40 Sitzungen, 126 Gesetzesbeschlüsse, mehr als 3000 Anfragen
Wien (pk) - Der Nationalrat beendet am 12.07. seine zweite Tagung der XXIV. Gesetz- gebungsperiode.
Insgesamt traten die Abgeordneten in diesem Parlamentsjahr zu 40 Sitzungen zusammen, verabschiedeten 126 Gesetze,
genehmigten 39 Staatsverträge, nahmen 21 Berichte in Verhandlung und diskutierten über 21 Dringliche
Anfragen und Anträge. Dazu kommen fast 200 Ausschuss- und Unterausschusssitzungen, vier Parlamentarische Enqueten
und deutlich über 3000 schriftliche Anfragen an die Bundesregierung. Ein Drittel der Gesetzesbeschlüsse,
und damit deutlich weniger als in der vergangenen Tagung, fielen einstimmig. Mit rund 275 Sitzungsstunden bewegt
sich der Nationalrat im langjährigen Durchschnitt. Rekordverdächtig war die Zahl der Misstrauensanträge,
gleich neunmal wollten die Oppositionsparteien einen Minister bzw. eine Ministerin zum Rücktritt zwingen.
Geprägt war die Tagung 2009/10 nach wie vor von der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Abgeordneten
verabschiedeten nicht nur die notwendigen gesetzlichen Grundlagen für die Beteiligung Österreichs am
"Schutzschirm" für den Euro und an der Griechenland-Hilfe, sondern stimmten auch der Verlängerung
der Bankenhilfe zu, schrieben Banken und der Bundesfinanzierungsagentur ein besseres Risikomanagement vor und setzten
mit dem Bundesfinanzrahmengesetz einen ersten Schritt zur Budgetkonsolidierung. Wo genau in Österreich der
Sparstift angesetzt und in welchen Bereichen es zu Steuererhöhungen kommen wird, steht allerdings noch nicht
fest, hier werden erst die bevorstehenden Budgetverhandlungen Klarheit bringen. Bereits im Vorfeld für Aufregung
sorgte die Ankündigung der Regierung, den Budgetentwurf nicht wie ursprünglich geplant Ende Oktober,
sondern erst Anfang Dezember vorzulegen.
Zu den weiteren Gesetzesbeschlüssen in den letzten zehn Monaten gehören die Einführung der bedarfsorientierten
Mindestsicherung, des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds und der eingetragenen Partnerschaft für
gleichgeschlechtliche Paare, die Etablierung der standardisierten Matura an AHS und BHS, die weitere Verschärfung
des Fremdenrechts, die Genehmigung von Ärztegesellschaften zur besseren ambulanten Patientenversorgung, ein
Sanierungspaket für die Krankenkassen, die verstärkte Bekämpfung von Geldwäsche, Begleitbestimmungen
zum Lissabon-Vertrag, die Einrichtung einer unabhängigen Medienbehörde, ein neues Insolvenzrecht, die
Einführung eines zentralen Waffenregisters und der elektronischen Fußfessel sowie eine umfassende Novellierung
des Glücksspielgesetzes.
Außerdem stimmten die Abgeordneten der Lockerung des Bankgeheimnisses, genauen Vorgaben für die Liberalisierung
des Postmarkts, mehr Schutz von KonsumentInnen beim Abschluss von Kreditverträgen, verschärften Anti-Doping-Bestimmungen,
strikten Vorgaben für private Videoüberwachungsanlagen, Erleichterungen bei der Briefwahl, mehr Handlungsspielraum
für die Landeshauptleute in Gebieten mit hoher Feinstaubbelastung, zusätzlichen Mitteln für den
ORF und für private Rundfunkveranstalter, einem Verbot des Kaufs von Medikamenten im Internet sowie der Einführung
eines Modulsystems an Abendschulen zu.
Dabei nutzte die Opposition den Umstand, dass einige dieser Gesetzesänderungen einer Zwei-Drittel-Mehrheit
und damit der Zustimmung zumindest einer Oppositionspartei bedurften, für die Durchsetzung eigener Anliegen.
So konnte sie etwa die Ausweitung der Prüfbefugnisse des Rechnungshofs und die Einbeziehung des Nationalrats
bei der Auswahl der Mitglieder der neuen Medienbehörde erreichen. Außerdem sagten SPÖ und ÖVP
zu, die Einsetzung eines Untersuchungssausschusses zu einem parlamentarischen Minderheitsrecht zu machen. Über
die genaue Ausgestaltung dieses Rechts und eine neue Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse wird
im Geschäftsordnungskomitee allerdings noch verhandelt.
Zu einer vorübergehenden Oppositionsblockade von Verfassungsgesetzen und anderen Zwei-Drittel-Materien führte
die Weigerung der Regierung, aktive und ehemalige MinisterInnen in den im Sommer 2009 eingesetzten Untersuchungsausschuss
zur Abhör- und Spitzelaffäre zu laden. Weder sie noch zwei Sondersitzungen des Nationalrats konnten aber
letztendlich das abrupte Ende des Untersuchungsausschusses im Dezember verhindern. Die Blockade wurde erst Ende
März wieder aufgehoben.
