Einführung des Kinderbeistandes   

erstellt am
11. 08. 10

Wien (bmj) - Bei einer Pressekonferenz zog Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner erste Zwischenbilanz über die gesetzliche Einführung des Kinderbeistandes. Ihr zur Seite standen zwei Kinderbeistände, die aus der Praxis berichteten. Bandion-Ortner betonte, dass das Vorhaben Kinderbeistand auch im Zusammenhang mit der geplanten Einführung der gemeinsamen Obsorge nach einer Scheidung zu sehen sei. Beides sei im Interesse der Kinder und daher ein Leitfaden ihrer Politik.

Jährlich sind rund 15.000 Minderjährige von der Trennung ihrer Eltern betroffen. Sie fühlen sich oft allein gelassen und fallweise sogar von den Eltern instrumentalisiert, berichtete Bandion-Ortner. Gerade deshalb habe man für Gerichte die Möglichkeit geschaffen, in eskalierten Obsorgestreitigkeiten einen Kinderbeistand zu bestellen. Dieser soll Minderjährigen in „eine Stimme geben“ und sie in die Lage versetzen, ihren Willen und ihre Wünsche in- und außerhalb des Gerichtsverfahrens sprachlich auszudrücken. Bandion-Ortner verwies in weiterer Folge auf ein vom Bundesministerium für Justiz organisiertes Modellprojekt, das von Experten des Institutes für Rechts- und Kriminalsoziologie wissenschaftlich begleitet wurde und bei dem allen involvierten Personen – Eltern, Kindern, Richtern und Sozialarbeitern der Jugendwohlfahrt – den Kinderbeistand als Unterstützung für die Kinder erlebt hatten.

Kinderbeistände sind im Einsatz
Aktuell stehen in Österreich insgesamt 43 Kinderbeistände zur Verfügung (Wien 17/Burgenland 1/Kärnten 3 /Niederösterreich 8/Oberösterreich 1/Salzburg 6/Steiermark 2 / Tirol 1 und Vorarlberg 4), weitere 30 werden ab Ende September hinzukommen. In insgesamt 19 Fällen wurden bisher Kinderbeistände bestellt, die insgesamt 28 Kinder begleiten. Das betrifft neun Fälle in Wien (13 Kinder), einen Fall in Kärnten (2 Kinder) sechs Fälle in Niederösterreich (9 Kinder), einen Fall in Oberösterreich und je einen in Salzburg (1 Kind) und Tirol (2 Kinder).

Berichte aus der Praxis
In weiterer Folge umriss Mag. Cäcilia Kasper-Pichler, die selbst als Kinderbeistand tätig ist, die Aufgaben: Der Kinderbeistand nehme für die betroffenen Kinder eine Entlastungs- und Sprachrohrfunktion wahr, diene aber auch dazu, die Kinder in ihrer Position zu stärken. Für die betroffenen Eltern habe er zweifelsohne auch eine „Aufrüttelungsfunktion“. Kasper-Pichler verwies auf die Tasache, dass Kinder sehr ambivalente Wünsche hätten – diese kennen sie zwar, haben aber oft Angst, sie auch zu formulieren: „Weil sie keinen Elternteil verletzen wollen.“ Die Einführung des Kinderbeistandes bezeichnete sie als „einzigartiges Projekt“.
Mag. Irina Posteiner, ebenfalls als Kinderbeistand tätig, berichtete in der Folge von einem (anonymisierten) Fallbeispiel: Der zwölfjährige Max habe während eines Verfahrens ihr gegenüber den Wunsch geäußert, beim Vater zu leben, weil er ihn in seiner derzeitigen Lebensphase sehr brauche. Gleichzeitig wolle er aber viel mit der Mutter zusammen sein, weil er diese ebenso „lieb habe“. Aus Angst, die Mutter zu verletzen hat sich Max nicht getraut, seinen Wunsch zu äußern. Letztendlich habe sie als Kinderbeistand eine Entlastung für Max bedeutet, weil die Eltern ob der Darstellung des Kindeswillens ihre bis dahin vorhandenen Verlustängste verloren haben. Dies habe sich auch im Verfahrensergebnis niedergeschlagen: Der Sohn wohnt nun beim Vater und hat regelmäßigen und intensiven Kontakt zur Mutter.
     
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