Wien (oenb) - Im Frühjahr 2010 haben sich die Unsicherheiten in Hinblick auf die Tragfähigkeit
der öffentlichen Finanzen einiger Länder des Euroraums markant erhöht. „Die österreichischen
Banken sind in diesen Ländern allerdings im internationalen Vergleich nicht in besonders hohem Ausmaß
exponiert, da sie stärker in Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE) engagiert sind, wo jedoch gemäß
den aktuellen Prognosen von IWF und Europäischer Kommission bereits ein moderater Aufschwung eingesetzt hat“,
erklärte Gouverneur Nowotny anlässlich der Präsentation der 19. Ausgabe des Finanzmarktstabilitätsberichtes
der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Dennoch bleibt das Umfeld für das österreichische Finanzsystem
schwierig. Die Ertragssituation der Banken hat sich zwar verbessert, ist jedoch weiterhin Risiken ausgesetzt. Die
gestiegenen Kreditwertberichtigungen werden aufgrund des scharfen Wirtschaftseinbruchs weiterhin auf einem hohen
Niveau bleiben.
Finanzierung von Unternehmen und privaten Haushalten weiterhin unter dem Einfluss der Krise
Nach wie vor beeinträchtigt die Krise die Finanzierung der österreichischen Unternehmen, obwohl
sich die Lage seit Herbst 2009 leicht entspannt hat. Die Kreditzinsen befinden sich nach den Leitzinssenkungen
2008/09 aktuell auf einem historisch niedrigen Niveau. Die Kreditvergabe der Banken wies seit Ende 2009 negative
Jahreswachstumsraten auf. Diese Abschwächung der Finanzierungsvolumina dürfte sowohl angebots- als auch
nachfrageseitige Ursachen gehabt haben. Zum einen verminderte die rückläufige Investitionstätigkeit
den Finanzierungsbedarf der Unternehmen, zum anderen blieb die Kreditvergabepolitik der Banken infolge der konjunkturbedingt
verschlechterten Bonitätseinschätzungen im Frühjahr 2010 vorsichtig.
Die privaten Haushalte weiteten ihre Kreditaufnahme bis zuletzt nur sehr verhalten aus. Die geringe Neuverschuldung
des Haushaltssektors und die niedrigen Zinsen haben die Verschuldungsquote und den Zinsaufwand der Haushalte reduziert.
Der Fremdwährungsanteil am Bestand der Haushaltskredite ist immer noch sehr hoch, auch wenn zuletzt eine sehr
deutliche Zurückhaltung der Banken bei Fremdwährungskrediten zu verzeichnen war, die nicht zuletzt auch
auf von Finanzmarktaufsicht (FMA) und OeNB festgelegten ergänzenden Mindeststandards zur Vergabe von Fremdwährungs-
und Tilgungsträgerkrediten an private Haushalte in Österreich zurückzuführen war. Die jüngsten
Kursbewegungen des Euro zum Schweizer Franken bestätigten einmal mehr das Risiko dieser Kreditart. Auch Stresstests
für die privaten Haushalte zeigen, dass Zinsentwicklungen absolut zwar den größten Einfluss auf
die Zahlungsfähigkeit der Haushalte haben, relativ gesehen aber Fremdwährungskredite mit besonderen Risiken
verbunden sind.
Schwieriges Umfeld für Österreichs Banken bleibt trotz Verbesserungen bestehen
Das österreichische Bankensystem hat in der Krise an Ertragskraft eingebüßt, blieb allerdings insgesamt
weiterhin profitabel, gleichzeitig erhöhte sich die Streuung der Profitabilität unter den einzelnen Instituten.
Die jüngsten Verbesserungen der Ertragskraft sind jedoch auch von einer historisch steilen Zinskurve, starken
Handelserträgen und reichlicher Zentralbankliquidität getragen. Zudem ist die Kreditqualität weiter
zurückgegangen und der Wertberichtigungsbedarf somit gestiegen. „In Anbetracht des derzeitigen konjunkturellen
Umfeldes ist davon auszugehen, dass der Wertberichtigungsbedarf anhaltend hoch bleiben wird“, merkte Direktor Ittner
an.
Die österreichischen Tochterbanken in CESEE konnten im Jahr 2009 trotz der anhaltenden Unsicherheiten in der
Region einen positiven Ergebnisbeitrag liefern. Das Periodenergebnis nach Steuern aller CESEE-Auslandstochterbanken
betrug 2009 rund 1,8 Mrd EUR (2008: 4,2 Mrd EUR). Auch hier hat sich die Heterogenität der Entwicklung deutlich
erhöht. Die erwarteten konjunkturellen Erholungstendenzen in dieser Region lassen durchaus Verbesserungen
bei den Tochterbanken österreichischer Konzerne erwarten, wenngleich auch hier durch allfälliges Auslaufen
von internationalen Stützungsmaßnahmen erhöhte Risiken bestehen.
Die konsolidierte Kernkapitalquote der österreichischen Banken stieg seit ihrem Tiefpunkt 2008 dank privater
und staatlicher Kapitalzuführungen um rund 2 Prozentpunkte auf 9,3%. „Dieser Anstieg erhöhte zweifellos
auch die Risikotragfähigkeit der Banken. Allerdings ist angesichts der laufenden Regulierungsinitiativen mittelfristig
ein weiterer Eigenmittelbedarf des österreichischen Bankensektors zu erwarten“, ergänzte Direktor
Ittner.
Die aktuellen Frühjahrs-Stresstest der OeNB zeigen eine Verbesserung gegenüber dem Herbst 2009, jedoch
bleibt die Kapitalausstattung der österreichischen Banken vergleichsweise niedrig. Darüber hinaus müssen
bereits laufende Strukturanpassungsprozesse im österreichischen Bankensektor weiter vorangetrieben werden.
Der halbjährlich erscheinende Finanzmarktstabilitätsbericht der OeNB enthält regelmäßige
Analysen finanzmarktstabilitätsrelevanter Entwicklungen in Österreich und im internationalen Umfeld.
Daneben werden im Rahmen von Schwerpunktartikeln zusätzlich auch Spezialthemen behandelt, die im Zusammenhang
mit der Stabilität der Finanzmärkte stehen. In der aktuellen Ausgabe sind dies die Stresstests der privaten
Haushalte in Österreich, die Auswirkungen des Zahlungsdienstegesetzes auf den österreichischen Finanzmarkt,
die Relevanz österreichischer Kapitalanlagegesellschaften und Investmentfonds für die Finanzmarktstabilität
sowie der Bankensektor Kasachstans. |