Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch werden entschädigt   

erstellt am
25. 08. 10

Bürgermeister Dr. Michael Häupl bittet Opfer um Verzeihung
Wien (rk) - "Wir sind uns unserer Verantwortung für die schrecklichen Ereignisse, die einigen Menschen in Heimen der Wiener Jugendwohlfahrt widerfahren sind, bewusst. Ich weiß, dass das Leid der Betroffenen nicht mehr gut zu machen ist. Wir werden aber alles unternehmen, um diesen Menschen zu helfen und werden ihnen und ihrer Geschichte Gehör verschaffen", bat der Wiener Bürgermeister Dr. Michael Häupl im Mediengespräch am 25.08. die Opfer von Gewalt und Missbrauch in Städtischen Heimen um Verzeihung.

Entschädigungszahlungen und Therapie
Im Rahmen dieser Verantwortung leistet die Stadt Wien auch Entschädigungszahlungen und Therapiekosten. Die materiellen Entschädigungen orientieren sich, wie bei der unabhängigen Opferschutzkommission der Österreichischen Bischofskonferenz (Klasnic-Kommission), an der gängigen Judikatur für Schmerzengeldzahlungen. Den Betroffenen steht nach einer Entschädigung weiterhin der Rechtsweg offen. Zudem übernimmt die Stadt Wien die Kosten von Therapien und Beratungen, auch wenn sie nicht durch Einrichtungen der Stadt Wien abgedeckt werden können. Die Menschen sollen auch bei ihren individuellen Anliegen im Zusammenhang mit ihrer Leidensgeschichte bestmöglich unterstützt werden. "Es ist mir sehr wichtig, dass diese Menschen, nach all dem was sie erleiden mussten, einen höchst kompetenten und erfahrenen Ansprechpartner haben, der ihnen persönlich und unbürokratisch hilft", so Häupl. Die Koordination der individuellen Betreuung der Opfer und der Entschädigungszahlungen wurde deshalb in Wien der Opferschutzeinrichtung Weisser Ring übertragen.

Kinder- und Jugendanwaltschaft zentrale Anlaufstelle
Primäre und zentrale Anlaufstelle für Opfer aus Heimen unter der Aufsichtspflicht der Stadt Wien bleibt in Wien weiterhin die Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA). Im Einverständnis mit den Betroffenen erfolgt - wie schon bisher - die sofortige Weiterleitung der Akten an die Staatsanwaltschaft. Auch die Annahme der Angebote des Weissen Rings beruht auf Freiwilligkeit. Die KJA steht den Betroffenen als unabhängige Ansprechpartnerin und Vertreterin zur Durchsetzung ihrer Rechte und Anliegen auch während des Entschädigungsverfahrens zur Verfügung.

Der Weisse Ring hilft Opfern
Der Weisse Ring ist die größte bundesweit agierende Opferhilfeorganisation, die allen Opfern krimineller Handlungen jeglicher Form offen steht. In der Zusammenarbeit mit der Stadt Wien fungiert die Institution als Clearing-Stelle und sichert durch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Einrichtungen, dass Opfern das individuell geeignete Hilfsangebot zur Verfügung steht. Über den Weissen Ring werden auch in Abstimmung mit der KJA etwaige Entschädigungszahlungen abgewickelt. "Aus der Erfahrung in der Opferhilfe des Weissen Ringes ist es wesentlich, Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden sind, das Gefühl zu geben, dass das Unrecht, das ihnen geschehen ist, anerkannt wird und dass ihnen eine Anlaufstelle zur Verfügung steht, bei der sie sich vorbehaltlos aussprechen können", erklärt Hon.Prof. Dr. Udo Jesionek, Präsident des Weissen Ringes: "Ebenso wichtig ist es, ihnen allen Hilfe zu geben - psychologisch, juristisch und auch finanziell -, um sie bei der Bewältigung der Opfersituation zu unterstützen. Es ist ein wichtiger Schritt der Stadt Wien, diesen Menschen rasch und unbürokratisch Entlastung und konkrete Hilfe anzubieten."

Geschichte sichtbar machen
Die Stadt Wien setzt, wie angekündigt, mit Mitte September eine HistorikerInnenkommission ein. Sie wird die Geschichte der Heimerziehung und des Fürsorgewesens in Wien aufarbeiten. Die Opfer erhalten die Möglichkeit, sich und ihre persönliche Geschichte aktiv einzubringen. Die wissenschaftliche Zielsetzung wird von den ExpertInnen unter Einbindung der Wünsche der Betroffenen - die damit auch einen Teil ihrer Menschenwürde wiederhergestellt wissen wollen - erarbeitet.

Offene Archive in Wien
Alle die in Obsorge des Wiener Jugendamtes waren, haben in Wien die Möglichkeit, in ihre (Mündel-)Akte einzusehen. "Jeder hat das Recht auf seine persönliche Geschichte. Das gilt auch für Menschen, die in Obhut des Jugendamtes waren. Es ist uns wichtig, dass alle Zugang auch zu diesem Teil ihrer Lebensgeschichte haben", so der Wiener Jugendstadtrat Christian Oxonitsch. Bei Bedarf wird eine fachliche Betreuung bzw. Begleitung zur Verfügung gestellt. Die Akteneinsicht kann bei der MAG ELF, Gruppe Recht, 1030 Wien, Rüdengasse 11 schriftlich oder per E-Mail gr@ma11.wien.gv.at oder unter der Tel. 01/4000-90714 beantragt werden. Vor der Vorlage der Akten wird ein Identitätsnachweis verlangt, um den Datenschutz zu gewährleisten.


Bericht der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft liegt vor
Nach dem nunmehr vorliegenden Bericht der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) haben sich insgesamt 84 Personen gemeldet, die Opfer von Gewalt wurden. 47 davon waren in Heimen der Wiener Jugendwohlfahrt (Heime der Stadt Wien und Privatheime, für die die Jugendwohlfahrt die Aufsicht hatte), untergebracht. 33 Fälle wurden im Einvernehmen mit den Betroffenen an die Staatsanwaltschaft weiter geleitet.

Die Hauptpunkte des Berichtes der KJA betreffen die Aufarbeitung der Geschichte und der Entschädigung der Opfer. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Verstärkung der Präventionsmaßnahmen. "Wir nehmen die Empfehlungen der Kinder- und Jugendanwaltschaft sehr ernst. Im Interesse von Kindern und Jugendlichen, kann man nie genug in Prävention investieren. Wir werden die Maßnahmen auch weiterhin verstärkt ausbauen", betonte Oxonitsch abschließend.

Der vollständige Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft kann unter http://www.kja.at downgeloadet werden.
     
zurück