Physiker beobachten molekulare Prozesse mit Attosekunden-Lichtpulsen. Forscher der Technischen
Universität (TU) Wien sind an dem Experiment in Kanada beteiligt.
Ottawa / Wien (tu) - In zwei Teile zerbrochen und gleichzeitig ganz: Was nach unserer Alltagserfahrung
unmöglich klingt, ist für Quantenobjekte ganz normal. Mit Laserpulsen gelingt es Forscherinnen und Forschern,
Moleküle dabei zu beobachten, wie sie in ihre atomaren Bestandteile zerrissen werden und erhalten dabei aufregende
Einblicke in die Welt der Quantenphysik. Im Fachjournal „Nature“ werden nun die Ergebnisse des Experimentes veröffentlicht,
das an der Universität von Ottawa durchgeführt wurde. Zu den Experimentatoren zählt auch Danil Kartashov,
der nun an der TU Wien arbeitet.
Mit Laserpulsen Moleküle zertrennen
Ottawa Untersucht werden einfache Moleküle, die aus zwei Brom-Atomen bestehen. „Sie werden durch Laserlicht
so präpariert, dass feine Schichten aus abwechselnd ganzen und auseinandergebrochenen Atomen entstehen“, erklärt
Danil Kartashov. Während des Prozesses des Auseinanderbrechens (Dissoziation) befindet sich das Atom in einem
quantenphysikalischen Überlagerungszustand aus ganz und getrennt – es nimmt also in gewissem Sinn beide Zustände
auf einmal ein. An den feinen Schichten aus Atomen und Molekülen wird dann zu einem genau festgelegten Zeitpunkt
während des Dissoziations-Prozesses ein weiterer Laserpuls gestreut. Dadurch können sie dazu angeregt
werden, ihrerseits mit kurzen Lichtpulsen zu antworten. Das gilt sowohl für die noch verbundenen Brom-2-Moleküle,
als auch für die getrennten Brom-Atome. Das wirft die Frage auf:
Welche Antwort auf den Laserpuls gibt ein Molekül, das sich in keinem der beiden eindeutigen Zustände
befindet, sondern in einer Überlagerung aus „ganz“ und „zerbrochen“?
Ein Molekül – zwei Zustände
Trifft der Laserpuls auf ein Molekül in einem Überlagerungszustand, so können beide Teilzustände
gleichzeitig zum Aussenden von Licht beitragen. Das Molekül hat sich selbst noch nicht festgelegt, ob es zerbrochen
oder ganz ist – und so ist auch das Licht, das es als Reaktion auf den eintreffenden Laserpuls aussendet, eine
Überlagerung aus dem Lichtpuls den ein ganzes Molekül aussendenden würde und dem Lichtpuls, den
man von getrennten Brom-Atomen bekäme. Diesen Lichtpuls, der aus dieser Überlagerung der beiden möglichen
Zustände gebildet wird, kann man schließlich messen – und genau dadurch, dass es sich um eine Überlagerung
handelt, wird das Lichtsignal für das Forscherteam so interessant und lässt sich für hochpräzise
Messungen verwenden.
Attosekunden-Genauigkeit
Nachdem man genau festlegen kann, zu welchem Zeitpunkt des Dissoziations-Prozesses man das auseinanderdriftende
Molekül untersucht, lässt sich der genaue Ablauf dieses Vorgangs studieren. Aus vielen Einzelexperimenten
entsteht ein zeitlich hoch präzise aufgelöstes Bild eines quantenphysikalischen Ereignisses, das auf
der Skala von Femtosekunden (Milliardstel einer Millionstelsekunde, 10^(-15) Sekunden) stattfindet. Nicht nur das
Auseinanderbrechen der Moleküle kann durch diese Methode untersucht werden. Die beiden Brom-Atome des Moleküls
können gegeneinander schwingen – ähnlich wie zwei Kugeln, die durch eine Feder verbunden sind. Die Auswirkungen
dieser Schwingung können durch die Laserpulse außerordentlich präzise vermessen werden. Je nachdem,
ob das Molekül gerade etwas auseinandergezogen oder gestaucht ist, schickt es seine Lichtpulse zu leicht unterschiedlichen
Zeitpunkten aus.
Dem Forschungsteam gelang es, eine zeitliche Verschiebung von weniger als einer Attosekunde (ein Milliardstel einer
Milliardstelsekunde, 1 as = 10^(-18) Sekunden) zu messen. Attosekunden-Laserphysik gehört seit Jahren zu den
besonders boomenden und innovativen Gebieten der Naturwissenschaft. Messgenauigkeiten in der Größenordnung
von Attosekunden wären mit Hilfe anderer Methoden wohl kaum vorstellbar. |