Für Unmut bei der Opposition sorgten aber auch die Streichung von Sitzungstagen und eher dürftige Tagesordnungen
zu Beginn des heurigen Jahres. FPÖ, Grüne und BZÖ machten dafür die Untätigkeit der Regierung
bei gleichzeitiger ständiger Vertagung ihrer eigenen Initiativen verantwortlich. Die Zahl der Gesetzesbeschlüsse
in dieser Gesetzgebungsperiode weicht bisher allerdings nicht signifikant von jener vorangegangener Perioden ab.
Heiße Diskussionsthemen im abgelaufenen Parlamentsjahr waren auch die auftretenden Todesfälle in Österreich
nach dem Verzehr von listerienverseuchtem Käse, die Rauchverbots-Bestimmungen für die Gastronomie, die
bevorstehende Öffnung des Arbeitsmarkts für die mittel- und osteuropäischen EU-Länder, der
Assistenzeinsatz des Bundesheers im Grenzgebiet, die österreichische Energiepolitik, die Armutsbekämpfung
und die Studentenproteste. Ebenso kam die Frage der Abwahlmöglichkeit der drei NationalratspräsidentInnen,
ausgelöst duch Kritik am Dritten Präsidenten Martin Graf, wiederholt aufs Tapet.
Für ein Sesselrücken im Nationalrat sorgte der Beitritt dreier Kärntner Abgeordneter zur neu gegründeten
Kärntner Partei FPK: Josef Jury, Maximilian Linder und Martin Strutz traten – ebenso wie der Salzburger Mandatar
Erich Tadler – aus dem BZÖ-Klub aus und mussten daraufhin ihre Plätze wechseln. Die auf 17 Mitglieder
geschrumpfte BZÖ-Fraktion verlor in Folge nicht nur einen Sitz in den Fachausschüssen, sie bekommt seither
bei Plenardebatten auch weniger Redezeit zugeteilt.
Die Bestellung von Wissenschaftsminister Johannes Hahn zum EU-Kommissar löste eine Regierungsumbildung aus.
Ihm folgte Beatrix Karl als Ressortleiterin nach.
Am 1. Dezember 2009 trat der Vertrag von Lissabon in Kraft, der nicht nur neue Spielregeln für die EU-Politik
bringt, sondern auch dem österreichischen Parlament mehr Mitspracherechte in EU-Angelegenheiten einräumt.
Nationalrat und Bundesrat können künftig auf das Instrument der Subsidiaritätsrüge bzw. der
Subsidiaritätsklage zurückgreifen, wenn sie der Meinung sind, dass ein EU-Vorhaben zu stark in nationale
Kompetenzen eingreift. Parallel dazu wurde die Form der EU-Debatten im Nationalrat neu geregelt und in diesem Zusammenhang
die "Aktuelle Europastunde" eingeführt. Sie beschäftigte sich bei ihrer Premiere im April mit
der Notwendigkeit einer neuen Finanzmarktarchitektur in Europa.
13 Dringliche Anfragen, 10 Aktuelle Stunden, 9 Misstrauensanträge
Insgesamt traten die Abgeordneten in der Tagung 2009/10 zu 40 Plenarsitzungen mit einer Gesamtdauer von 275 Stunden
und 26 Minuten zusammen. Dabei verabschiedeten sie 126 Gesetze und genehmigten 39 Staatsverträge sowie 2 Vereinbarungen
mit den Bundesländern. Dazu kommt ein Gesetzesbeschluss bei einer außerhalb der regulären Tagung
einberufenen Sondersitzung. 20 Berichte der Regierung, des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft sowie der Bundesrechnungsabschluss
2008 wurden zur Kenntnis genommen. Ein Drittel der Gesetzesbeschlüsse erfolgten einstimmig.
Weiters hielten die Abgeordneten im Rahmen der Plenarsitzungen 10 Aktuelle Stunden, 1 Aktuelle Europastunde und
7 Fragestunden mit 48 Fragen und 197 Zusatzfragen ab. Dazu kommen fünf Erklärungen von Regierungsmitgliedern.
23 Gesetzesanträge, darunter das Bundesfinanzrahmengesetz und zwei Geschäftsordnungsänderungen,
wurden in Erste Lesung genommen. In 78 Entschließungen erhielt die Regierung Arbeitsaufträge vom Nationalrat.
Auf Verlangen der Opposition nahm der Nationalrat 13 Dringliche Anfragen (5 B, je 4 F und G) sowie 8 Dringliche
Anträge (je 3 F und G, 2 B) in Verhandlung und hielt 16 Kurze Debatten zu schriftlichen Anfragebeantwortungen
der Regierung, Fristsetzungsanträgen und Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab. Die
Oppositionsparteien konnten sich mit ihrer Forderung, die Vorgänge im ÖOC und rund um den Buwog-Verkauf
genauer unter die Lupe zu nehmen, aber ebensowenig durchsetzen wie mit einem Untersuchungsausschuss zur Causa Kasachstan
und zum Kauf der bulgarischen MobilTel.
