen und Kriminalisten die Kinder "schonend befragen".

Die Befragungen werden auf Video aufgezeichnet – sofern Kind und Eltern die Zustimmung erteilen. "Dadurch entfällt für uns als Vernehmende das Mitschreiben und damit Unterbrechungen des Redeflusses des Kindes", sagt Chefinspektorin Brigitte Nurscher. Die Videobefragung ist deutlich kürzer als herkömmliche Opferbefragungen. Sie dauert durchschnittlich zwanzig Minuten.

Die Aussagen der Opfer werden nach der Videobefragung wörtlich zu Papier gebracht. "Dieses Protokoll und die Videoaufzeichnungen vermitteln einen authentischen Eindruck vom Ablauf der Befragung und vom Entwicklungsstand des Kindes", betont die Kriminalbeamtin. "Am Video können später der Sachverständige, Staatsanwälte und Richter nicht nur anhand des Gesagten beurteilen, wie sie die Aussage bewerten, sondern auch anhand der Gestik und Mimik."

Die schonende Videobefragung ersetzt nicht die "kontradiktorische Vernehmung" der Opfer vor Gericht. Bei der "kontradiktorischen Vernehmung" stellen Psychiater oder Psychologen den Kindern in einem Nebenraum des Verhandlungssaals kindgerecht jene Fragen, die ihm Richter, Rechts- und Staatsanwalt stellen würden. Die Befragung wird per Video in die Hauptverhandlung eingespielt.

Die ausgebildete Hort- und Kindergartenpädagogin Brigitte Nurscher ist seit 1981 Kriminalbeamtin. Ende der neunziger Jahre wurde sie in Kiel (Deutschland) und in Wien von Kinderpsychiater Univ.-Prof. Dr. Max Friedrich und der Psychologin Dr. Margitta Essenther für das Konzept der Videobefragung ausgebildet. Anfang 2000 richtete sie in Wien den Befragungsraum ein und hat seither die meisten der rund 700 Videobefragungen selbst durchgeführt.
     
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