Wien (bmj) - Bei einer Pressekonferenz zog Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner erste Zwischenbilanz
über die gesetzliche Einführung des Kinderbeistandes. Ihr zur Seite standen zwei Kinderbeistände,
die aus der Praxis berichteten. Bandion-Ortner betonte, dass das Vorhaben Kinderbeistand auch im Zusammenhang mit
der geplanten Einführung der gemeinsamen Obsorge nach einer Scheidung zu sehen sei. Beides sei im Interesse
der Kinder und daher ein Leitfaden ihrer Politik.
Jährlich sind rund 15.000 Minderjährige von der Trennung ihrer Eltern betroffen. Sie fühlen sich
oft allein gelassen und fallweise sogar von den Eltern instrumentalisiert, berichtete Bandion-Ortner. Gerade deshalb
habe man für Gerichte die Möglichkeit geschaffen, in eskalierten Obsorgestreitigkeiten einen Kinderbeistand
zu bestellen. Dieser soll Minderjährigen in „eine Stimme geben“ und sie in die Lage versetzen, ihren Willen
und ihre Wünsche in- und außerhalb des Gerichtsverfahrens sprachlich auszudrücken. Bandion-Ortner
verwies in weiterer Folge auf ein vom Bundesministerium für Justiz organisiertes Modellprojekt, das von Experten
des Institutes für Rechts- und Kriminalsoziologie wissenschaftlich begleitet wurde und bei dem allen involvierten
Personen – Eltern, Kindern, Richtern und Sozialarbeitern der Jugendwohlfahrt – den Kinderbeistand als Unterstützung
für die Kinder erlebt hatten.
Kinderbeistände sind im Einsatz
Aktuell stehen in Österreich insgesamt 43 Kinderbeistände zur Verfügung (Wien 17/Burgenland
1/Kärnten 3 /Niederösterreich 8/Oberösterreich 1/Salzburg 6/Steiermark 2 / Tirol 1 und Vorarlberg
4), weitere 30 werden ab Ende September hinzukommen. In insgesamt 19 Fällen wurden bisher Kinderbeistände
bestellt, die insgesamt 28 Kinder begleiten. Das betrifft neun Fälle in Wien (13 Kinder), einen Fall in Kärnten
(2 Kinder) sechs Fälle in Niederösterreich (9 Kinder), einen Fall in Oberösterreich und je einen
in Salzburg (1 Kind) und Tirol (2 Kinder).
Berichte aus der Praxis
In weiterer Folge umriss Mag. Cäcilia Kasper-Pichler, die selbst als Kinderbeistand tätig ist,
die Aufgaben: Der Kinderbeistand nehme für die betroffenen Kinder eine Entlastungs- und Sprachrohrfunktion
wahr, diene aber auch dazu, die Kinder in ihrer Position zu stärken. Für die betroffenen Eltern habe
er zweifelsohne auch eine „Aufrüttelungsfunktion“. Kasper-Pichler verwies auf die Tasache, dass Kinder sehr
ambivalente Wünsche hätten – diese kennen sie zwar, haben aber oft Angst, sie auch zu formulieren: „Weil
sie keinen Elternteil verletzen wollen.“ Die Einführung des Kinderbeistandes bezeichnete sie als „einzigartiges
Projekt“.
Mag. Irina Posteiner, ebenfalls als Kinderbeistand tätig, berichtete in der Folge von einem (anonymisierten)
Fallbeispiel: Der zwölfjährige Max habe während eines Verfahrens ihr gegenüber den Wunsch geäußert,
beim Vater zu leben, weil er ihn in seiner derzeitigen Lebensphase sehr brauche. Gleichzeitig wolle er aber viel
mit der Mutter zusammen sein, weil er diese ebenso „lieb habe“. Aus Angst, die Mutter zu verletzen hat sich Max
nicht getraut, seinen Wunsch zu äußern. Letztendlich habe sie als Kinderbeistand eine Entlastung für
Max bedeutet, weil die Eltern ob der Darstellung des Kindeswillens ihre bis dahin vorhandenen Verlustängste
verloren haben. Dies habe sich auch im Verfahrensergebnis niedergeschlagen: Der Sohn wohnt nun beim Vater und hat
regelmäßigen und intensiven Kontakt zur Mutter. |