Fußfessel weder Privileg nach Wunschkonzert, sondern Haftäquivalent
Wien (pk) - Einstimmig hat der Justizausschuss am 01.07. grünes Licht für die elektronische
Fußfessel gegeben. Schon in der Debatte hatte sich eine sehr weit gehende Übereinstimmung zwischen den
Fraktionen gezeigt, wenn auch einzelne Punkte unterschiedlich bewertet und einzelne offene Fragen formuliert wurden.
So fragten die freiheitlichen Abgeordneten Harald Stefan und Christian Lausch nach den erhofften Einsparungen,
traten für eine genauer fixierte Evaluierung der Maßnahme ein und fragten nach Möglichkeiten der
Überwachung für Personen im elektronischen Hausarrest sowie nach einem möglichen Zusammenhang zwischen
Haftuntauglichkeit und elektronischer Fußfessel. Abgeordneter Ewald Stadler (B) wollte Näheres zu Erfahrungen
mit der Fußfessel im Ausland hören, stellte die grundsätzliche Frage, ob der Hausarrest eine neue
Strafdrohung oder eine neue Vollzugsform darstelle und trat für eine Evaluierung nach etwa fünfjähriger
Praxis ein.
Abgeordneter Albert Steinhauser (G) sah in der Fußfessel einen Beitrag zur Resozialisierung von Straftätern.
Kritisch sprach er sich gegen einige Details – z.B. keine Bewegung im Freien, Anknüpfung an die "Normalarbeitszeit"
– aus und warnte vor der Gefahr einer "sozialen Selektion" in der Form, dass von der Fußfessel
vor allem Täter aus dem Vermögensbereich profitieren könnten; umso wichtiger sei hier die Begleitung
durch SozialarbeiterInnen.
Naturgemäß positiv äußerten sich die meisten RednerInnen der Koalitionsfraktionen. Abgeordneter
Johannes Jarolim (S) sah in der Vorlage eine "epochale Weiterentwicklung" im Strafrecht, durch die zur
sozialen Integration beigetragen würde. Er begrüßte auch die mit der Fußfessel verbundene
Kostensenkung. Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) bezog sich ebenfalls auf den Aspekt der Resozialisierung.
Er machte aber auch deutlich, dass es sich bei der Fußfessel keineswegs um ein "Wunschkonzert für
Straftäter" handle. Es werde streng geprüft werden, daher stelle die Maßnahme auch einen Beitrag
zu mehr Sicherheit dar.
Die Abgeordneten Sonja Ablinger und Gisela Wurm (beide S) äußerten Sorge über die Möglichkeit,
dass Gewalttäter im häuslichen Bereich durch die Fußfessel in die Familie zurückkommen könnten.
Diese Gefahr sei umso größer, als Beziehungsgewalt einer besonderen Dynamik unterliege, von den ihrer
Autonomie beraubten Opfern nicht mitgeteilt und von außen nicht erkannt werde. Die beiden Abgeordneten monierten
die Berücksichtigung der Stellungnahmen der Gewaltschutzzentren.
In diesem Zusammenhang brachte Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) eine Ausschussfeststellung ein, die diesen
Bedenken Rechnung tragen soll. Abgeordneter Ewald Stadler (B) äußerte Zweifel, dass damit der beschriebenen
Gefahr vorgebeugt werden könne, weil eine Ausschussfeststellung kaum die Rechtsanwender erreiche.
Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner kündigte zunächst Informationsveranstaltungen für die mit
dem Thema Befassten an. Die Intentionen der Ausschussfeststellung würden mittels Erlass kommuniziert werden.
Die Kosten aus der Fußfessel gegenüber der sonstigen Haft stufte die Ministerin mit rund der Hälfte
ein. Alkoholkonsum könnte durch Ferntestung überprüft werden, zur Überprüfung von Drogenmissbrauch
würde es Vorladungen und Stichproben geben. Die Fußfessel sei in Großbritannien und in Frankreich
mit großem Erfolg im Einsatz; sie stelle kein Privileg dar, der Hauarrest sei vielmehr ein Haftäquivalent
und eine andere Vollzugsform, die zum Teil sogar als belastender empfunden würde als die Haft. Da sich in
der Überwachung das GPS-System als fehleranfällig erwiesen habe, nütze man das Festnetz; zuletzt
seien dabei keine Fehler mehr aufgetreten. Die Bezugnahme auf die "Normalarbeitszeit" werde durch das
Wort "tunlichst" gemildert.
