Forschungs- und Innovationspolitik nach der Wirtschaftskrise
Wien (wifo) - Im Zuge der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise verschlechterte sich die Lage der öffentlichen
Haushalte. Eine weitere Steigerung der Forschungsausgaben wie in den vergangenen zehn Jahren erscheint dadurch
schwierig. Österreich sollte aber trotzdem eine Spitzenreiterstrategie umsetzen, um die künftige Wettbewerbsfähigkeit
der österreichischen Wirtschaft zu sichern. Das WIFO hat Vorschläge für eine solche "Spitzenreiterstrategie
unter Budgetknappheit" erarbeitet. Einerseits kann die Effizienz der Vergabe direkter und indirekter Fördermittel
für Forschung und Entwicklung in Unternehmen gesteigert werden. Andererseits können von tiefgreifenden
Strukturreformen des Bildungssystems und der Begünstigung privater Unternehmens- und Wachstumsfinanzierung
positive Impulse ausgehen, die wenig kosten, aber eine große Wirkung entfalten können. Priorität
sollte bis 2020 die Stärkung der Hochschulen haben, die zu einem der wichtigsten Standortfaktoren werden.
Konsolidierungsmaßnahmen werden die Entwicklung der öffentlichen Haushalte bis 2014 prägen. Reformen
der Innovations- und Bildungspolitik sind aber möglich und notwendig, weil dadurch die Basis für nachhaltiges
Wachstum gelegt wird. Neben einer Konzentration der öffentlichen Mittel auf Projekte mit höherer Hebelwirkung,
um private Finanzierungspotentiale auszuschöpfen, sind Maßnahmen notwendig, die über das Fördersystem
im engeren Sinn hinausgehen. Die notwendige Ausweitung der öffentlichen Mittel für die Umsetzung der
Spitzenreiterstrategie kann durch eine wachstumsfreundliche Konsolidierung realisiert werden. Ihre Wirkung ist
besonders effektiv, wenn die Ausweitung über den Zeitraum 2011 bis 2020 gleichmäßig erfolgt und
sich nicht auf die Phase nach der Budgetkonsolidierung 2015/2020 konzentriert.
Konkret wird für die steuerliche Forschungsförderung eine forcierte Kontrolle vorgeschlagen, welche die
Mitnahmeeffekte senken und die Planungssicherheit der Unternehmen erhöhen soll. Die direkte Förderung
sollte insgesamt selektiver und fokussierter werden. Ein Ansatzpunkt könnte in der Erarbeitung innovativer
Vergabemechanismen für die Projektförderung (Auktionsverfahren) bestehen. Die direkte Förderung
kann besser auf Bereiche mit hohen sozialen Erträgen fokussiert werden, z. B. "saubere Energie"
die öffentlichen Forschungsausgaben sind in diesem Bereich im internationalen Vergleich gering.
Besondere Priorität sollten die Lehre und die Forschung an Hochschulen genießen. Sie sind gleichermaßen
wichtig für junge innovationsintensive Unternehmen, für die Innovationsaktivitäten bestehender Betriebe
und für Forschungszentralen multinationaler Unternehmen. Als Standortfaktor einer wissensbasierten Wirtschaft
gewinnen sie erheblich an Bedeutung. Mit dem Zielhorizont 2020 sollte sich Österreichs Hochschullehre und
-forschung deshalb mit den besten Vergleichsländern messen können.
Vorgeschlagen wird ein Studienplatzfinanzierungssystem mit Zugangsmanagement, um die dringend nötige Expansion
des tertiären Sektors qualitätsvoll und in Abstimmung mit der Qualifikationsnachfrage des Arbeitsmarktes
zu tragen. Aufgrund der privaten Erträge von Hochschulbildung erscheint eine private Finanzierungsbeteiligung
verknüpft mit einem Bildungskreditsystem und einem gut ausgebauten Stipendiensystem empfehlenswert. Gleichzeitig
wäre die Selektivität des Bildungssystems vor der Hochschule zu verringern. Dazu zählen ein in Qualität
und Quantität gut ausgestattetes, kostenloses Kindergartensystem sowie eine gemeinsame, ganztägige Schule
im unteren Sekundarbereich, die von österreichweiten Standards und der Autonomie der einzelnen Schulen getragen
wird.
Die Qualität der Forschung an den Universitäten kann in den Leistungsvereinbarungen stärker gewichtet
und durch Overhead-Zuschüsse für FWF-Projekte gefördert werden. Die Einführung eines internationalen
Berufungsverfahrens für Laufbahnstellen würde die organisatorischen Rahmenbedingungen der universitären
Forschung verbessern.
Anreize zur Ausweitung der Innovationsanstrengungen können sich auch aus intensiviertem Wettbewerb ergeben,
etwa durch eine Steigerung der Effektivität der Wettbewerbspolitik und Maßnahmen zur Intensivierung
des Wettbewerbs in wenig wettbewerbsintensiven Sektoren, z. B. in einigen Dienstleistungsbereichen.
Die Wachstumsfinanzierung junger, innovativer Unternehmen überschreitet in der Regel das zumutbare Volumen
an öffentlicher Förderung. Die Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen für die Aktivität
privater Risikokapitalfonds sowie weitere Maßnahmen, etwa eine Stärkung des Schutzes von Minderheiteninvestoren,
sind daher vordringlich. Im Gegensatz zu vielen Förderprogrammen belasten diese Reformen die öffentlichen
Haushalte praktisch nicht, könnten aber deren Effektivität wesentlich erhöhen. Die in einigen Bereichen
dennoch notwendige Steigerungen der öffentlichen Mittel kann über eine wachstumsfreundliche Konsolidierung
erzielt werden. |