Aktuelle Stunde in Nationalrat
Wien (pk) - Der Nationalrat startete am 07.07. mit einer Aktuellen Stunde in die letzte Sitzungswoche
vor der Sommerpause. Auf Vorschlag der ÖVP diskutierten die Abgeordneten über das Thema: "Familienfreundliches
Österreich: Bilanz und Perspektiven für die Zukunft".
ÖVP-Abgeordnete Ridi Maria STEIBL machte einleitend auf den kürzlich erschienenen "Familienbericht
1999 bis 2009" aufmerksam, der Österreich als ein Land darstelle, das in den letzten zehn Jahren noch
familienfreundlicher wurde. Familien werden in ihrer ganzen Vielfalt unterstützt, die finanziellen Aufwendungen
für die Familien seien die drittgrößte Ausgabenkategorie im Budget - Österreich nehme bei
der finanziellen und bei den Sachleistungen für die Familien einen Spitzenplatz in der EU ein, sagte Steibl.
Die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes im Jahr 2003 sei ein familienpolitischer Meilenstein gewesen, die
Wahlfreiheit der Eltern bei der Kinderbetreuung sei großgeschrieben und durch zwei Reformen erweitert worden.
Familien seien nicht nur als Leistungsempfänger, sondern auch als Investoren in die Zukunft des Landes zu
betrachten, sagte Steibl. Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei in der österreichischen Familienpolitik
kein Schlagwort, hielt die Abgeordnete fest und listete eine lange Reihe erfolgreicher Maßnahmen der letzten
Jahre auf: halbtägig beitragsfreier Kindergarten, Familienhospizkarenz, Anspruch auf Elternteilzeit, Anrechnung
der Familienzeiten auf die Pension. Eine Lanze brach die Rednerin für die gemeinsame Obsorge der Kinder nach
einer Scheidung und bekannte sich dazu, die Rolle der Väter in der Familie neu zu definieren, denn "die
Geschichte ist voll von abwesenden Vätern in der Familie", zitierte Steibl abschließend einen Familienexperten.
Auch Staatssekretärin Christine MAREK ging ausführlich auf die "familienpolitischen Meilensteine"
ein, die im letzten Jahrzehnt gesetzt werden konnten, und sah entscheidende Fortschritte im Bemühen um mehr
finanzielle Gerechtigkeit für die Familien, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Schutz vor Gewalt
im familiären Umfeld. "Wir wollen aber noch besser werden, wir sind in der Familienpolitik noch nicht
dort wo wir sein wollen!", sagte die Staatssekretärin.
Partnerschaft und Kinder rangiert in der Werteskala der ÖsterreicherInnen ganz weit oben, die Politik habe
daher die Aufgabe, die Menschen zu unterstützen, damit sie ihr Leben in der Form führen können,
wie sie das wollen. Die größte Herausforderung sieht Marek bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Die Einführung des Kindererziehungsgeldes und dessen zweimalige Weiterentwicklung wertet die Staatssekretärin
als einen Paradigmenwechsel und zeigte sich stolz darauf, dass es gelungen sei, die Zahl der Väter zu erhöhen,
die Erziehungsverantwortung für ihre kleinen Kinder übernehmen; Marek sprach die Hoffnung aus, das Ziel
von 20 Prozent Väterbetreuung in absehbarer Zeit zu erreichen.
Dank der steuerlichen Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten konnte die Betreuungsquote zuletzt gesteigert werden,
sagte Marek und nannte auch das verpflichtende Kindergartenjahr der Fünfjährigen als einen wichtigen
Fortschritt, der unterstreiche, dass die Kindergärten eine Bildungseinrichtung seien und die Aufgabe haben,
die Kinder bestmöglich auf die Schule vorzubereiten. Die Staatssekretärin stellte auch dar, dass die
Familien zu den Gewinnern der Steuerreformen 2005 und 2009 zählten und berichtete von erfolgreichen Maßnahmen
gegen Gewalt in der Familie, auch in diesem Bereich ortete die Staatssekretärin einen Paradigmenwechsel im
Bewusstsein der Menschen. Angesichts aktueller Medienberichte unterstrich Marek den Handlungsbedarf, der bei Maßnahmen
gegen sexuellen Missbrauch bestehe und verwies auf ein permanent tagendes Expertengremium zu diesem Thema.
