Diskussionen über gemeinsamen Obsorge  

erstellt am
24. 06. 10

Heinisch-Hosek: Harmonie in der Familie kann nicht per Gesetz verordnet werden
Familienrecht muss neue Antworten auf die veränderten Lebenssituationen von Familien finden
Wien (sk) - "Harmonie in der Familie kann nicht per Gesetz verordnet werden. Wir sagen daher 'Nein' zu einer automatischen gemeinsamen Obsorge, weil eine Zwangsbeglückung der Eltern nicht deeskalierend wirkt, sondern zu mehr Konflikten führt. In erster Linie muss aber das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen", erklärte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek am 24.06. bei der Parlamentsenquete zum Thema: "Konflikten konstruktiv begegnen. Herausforderungen im Familienrecht". Das Familienrecht müsse reformiert werden, um Antworten auf die veränderten Lebensbedingungen von Familien des 21.Jahrhunderts zu geben, so die Ministerin. Ihre Vorschläge, um die Situation von Scheidungskindern zu verbessern, umfassen konkrete Maßnahmen wie das verpflichtende Mitverhandeln von Besuchszeiten bei einvernehmlichen Scheidungen, eine generelle Verfahrensbeschleunigung bei Scheidungsfällen und eine verpflichtende Elternberatung nach strittigen Scheidungen.

"Statt die gemeinsame Obsorge per Gesetz zu verordnen, müssen wir die freiwillige gemeinsame Obsorge fördern und unterstützen", fordert Heinisch-Hosek. 90 Prozent der Scheidungen in Österreich endeten einvernehmlich, dennoch würde nur rund die Hälfte dieser geschiedenen Paare die gemeinsame Obsorge beantragen. "Bei allen anderen aber, hat es meistens gute Gründe, warum die gemeinsame Obsorge nicht zustande kommt", so die Frauenministerin. Immer noch - das zeige der jüngst veröffentlichte Frauenbericht - übernehmen Frauen trotz Berufstätigkeit den Großteil der Familienarbeit. "Warum sollte sich das nach der Scheidung plötzlich ändern?", fragt Heinisch-Hosek. Viele Trennungen seien auch von Streit und Konflikten begleitet. Eine automatische gemeinsame Obsorge würde diese Konflikte eher verschärfen als deeskalierend wirken, ist sich Heinisch-Hosek sicher: "Wenn sich zwei bis auf's Blut streiten, möchte ich niemanden dazu zwingen, sich gemeinsam kümmern zu müssen." Sie spricht sich stattdessen für eine "Abkühlphase" aus, damit sich die Gemüter beruhigen können. Nach dieser soll erneut geklärt werden, ob eine gemeinsame Obsorge im Sinne des Kindeswohles in Frage komme.

Ein anderer Vorschlag der Frauenministerin, um Konflikte nach Trennungen zu entschärfen, sieht vor, dass die Regelung von Besuchzeiten bei einvernehmlichen Scheidungen verpflichtend mitverhandelt wird und die Eltern diese gemeinsam festlegen müssen. Derzeit kann über die Besuchszeit auch erst nach einem Scheidungsfall verhandelt werden. Um die oftmals langen Wartezeiten bei Scheidungsverfahren zu verkürzen - sie dauern oftmals mehrere Jahre -,spricht sich Heinisch-Hosek außerdem für eine generelle Verfahrensbeschleunigung aus: "Ich kann mir vorstellen, bei solchen Verfahren zu verordnen, dass innerhalb einer angemessenen Zeit eine Entscheidung vorliegen muss, um zu verhindern, dass der Kontakt zu einem Elternteil abbricht". Nach strittigen Scheidungen seien auch verpflichtende Elterngespräche ein Mittel zur Deeskalation. "Diese können dazu beitragen, dass die Eltern eine Lösung im Sinne ihres Kindes finden", sagte die Frauenministerin abschließend.

 

Steibl: Wohl des Kindes muss im Mittelpunkt stehen
ÖVP-Familiensprecherin erhofft sich von heutiger Enquete für Familienrecht wichtige Beiträge
Wien (övp-pk) - Die heutige parlamentarische Enquete "Konflikten konstruktiv begegnen - aktuelle Herausforderungen im Familienrecht" war bisher durch eine konstruktive Diskussion mit spannenden und interessanten Ausführungen der geladenen ReferentInnen und ExpertInnen geprägt. Deren Einschätzungen und Äußerungen werden in jedem Fall einen wichtigen Beitrag in der folgenden Debatte rund um Änderungen im Familienrecht, insbesondere in Richtung gemeinsamer Obsorge, finden. Das stellte Familiensprecherin Abg. Ridi Steibl fest.

Steibl unterstrich, dass bei diesem Thema keinesfalls irgendjemand diskriminiert oder ausgeschlossen werden dürfe. "Es darf keinen Geschlechterkampf geben." Es gehe nicht an, dass Väter monatelang auf die Entscheidung des Gerichts über die Besuchszeiten warten müssen und sie ihre Kinder so lange nicht sehen dürfen. Diese Verfahren sollten beschleunigt werden - auch im Interesse des Kindes. "Es geht nicht um Diskriminierung oder Bevorzugung von Erwachsenen, sondern im Mittelpunkt steht für mich ganz klar das Wohl des Kindes. Und dafür müssen wir Lösungen für die verschiedenen Lebensmodelle finden", schloss die ÖVP-Familiensprecherin.