Zu den Bedenken der Abgeordneten Ablinger und Wurm (beide S) betonte Ministerin Bandion-Ortner, diese seien sehr
ernst genommen worden. Daher gebe es eine sehr strenge Individualprüfung, in deren Verlauf auch das Umfeld
genau erkundet und nicht nur die Familie befragt werde. Eine generelle, im Gesetz festgeschriebene Ausnahme sei
aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich.
Die Vorlage – in Form eines Abänderungsantrags der Abgeordneten Donnerbauer und Jarolim - und die Ausschussfeststellung
wurden einstimmig dem Plenum zur Annahme empfohlen. Ein vom BZÖ eingebrachter Abänderungsantrag blieb
in der Minderheit.
Mit der heute plenumsreif gemachten Vorlage werden die legistischen Voraussetzungen für die Einführung
der so genannten elektronischen Fußfessel – korrekt: des elektronisch überwachten Hausarrests - geschaffen.
Dies bedeutet "dass der Strafgefangene sich in seiner Unterkunft aufzuhalten, einer geeigneten Beschäftigung
(...) nachzugehen und sich angemessenen Bedingungen seiner Lebensführung außerhalb der Anstalt zu unterwerfen
hat". Der elektronische Hausarrest muss beantragt werden, kann unter genau definierten Voraussetzungen vom
Leiter der betreffenden Strafanstalt, nach entsprechender Begutachtung, gewährt und unter ebenfalls exakt
normierten Bedingungen widerrufen werden. Grundsätzlich kommt diese Form des Hausarrests für Personen
in Frage, die sozial ausreichend integriert sind und deren Strafe ein Jahr nicht übersteigt. Sie soll für
Strafhäftlinge wie Personen in Untersuchungshaft gelten.
Durch den genannten Abänderungsantrag wurde die Änderung der Strafprozessordnung mit dem Gesetz über
die Fußfessel zusammengeführt. Die zweite, jetzt integrierte Vorlage schafft eine neue Form der Sicherstellung.
Sie betrifft vor allem reisende Tätergruppierungen, bei denen eine Anzeige auf freiem Fuß bisher ohne
Folgen blieb.
Begleitgesetz zum Insolvenzrechtsänderungsgesetz
Mit dem Entwurf eines Insolvenzrechtsänderungs-Begleitgesetzes werden Anpassungen an die neue, durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz
entstandene Rechtslage in einer langen Reihe von Gesetzen vorgenommen. Die Vorlage wurde ohne Debatte in Form eines
Abänderungsantrags mit ausschließlich redaktionellen Änderungen mit S-V-F-G-Mehrheit angenommen
Bürgerinitiative und Entschließung zu Anti-Mobbing-Gesetz
Einstimmig griff der Ausschuss das Anliegen einer Bürgerinitiative auf, deren Ziel die Verabschiedung eines
Anti-Mobbing-Gesetzes ist. Abgeordneter Johann Maier (S) wies im Hinblick auf die drastisch steigende Form von
"Cyber-Mobbing" auf die Notwendigkeit einer Befassung des Parlaments mit diesem Thema hin. Auch Abgeordneter
Albert Steinhauser (G) sah eine wachsende Zahl von Betroffenen; mit der Stellungnahme des Justizministeriums zur
Bürgerinitiative war er nicht zufrieden. Abgeordneter Ewald Stadler vermutete Abgrenzungsprobleme und warnte
davor, "gleich nach dem Strafrichter zu rufen". In einem von Abgeordneter Ridi Maria Steibl (V) eingebrachten
Entschließungsantrag wird die Bundesregierung ersucht, den Bestand an Anti-Mobbing-Regelungen darzulegen
und einen allfälligen Ergänzungsbedarf im Bereich des Cyber-Mobbings aufzuzeigen.
Der Entschließungsantrag fand die einhellige Zustimmung des Ausschusses.
Petition für Verhandlung von Arbeitsrechtssachen direkt im Pongau
Abgeordneter Johann Maier (S) hat dem Nationalrat eine vom Vizebürgermeister der Gemeinde Bischofshofen,
Hansjörg Obinger, initiierte Petition vorgelegt, die die Einführung eines Gerichtstags in Arbeits- und
Sozialrechtssachen am Bezirksgericht St. Johann im Pongau zum Ziel hat. Vizebürgermeister Obinger wurde als
Experte den Beratungen des Ausschusses beigezogen. Er wies auf den bis zu vier Stunden langen Anreiseweg aus dem
Pongau und auf die im Vergleich zum Lungau und zum Pinzgau deutlich gestiegene Zahl von Anlassfällen hin.