Rekordverdächtig in der abgelaufenen Tagung war die Zahl der Misstrauensanträge. Insgesamt neun Mal versuchten
die Oppositionsparteien den Rücktritt eines Regierungsmitglieds zu erzwingen, waren jedoch in keinem einzigen
Fall erfolgreich. Vier der Misstrauensanträge gingen dabei auf das Konto der Grünen, drei brachte das
BZÖ, zwei die FPÖ ein. Betroffen waren Gesundheitsminister Alois Stöger, Ex-Wissenschaftsminister
Johannes Hahn, Innenministerin Maria Fekter, Verteidigungsminister Norbert Darabos und Finanzminister Josef Pröll.
Von den sechs Sondersitzungen des Nationalrats in dieser Tagung fanden je zwei auf gemeinsames Verlangen der Opposition
und auf Verlangen der Grünen sowie je eine auf Verlangen der FPÖ und des BZÖ statt. Neben dem Untersuchungsausschuss
zur Abhör- und Spitzelaffäre ging es dabei um die Forcierung von Ökoenergie, die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik
der Regierung, die Studentenproteste und die Finanzhilfe für Griechenland.
Überdurchschnittlich viele Ausschusssitzungen
Zu den Plenarsitzungen kommen 170 Ausschusssitzungen und 23 Sitzungen von Unterausschüssen, insgesamt
deutlich mehr als in einer durchschnittlichen Tagungsperiode. Dabei wurden zusätzlich zu den im Plenum beratenen
Berichten der Bundesregierung 40 weitere Berichte diskutiert und zur Kenntnis genommen. Der Untersuchungsausschuss
zur Abhör- und Spitzelaffäre hielt, nach vier Terminen im Sommer, 13 weitere Sitzungen ab.
Das Geschäftsordnungskomitee des Nationalrats setzte seine Beratungen über eine GO-Reform fort und einigte
sich unter anderem auf eine Neugestaltung der EU-Debatten im Nationalrat. Fortschritte wurden überdies bei
den Verhandlungen zum Themenkomplex Untersuchungsausschuss erzielt, nach wie vor sind aber viele Punkte offen.
Mehrfach tagte auch eine, als Ergebnis des Untersuchungsausschusses eingesetzte, Arbeitsgruppe, die sich mit der
Frage der Immunität von Abgeordneten beschäftigt.
Die Präsidialkonferenz trat in der Tagung 2009/2010 zu 20 Sitzungen zusammen.
Mit insgesamt 29 Petitionen und 11 Bürgerinitiativen wandten sich die BürgerInnen direkt an das Hohe
Haus. Dazu kommt ein Volksbegehren, das unter dem Titel "Stopp dem Postraub" gegen die Schließung
von Postfilialen mobil machte.
3277 schriftliche Anfragen
Wieder enorm hoch war die Zahl der schriftlichen Anfragen. Allein bis vergangenen Freitag wurden von den Abgeordneten
exakt 3277 Anfragen, vorwiegend an Regierungsmitglieder, eingebracht, wobei sich Anfrageserien vor allem bei der
Opposition nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Die Themenpalette reicht dabei von der Reisetätigkeit
der einzelnen MinisterInnen über Energiesparmaßnahmen und Telefonkosten der Ressorts bis hin zu den
Holzverkäufen der österreichischen Bundesforste und dem Alter von öffentlichen Schulgebäuden.
Diesjähriger Rekordhalter bei den Anfrageserien ist BZÖ-Abgeordneter Wolfgang Spadiut, der 84 Anfragen
einbrachte, um die aktuelle Meldezahl von Wildtieren in den einzelnen österreichischen Bezirken zu eruieren.
Die mit Abstand am meisten Anfragen gehen erneut auf das Konto der FPÖ (1.380), gefolgt vom BZÖ (624)
und den Grünen (601). Von Seiten der SPÖ wurden insgesamt 417 Anfragen gestellt, von der ÖVP 162.
Dazu kommen 91 Anfragen von fraktionslosen Abgeordneten und zwei von mehreren Fraktionen gemeinsam eingebrachte
Anfragen. An der Spitze der Anfragesteller liegt wieder BZÖ-Abgeordneter Gerald Grosz (198), knapp gefolgt
von SPÖ-Abgeordnetem Johann Maier (180) sowie FPÖ-Abgeordnetem Walter Rosenkranz (128).
Besonderes Interesse zeigten die MandatarInnen neben dem Innenministerium (529 Anfragen) in diesem Parlamentsjahr
für das Gesundheitsministerium (419), das Unterrichtsministerium (314) und das Justizministerium (301). Immerhin
noch 74 Anfragen wurden an das am Ende der Liste rangierende Frauenressort gestellt. An Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer richteten die Abgeordneten in dieser Tagung 21 schriftliche Anfragen, an Rechnungshofpräsident
Josef Moser 5. |