 

FPÖ setzt sich abermals als die gestaltende Oppositionskraft durch
Nach ÖVP schwenkt auch BZÖ auf die langjährige Forderung der FPÖ ein, eine gemeinsame Obsorge als Regelfall einzuführen
Wien (fpd) - Nach vielen freiheitlichen Anträgen und hartnäckiger Diskussion von Seiten freiheitlicher Abgeordneter sieht es für die Einführung eines modernen Obsorgerechts in Österreich gut aus. "Nachdem bereits in der UN-Kinderrechtskonvention der Grundsatz, dass beide Elternteile gemeinsam für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich sind, implementiert wurde, Deutschland die gemeinsame Obsorge als Regelfall bereits 1998 eingeführt hatte und auch die Schweiz eine vergleichbare Regelung demnächst beschließen wird, scheint auch Österreich die Zeichen der Zeit zu erkennen", so FPÖ-Justizsprecher NAbg. Peter Fichtenbauer.

Die freiheitliche Familiensprecherin NAbg. Anneliese Kitzmüller ergänzt, dass ohne den Einsatz der FPÖ die aktuellen Entwicklungen in dieser Frage wohl kaum denkbar gewesen wären. "Seit mehr als zwei Jahren kämpft die FPÖ für die Einführung der gemeinsamen Obsorge als Regelfall, weil damit der Beziehungskonflikt im Zuge einer Trennung vom Kind getrennt wird und damit endlich das Kind nicht mehr als Waffe missbraucht werden kann. Es ist danach zu trachten, die Rolle als ehemaliger Partner in einer Beziehung und die Rolle als Elternteil zu trennen, um für das Kind oder die Kinder eine bestmögliche Entwicklung mit Kontakt zu beiden Eltern zu gewährleisten."

Alleine in dieser Gesetzgebungsperiode habe die FPÖ vier Anträge betreffend die gemeinsame Obsorge eingebracht, die allesamt von sämtlichen anderen Parteien abgelehnt wurden. Dass nun zumindest bei ÖVP und dem kaum noch existenten BZÖ auf die freiheitliche Linie eingeschwenkt wird, sei begrüßenswert, so Fichtenbauer und Kitzmüller.

 

Bucher, Ebner fordern Kinderrechtscharta mit gemeinsamer Obsorge als Regelfall
Kinder haben das Recht auf beide Elternteile
Wien (bzö) - BZÖ-Bündnisobmann Josef Bucher und BZÖ-Generalsekretär Mag. Christian Ebner präsentierten im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz eine "Kinderrechtscharta". Obsorge, Betreuungs- und Besuchsrecht sowie Unterhaltszahlungen müssen sich am Recht jedes Kindes auf beide Eltern orientieren, da die Elternschaft unabhängig von der Beziehung der Eltern zueinander besteht. "Das Wohl des Kindes muss im Zentrum stehen. Jedes Kind hat ein Recht auf beide Elternteile. Die gemeinsame und gleichberechtigte Obsorge ist ein Kinderrecht", so Bucher, der auf aktuelle Zahlen verwies. So gibt es in Österreich 360.000 geschiedene Elternteile, 130.000 Kinder die keinen oder wenig Kontakt zum Vater haben und sogar 30.000 Kinder, die keinen beziehungsweise wenig Kontakt zur Mutter haben.

Kernpunkt der Kinderrechtscharta ist die gemeinsame Obsorge als Regelfall und nicht wie bisher als Ausnahme. Dafür soll die gesetzliche Grundlage geschaffen werden. "Die Väter sollen nicht nur Besuchsonkel sein, sondern das Recht haben, die Kinder auch aktiv betreuen zu dürfen. Der Idealfall ist eine Aufteilung der Betreuungszeit im Verhältnis 50:50", erklärte Bucher.

Der Betreuungszeit soll auch die Regelung der Unterhaltszahlungen entsprechen. "Wenn das Kind z.B. mehr als vier Tage pro Monat beim Vater verbringt, soll sein Geldunterhalt entsprechend der Aufenthaltszeit des Kindes reduziert werden", forderte der BZÖ-Bündnisobmann. Weiters verlangte Bucher mehr Personal für die Betreuungsstellen der Jugendwohlfahrt. Wenn der Kindesunterhalt nicht prompt bezahlt wird, solle der Staat rascher einspringen, damit es nicht zu einer Verarmung der Familie komme.

BZÖ-Generalsekretär Ebner forderte die Möglichkeit einer präventiven Regelung und forderte daher einen "vorbeugenden Obsorgevertrag". "Wir wollen von Anfang an eine klare Regelung ermöglichen. Ziel ist der intensive Kontakt des Kindes zu beiden Elternteilen." Bei der Verweigerung des Besuchsrechts durch einen Elternteil sei das BZÖ für einen sanften Druck, etwa zu Beginn durch ein verpflichtendes Beratungsgespräch.

"Im Bereich der Obsorge von Kindern gibt es massiven Handlungsbedarf. Mit dieser Kinderrechtscharta will das BZÖ die Anpassung der Obsorgeregelungen an die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse", so Bucher und Ebner abschließend.
     

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