OeNB-Spitze informiert den Finanzausschuss
Wien (pk) - Die wirtschaftspolitische Performance Österreichs ist bei den meisten Wirtschaftsindikatoren
besser als die des Euroraums, die heimischen Banken wiederum sind nach dem Bankenpaket gut und flexibel für
aktuelle und künftige Herausforderungen gerüstet. Dies sind die Kernaussagen, mit denen Nationalbank-Gouverneur
Ewald Nowotny und Vizegouverneur Wolfgang Duchatczek am 29.06. nlässlich ihres routinemäßigen Halbjahresberichts
an den Finanzausschuss über die geld- und währungspolitischen Maßnahmen die derzeitige Lage von
Österreichs Wirtschaft und Banken skizzierten.
Das internationale Umfeld ist nach den Worten Nowotnys von einer Beschleunigung der Weltwirtschaft bei gleichzeitiger
eher langsamer Erholung im Euroraum gekennzeichnet, wobei der europäische Konjunkturaufschwung einerseits
durch die Exportnachfrage als Folge des Euro-Dollar-Kurses gestützt, andererseits aber durch auslaufende Konjunkturpakete
gedämpft wird. Der nach wie vor geringe Inflationsdruck lässt der Geldpolitik Spielraum zur Stabilisierung
von Finanzmärkten, Kreditvergabe und Realwirtschaft. Die Verschlechterung der Staatshaushalte aufgrund fiskalpolitischer
Unterstützungsmaßnahmen führt allerdings zu Spannungen auf Märkten für Staatsanleihen.
Die Daten, die dem Bericht Nowotnys und Duchatczeks zugrunde lagen, weisen der österreichischen Wirtschaft
die Prädikate "leistungsstark" und "schockresistent" aus. So sind Wachstum und Wohlstand
in Österreich höher als im Euroraum, das Pro-Kopf- Einkommen liegt 14 % über dem Durchschnitt der
Eurozone. Österreichs Wirtschaftsstruktur kann vor allem durch Diversifizierung und sektorale Vielfalt punkten,
Leistungsbilanzüberschüsse bestätigen dabei die internationale Wettbewerbsfähigkeit und verbessern
überdies die ohnehin solide internationale Vermögensposition. Dazu kommt noch, dass Österreich als
internationaler Kapitalgeber nicht auf Kapitalimporte angewiesen ist und den Außenhandel, der ja zum Großteil
mit dem Euroraum abgewickelt wird, weitgehend kein Währungsrisiko trifft. Die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs
wird darüber hinaus auch durch die moderate Lohnstückkostenentwicklung der letzten Jahre sowie durch
die hohe soziale Stabilität als Folge der niedrigen Arbeitslosigkeit und der geringen Streikhäufigkeit
nachhaltig abgesichert.
Die Staatsschuldenquote ist mit 66,5 % im Jahr 2009 im internationalen Verglich niedrig und bleibt trotz expansiver
Fiskalpolitik auch weiterhin unter dem Euroraum- und EU- Durchschnitt, wenngleich der Schuldenstand allerdings
stärker wächst als das BIP. Die Schuldenquote sei heute aber der zentrale Aspekt, da sie eine Aussage
über die Liquidität eines Landes trifft, gab Nowotny zu bedenken. Mit Nachdruck betonte der OeNB- Gouverneur
in diesem Zusammenhang, dass aus Sicht der Nationalbank auch für Österreich die Notwendigkeit besteht,
2011 eine klare Konsolidierungspolitik zu betreiben und dabei vor allem auch die Chancen der guten Exportentwicklung
zu nützen. Den aktuellen Euro-Dollar-Kurs bezeichnete er als "eines der wichtigsten Konjunkturprogramme,
das es derzeit in Europa gibt".
Nowotny ging in seinem Bericht weiters von einem Wachstum der realen Wirtschaft Österreichs von 1,6 % im Jahr
2010 aus und rechnete für die beiden kommenden Jahre mit einer deutlichen Beschleunigung auf 1,8 % (2011)
bzw. 2,1 % (2012). Begünstigt wird der Aufschwung in Österreich auch durch die rasche Erholung des Welthandels,
was sich in einem positiven Wachstum der heimischen Exporte (2010: 4,6 %, 2011: 5,4 %, 2012: 6,1 %) niederschlägt.