Abgeordnete Angela LUEGER (S) konzentrierte sich in ihren Ausführungen auf eine bessere Vereinbarkeit von
Familie und Beruf und generell auf eine Familienpolitik, bei der das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehe. Kinder
sollen als gleichberechtigte Partner in der Familie anerkannt und respektiert werden. Für die SPÖ stehen
auch die Bemühungen um eine aktive Vaterschaft im Vordergrund, sagte die Abgeordnete und erinnerte an den
Vorschlag, nach der Geburt eines Kindes einen "Papa-Monat" einzuführen.
Junge Menschen stellen das wichtigste Potential für die Zukunft des Landes dar, sagte die Abgeordnete und
leitete von daher die Forderung ab, Familien in ihren Erziehungsaufgaben tatkräftig zu unterstützen.
Dazu gehörten auch eine aktive Arbeitsmarktpolitik und Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit, denn
nur Menschen, die über Einkommen verfügten, seien im Stande, ihre Kinder entsprechend zu fördern.
In diesem Zusammenhang zeigte sich die Rednerin erfreut über den Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit
um 10 Prozent und 74.000 neue Jobs für junge Menschen im ersten Halbjahr 2010. Abschließend drängte
die Rednerin darauf, den Jugendschutz bundesweit zu vereinheitlichen.
Abgeordnete Adelheid Irina FÜRNTRATH-MORETTI (V): "So gut wie heute ist es uns in Österreich noch
nie gegangen." Diese Feststellung gelte auch für die Familien, sagte die Abgeordnete und dankte den SteuerzahlerInnen,
die es mit ihren Beiträgen möglich machten, eine erfolgreiche Familienpolitik zu betreiben. Die Rednerin
hielt es aber auch für notwendig, alle Familienleistungen zu evaluieren und zu fragen, "ob wir uns das
alles leisten können".
Die Österreicherinnen wünschen sich im Durchschnitt zwei Kinder, berichtete Fürntrath-Moretti, bekommen
tatsächlich aber nur 1,4 Kinder. Die Frage, was geschehen müsse, um das zu ändern, beantwortete
die Abgeordnete mit dem Hinweis auf leistbare Kinderbetreuungseinrichtungen, deren zeitliches Angebot an die sehr
flexiblen Arbeitszeiten der Frauen angepasst sind. Um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sollte
man den Zugang der Frauen zu Ausbildungsplätzen verbessern, die Chancengleichheit erhöhen und familienfreundliche
Betriebe fördern, die eine höhere Produktivität aufweisen, weil die Förderung von Frauen mit
Kindern zu einer Senkung der Zahl der Krankenstandstage beitrage.
Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) klagte über rückläufige Geburtenraten während der
letzten Jahre, die im Widerspruch zu den Lobreden der Koalitionssprecher zur Familienpolitik stünden. Besonders
bedauerlich sei es, dass der Mittelstand immer weniger Kinder bekomme, sagte Kitzmüller und warnte die Regierung
davor, die 13. Familienbeihilfe zu streichen. Mit Nachdruck trat die Abgeordnete auch für die Erhaltung der
Wahlfreiheit der Eltern bei der Kindererziehung ein und wandte sich entschieden dagegen, finanzielle Familienförderungsmittel
zur Erweiterung des außerfamiliären Betreuungsangebots umzuschichten. Dies würde den Druck auf
die Eltern erhöhen, Kinder nicht in der Familie zu erziehen. Um Familien zu unterstützen, schlage die
FPÖ seit Jahren ein neues Familienbesteuerungssystem vor, das Familiensplitting, es würde verhindern,
dass Familien mit mehreren Kindern in Armutsgefahr gerieten. Weiters verlangte die Rednerin die Bevorzugung von
Müttern und Vätern auf dem Arbeitsmarkt und sprach sich noch einmal dagegen aus, Druck auf die Familien
in Richtung Erziehung ihrer Kinder in staatlichen Betreuungseinrichtungen auszuüben.
Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) sprach eingangs ihrer Wortmeldung ihr Bedauern darüber aus, dass
sich weder der Bundeskanzler noch der Vizekanzler veranlasst sehen, in der Aktuellen Stunde der Verunsicherung
der Familien entgegenzutreten und klarzustellen, dass die Bundesregierung nicht daran denke, die 13. Familienbeihilfe
abzuschaffen, Schulklassen zusammenzulegen, HortbetreuerInnen einzusparen oder das Schulgeld wieder einzuführen.
Gegenüber Abgeordneter Fürntrath-Moretti hielt die Abgeordnete fest, es gehe zwar manchen reichen ÖsterreicherInnen
besser denn je, zugleich seien heute aber mehr Familien und Kinder von Armut bedroht denn je. Ein absolutes Tabu
beim Sparpaket müsse die Bildung sein, schloss Glawischnig-Piesczek und forderte die nachhaltige Absicherung
der Budgets der Kindergärten, Schulen und Universitäten.
Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) blickte zunächst auf die "guten Jahre der Familienpolitik von 2000 bis
2006" zurück und vermisste familienpolitische Perspektiven für die Zukunft. SPÖ und ÖVP
hätten bereits angekündigt, bei den Familientransfers sparen zu wollen, sagte Abgeordnete Haubner. "Die
Familien sind Ressourcen und dürfen nicht zum Opfer einer unverantwortlichen Familienpolitik werden."
Haubner vermisste eine starke Lobby für die Familien und kritisierte eine Politik, die darauf gerichtet sei,
Frauen nach der Geburt eines Kindes möglichst rasch wieder in den Vollerwerb zu bringen. Einmal mehr forderte
die Rednerin die Abschaffung der Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld, mehr Gerechtigkeit zwischen Familienarbeit
und Erwerbstätigkeit, ein familienfreundlicheres Steuersystem und die Sanierung des Familienlastenausgleichsfonds.
Abgeordnete Andrea KUNTZL (S) warf ihrer Vorrednerin vor, in der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung die "Kindergartenmilliarde"
abgeschafft zu haben - dies sei der Grund für den großen Nachholbedarf, der bei der Kinderbetreuung
bestehe. Oberstes Ziel der Familienpolitik müsste es sein, die Lebenschancen der Kinder und Jugendlichen zu
verbessern. Es gelte mit der Förderung der Begabungen und dem Ausgleich von Defiziten möglichst früh
zu beginnen. Kuntzl begrüßte daher die Einführung von Gratiskindergartenplätzen und betonte
die Vorbildrolle Wiens bei der Verbesserung des Kinderbetreuungsangebots. Wien investiere 13 Mio. €, um 6.500 zusätzliche
Kindergartenplätze bis 2011 zu schaffen, lobte die Wiener Abgeordnete und wandte sich entschieden dagegen,
den beitragsfreien Kindergarten abzuschaffen.
Abgeordnete Anna HÖLLERER (V) widersprach ihrer Vorrednerin und kritisierte die Betreuungssituation in Wien
heftig. Für Kinder unter fünf Jahren gebe es keine ausreichenden Betreuungsplätze, es fehle die
Infrastruktur und das nötige Personal, weshalb es ein Privileg sei, einen Kindergartenplatz in Wien zu ergattern,
stellte sie fest. Demgegenüber habe man in Niederösterreich massiv in den Ausbau der Kindergärten
investiert, betonte Höllerer, und dort arbeite man auch mit Gruppen bis zu maximal 18 Kindern. Damit zählten
in Niederösterreich die Kindergruppen bundesweit zu den kleinsten. Höllerer kritisierte auch das Land
Steiermark, das die Bundesgelder zur Qualitätsverbesserung noch nicht angefordert hat. Sie appellierte weiters
an die Länder, zum Thema eines Bundes-Kinder- und Jugendschutzgesetzes wieder an den Verhandlungstisch zu
kommen.
Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) warf Staatssekretärin Marek vor, viele Antworten schuldig geblieben zu
sein. Gartelgruber befürchtete massive Einsparungen bei der Familienförderung und sah eine große
Belastungswelle auf die Familien zukommen. Insbesondere stieß sie sich am Plan, die 13. Familienbeihilfe
wieder abzuschaffen. Einmal mehr erinnerte sie an das Bankenrettungspaket und an die Griechenland-Hilfe, die man
in Milliardenhöhe über Nacht beschlossen habe, während die Regierung nun den Sparstift bei den Familien
ansetzen will. Gartelgruber erklärte in diesem Zusammenhang ihre Unterstützung für die Petition
gegen Sozialabbau und forderte eine komplette Neuorientierung in der Familienpolitik. Ihrer Meinung nach dürfe
man nicht die erst kürzlich eingeführte 13. Familienbeihilfe streichen, sondern vielmehr die Familienbeihilfen
für nicht in Österreich lebende Kinder.
Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) stellte fest, die ÖVP habe im Hinblick auf die Familienpolitik nichts zu feiern.
Sie hielt der ÖVP vor, Familienpolitik nur für bestimmte Familien zu machen, nämlich für inländische
Familien, für besserverdienende Familien und für Familien mit österreichischem Reisepass. Nicht
bedacht würden von der ÖVP AlleinerzieherInnen, Patchwork-Familien und gleichgeschlechtliche PartnerInnen
mit Kindern. Auch Musiol ortete einen hohen Nachholbedarf bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, wobei es nicht
nur darum gehe, den Kindern eine erste Bildungseinrichtung zu bieten, erläuterte sie. Ein gut ausgebautes
Betreuungsnetz erleichtere auch die Verbindung von Familie und Beruf und diene der Armutsbekämpfung. Musiol
machte sich aber auch für jene stark, die in den Betreuungseinrichtungen arbeiten. Sie fänden derzeit
schlechte Arbeitsbedingungen vor und erhielten keine angemessene Bezahlung, sagte sie.
Abgeordnete Martina SCHENK (B) forderte die Abgeordneten auf, den Familien danke zu sagen, denn sie seien es, die
Österreich eine Perspektive geben. Sie seien die Leistungsträger der Gesellschaft, würden aber oft
als Bittsteller behandelt. Dementsprechend haben laut einer Studie zwei Drittel der Eltern das Gefühl, dass
ihre Leistungen nicht gebührend anerkannt werden, weder materiell noch in menschlicher Hinsicht. Für
Schenk ist es daher nicht zu verantworten, bei den Familien zu sparen. Das sei schon deshalb unseriös, weil
in den Familien unbedankte und unbezahlte Arbeit geleistet werde. Wie Abgeordnete Höllerer kritisierte Schenk
abschließend Landeshauptmann Voves, der bislang die Mittel des Bundes für den Ausbau der Kinderbetreuung
nicht abgeholt hat.
Abgeordneter Josef JURY (o.F.) reagierte auf Abgeordnete Musiol mit der Feststellung, Familie müsse Familie
bleiben, nämlich Vater, Mutter und Kinder. Es sei abzulehnen, dass Lesben und Schwule die Retortenkinder der
Gesellschaft aufziehen, bemerkte er. SPÖ und ÖVP warf er vor, den Familien gegenüber hinsichtlich
der auf sie zukommenden Belastungen die Unwahrheit zu sagen. |