Donaubörse: Wien als Drehscheibe mitteleuropäischen Getreidemarktes
5. Internationaler Branchentreff mit ungewöhnlich viel konkreter Geschäftstätigkeit
Wien (bnlfuw/aiz) - In Wien ging am 03.09. an der Börse für Landwirtschaftliche Produkte
die 5. Internationale Donaubörse über die Bühne. Der zum internationalen Fixpunkt gewordene Branchentreff
von Getreide- und Futtermittelhandel, Verarbeitung und Logistik aus ganz Mittel-, Süd- und Osteuropa verzeichnete
einen Rekordbesuch von mehr als 450 Teilnehmern aus 13 Staaten. Das rege Interesse der Branche ist nicht zuletzt
darauf zurückzuführen, dass die Donaubörse heuer zu einem besonders interessanten Zeitpunkt vor
dem Hintergrund eines sehr spekulativen und volatilen Marktes mit praktisch täglichen starken Preisausschlägen
stattfand. Wie der Gastgeber und Wiener Börsepräsident Josef Dietrich bei der Eröffnung festhielt,
fand "die 5. und mittlerweile zur Tradition gewordene Donaubörse in einem weiteren extrem schwierigen,
oder lassen Sie mich sagen, interessanten und herausfordernden Jahr statt". Die nervöse Ausgangslage
ließ die Donaubörse heuer nicht nur die übliche Diskussionsplattform und Informationsdrehscheibe
sein, sondern auch zum Parkett konkreter Geschäfte werden. Zahlreiche Teilnehmer sollen das Treffen für
den Abschluss konkreter Deals genutzt haben und, so hieß es aus Kreisen der Veranstalter, "heute sind
an der Donaubörse zig Tonnen Getreide bewegt worden".
Markt erhielt durch Wetterextreme ungewöhnliche Dynamik
Dietrich erinnerte an die ungewöhnlichen Witterungsverhältnisse dieses Getreidejahres mit viel, oft zu
viel Nässe und Kälte, extremer Hitze im Abreifestadium der Bestände und zu viel Regen während
der Ernte. Ursprünglich sei erwartet worden, dass das laufende Wirtschaftsjahr 2010/11 mit einem komfortablen
Endlagerstand von weltweit 195 Mio. t Weizen abgeschlossen werde. Dies hätte eher auf eine Fortsetzung des
2009/10 flachen Verlaufs der Preiskurve schließen lassen. Doch erhielt der Markt in den letzten Wochen durch
die Missernten in Russland in Folge der Gluthitze und der Ukraine sowie durch die starke Beeinträchtigung
von Menge und vor allem Qualität in Deutschland durch die verregnete Ernte eine ungeahnte Dynamik. Der Internationale
Getreiderat IGC setzte in seiner jüngsten Prognose vorige Woche die Endlager 2010/11 nur mehr mit 184 Mio.
t fest, wobei aber die globale Weizenbilanz heuer entgegen den ursprünglichen Annahmen mit 13 Mio. t negativ
ausfallen wird. Das heißt: die auf 644 Mio. t herabrevidierte Weizenerzeugung kann den weltweiten Weizenverbrauch
von 657 Mio. t heuer nicht decken. Die Preise setzten spätestens seit Russland, einer der global Top-Fünf-Exporteure,
durch sein Exportverbot als Player am Weltmarkt für die Saison 2010/11 ausgefallen ist, zu einer Rallye an.