Der Bericht hob ferner die konjunkturstabilisierende Wirkung des privaten Konsums in Österreich hervor, der
sogar im Jahr 2009 noch ein schwach positives Wachstum von 0,8 % verzeichnen konnte, erwartete aber für 2011
und 2012 infolge des angekündigten restriktiven Ausgabenpfades der öffentlichen Hand dämpfende Effekte.
Was die Beschäftigung betrifft, wird das Wirtschaftswachstum allerdings zu gering ausfallen, um nachhaltig
die Arbeitslosenrate zu reduzieren. Für 2010 und 2011 ist daher ein weiterer geringer Anstieg auf 5,0 % bzw.
5,1 % absehbar, wobei die Arbeitslosigkeit auch 2012 auf diesem Niveau verharren wird. Die Inflation wird auch
2011 auf dem Stand von 1,7 % bleiben und 2012 auf 1,8 % ansteigen.
Grundsätzlich optimistisch beurteilte die Nationalbank auch das Engagement der österreichischen Banken
in Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE). Die Region ist langfristig ein Wachstumsmarkt für Bankdienstleistungen
und nach Überwindung der derzeitigen Probleme wieder die wirtschaftliche Wachstumsregion Europas schlechthin.
Das Engagement österreichischer Banken im CESEE-Raum ist bedeutend, aber regional breit diversifiziert und
weitgehend lokal refinanziert, wodurch die Filialen österreichischer Banken nur zu einem geringen Ausmaß
vom Geldmarkt abhängig sind. Generell stufte der Bericht die internationalen Forderungen der österreichischen
Banken im Vergleich zu anderen europäischen Ländern trotz des CESEE- Engagements auch weiterhin als gering
ein. Die Position der heimischen Banken in der CESEE-Region wird zudem durch regelmäßige hohe operative
Gewinne gestärkt, auch enthält das CESEE-Portfolio überwiegend traditionelle Bankrisken. Insgesamt
haben die österreichischen Banken auch in den Krisenjahren 2008 und 2009 in Summe leichte Gewinne erzielt
und weisen Kapitalquoten weit über den gesetzlichen Mindesterfordernissen auf.
In der Aussprache mit Nowotny und Duchatczek zeigte sich Abgeordneter Martin Bartenstein (V) besorgt über
die Entwicklung der Staatsschulden und rief zu einer konsequenten Konsolidierungspolitik auf.
Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) sprach das Thema Griechenland an und forderte mehr Transparenz hinsichtlich
des Ankaufs von griechischen Staatsanleihen. Aus eigener Kraft werde sich Athen aus seiner Misere nicht befreien
können, meinte er überdies und betrachtete ebenso wie Abgeordneter Robert Lugar (B) eine Umschuldung
Griechenlands als unausweichlich. Der BZÖ- Sprecher kritisierte zudem, die EU kette sich als Gemeinschaft
an den "Club Med" und riskiere dabei ein erhöhtes Zinsniveau. Abgeordneter Alois Gradauer (F) wiederum
hielt eine Insolvenz Griechenlands für die bessere Lösung und warnte vor Verlusten durch den Kauf griechischer
Staatspapiere durch die EZB.
Die Abgeordneten Kai Jan Krainer, Christoph Matznetter (beide S), Günter Stummvoll und Peter Michael Ikrath
(beide V) loteten in ihren Diskussionsbeiträgen die Möglichkeiten eines europäischen Alleingangs
bei einer Finanztransaktionssteuer und eines Gleichklangs bei einer Bankenabgabe aus.
Ewald Nowotny stellte klar, dass der Ankauf von griechischen Staatsanleihen durch die EZB keinerlei Auswirkungen
auf die Geldmenge hat. Mit dieser Politik steige allerdings das Risiko der einzelnen Notenbanken, warnte er und
leitete daraus die Notwendigkeit einer ausreichenden Kapitalausstattung der Nationalbank ab. Zur Budgetkonsolidierung
bemerkte er, diese habe natürlich negative Auswirkungen auf das Wachstum, bringe aber höhere Sicherheit
mit sich. Die größte Gefahr für einen Staat sei jedenfalls eine abrupte Krise durch Finanzierungsprobleme.
Hinsichtlich der Aussichten auf eine gesamteuropäische Lösung bei der Finanztransaktionssteuer gab Nowotny
zu bedenken, diese müsste auch den größten Finanzplatz London umfassen. Die Bankenabgabe wiederum
sollte sich nicht an jenen populistischen Ausmaßen orientieren, wie sie derzeit in einigen osteuropäischen
Ländern diskutiert werden. |