Abgeordneter Johann Maier (S) regte an, die Gerichtstage im Pinzgau von vier auf zwei zu reduzieren und dafür
zwei Gerichtstage im Pongau vorzusehen. Er wurde darin auch von seinem Fraktionskollegen Johannes Jarolim unterstützt.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner konnte dem Vorschlag mit Blick auf die damit verbundenen Kosten und auf
mögliche Folgewirkungen wenig abgewinnen. Sie sehe derzeit dafür keinen Weg, betonte sie.
FPÖ-Vorschläge zu Einsparungen im Justizressort vertagt
Eine Liste mit Einsparungsmöglichkeiten im Justizressort, die F-Abgeordnete als einen Entschließungsantrag
vorlegten, wurde mit der Mehrheit der Koalition vertagt.
Abgeordnete Sonja Steßl-Mühlbacher (S), die den Vertagungsantrag stellte, bemängelte, dass hinter
den Vorschlägen keine Zahlen stünden. G-Abgeordneter Albert Steinhauser war mit dem Argument gegen eine
Vertagung, gerade jetzt in der Erarbeitung des Budgets müssten Einsparungsvorschläge an die Regierung
heran getragen werden. Inhaltlich habe er allerdings Einwände gegen die FP-Vorschläge, betonte der Justizsprecher
der Grünen. Auch BZÖ-Mandater Herbert Scheibner sprach gegen eine Vertagung und für "Aufträge"
an die Regierung, und zwar mit dem pointierten Argument: "Wir sind der Gesetzgeber!" Abgeordneter Heribert
Donnerbauer (V) verteidigte die Vertagung.
FPÖ fordert mehr Rechte für Eltern - vertagt
Mehr Rechte für Eltern fordert die FPÖ per Antrag. Demnach soll ein nicht mit der Obsorge betrauter
Elternteil, der mit dem anderen Elternteil und dem gemeinsamen minderjährigen Kind nicht nur vorübergehend
im gemeinsamen Haushalt lebt, den anderen Elternteil in der Ausübung der Obsorge unterstützen. Abgeordneter
Walter Rosenkranz (F) erläuterte den Antrag und meinte kritisch, es sei unverständlich, dass Patchworkfamilien
bevorzugt wären. Abgeordneter Ewald Stadler (B) sah unter Bezugnahme auf die jüngst durchgeführte
parlamentarische Enquete die Diskussion am Laufen, diese Debatte werde im Herbst weiter gehen. Er sprach sich für
eine gemeinsame Obsorge nach deutschem Muster aus. Abgeordneter Albert Steinhauser (G) warnte vor Schnellschüssen.
Abgeordneter Bernd Schönegger (V) stellte einen Antrag auf Vertagung.
Auch Justizministerin Bandion-Ortner meinte, Lösungen seien hier nicht von heute auf morgen zu finden. Ab
September werde sich im Justizministerium eine Arbeitsgruppe dieser Thematik widmen.
Der Antrag wurde mit S-V-G-B-Mehrheit vertagt.
Grüne wollen umfassende Reform des Maßnahmenvollzugs - vertagt
Vertagt wurde schließlich ein Entschließungsantrag der Grünen nach einer umfassenden Reform des
Maßnahmenvollzugs. Abgeordneter Albert Steinhauser (G) sah, hinsichtlich der Notwendigkeit dringender Reformen
unterstützt von den S-Abgeordneten Sonja Steßl-Mühlbacher und Johannes Jarolim, nicht nur Reformbedarf,
sondern auch eine Gefahr für die Sicherheit. Abgeordneter Ewald Stadler (B) ortete bezüglich der vorgeschlagenen
Reformen zum einen Widerstände bei den Ländern, zum anderen könne der Maßnahmenvollzug nicht
aus dem Justizressort ausgelagert werden, zumal es sich auch im Fall psychisch kranker Personen um "festgestellte
Täter" handle.
Man sei in ihrem Ressort dabei, Verbesserungen durchzuführen, sagte Bandion Ortner, wobei der Druck auch durch
die Zahl der Fälle steige.
Der von Abgeordneter Sonja Steßl-Mühlbacher (S) eingebrachte Vertagungsantrag fand die Mehrheit der
Koalitionsfraktionen. |