Österreich punktet bei Nachbarn als Insel der Weizenqualität - Roggen wird importiert
Vor allem in Mitteleuropa spielt Qualität heuer eine dominante Rolle, betonte Dietrich, und konnte festhalten:
"Österreich scheint eine Insel mit besten Weizenqualitäten zu sein und alle unsere Nachbarländer
rechnen damit, österreichischen Premiumweizen zu importieren und zu verarbeiten. Auch Mischfuttererzeuger,
Ölmühlen sowie RME- und Ethanolerzeuger und andere Getreideverarbeiter müssen sich heuer sehr sorgfältig
um ihre Rohstoffpositionen umsehen." Auf der Donaubörse wurde potenziellen Kunden aus den Zielmärkten
auch heuer wieder ein vom Bundesgremium des Agrarhandels, der AMA und der Versuchsanstalt für Getreidehandel
herausgegebener und mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer Österreich produzierter Folder zur österreichischen
Weizenernte 2010 präsentiert. Der Folder enthält Information unter anderem über Weizensorten, Erträge
und Qualitätsverteilung sowie Qualitätskriterien von heimischem Weizen der Ernte 2010.
Die unerwartet starke Geschäftstätigkeit auf der Donaubörse schien diese Aktivität zu bestätigen,
wobei aber für Österreich 2010/11 beim Roggen die Sache andersrum als beim Weizen läuft. "Nur
ein kleiner Anteil unserer Ernte ist heuer für den menschlichen Konsum geeignet und die österreichischen
Mühlen müssen Roggen importieren", so der Börsepräsident.
Deutschland muss erstmalig seit Jahrzehnten Aufmischweizen importieren
Aus dem nördlichen Nachbarland wurde etwa diese Woche bekannt, dass Deutsche Mühlen wegen der mangelnden
Qualitäten der verregneten Weizenernte erstmalig seit Jahrzehnten hochwertigen Aufmischweizen der Qualitätsstufe
Dark Northern Spring aus den USA importierten. Offensichtlich rechnen sich nun auch heimische Anbieter von Aufmischweizen
Chancen nicht nur am angestammten italienischen Markt vor der Haustüre, sondern auch in Deutschland aus. Aus
Oberösterreich wurden dieser Tage schon Mahlweizenlieferungen an Mühlen im grenznahen bayerischen Raum
bekannt. Aber nicht nur die Weizenanbieter, sondern auch Saatgutproduzenten profitieren davon. "Nachdem in
Deutschland noch viel Weizen am Halm steht und die nächste Herbstaussaat naht, können wir zurzeit ungewöhnlich
viel Saatgut an unsere Nachbarn verkaufen", freute sich etwa ein heimischer Anbieter auf der Donaubörse.
Wiener Kassamarktnotierungen sind bereits den Pariser Terminkursen enteilt
Die aktuellen Kassamarktnotierungen der Wiener Produktenbörse vom Mittwoch dieser Woche spiegeln das Bild
wider: Premiumweizen hält bei einem Netto-Großhandelsabgabepreis von EUR 240,- pro t, Qualitätsweizen
bei EUR 227,50 und Mahlweizen bei EUR 217,50 pro t. Mahlroggen erzielt entsprechend der knappen Versorgung mit
EUR 238,50 pro t fast so viel wie Premiumweizen und auch die Futtergetreidepreise - EUR 151,50 pro t für Gerste
und EUR 162,- pro t für Weizen - schwimmen im Kielwasser des Brotgetreides mit nach oben. Frei gehandelter
Raps - das Gros wurde ja bereits in Vorverträgen abgewickelt - hält zurzeit an der Wiener Börse
bei EUR 350,- pro t. Dies sei laut Beobachtern zwar ein sehr guter Preis, gegenüber dem Weizen hat er aber
seine Soll-Preisparität von eins zu zwei zuletzt wieder eingebüßt. Dies und die Tatsache, dass
die heimischen Kassamarktpreise für Weizen zuletzt dem als "Leitwährung" eingestuften europäischen
Weizenfutures an der Pariser Euronext - dieser näherte sich jüngst der Marke von EUR 230,- pro t für
den November-Liefertermin - praktisch vorausge- und enteilt sind, lässt manche Beobachter auch an der Nachhaltigkeit
der Preishausse zweifeln.
Diese führen dafür auch ins Treffen, dass zurzeit die späteren Liefertermine aus der Ernte 2010
an der Euronext - also für Jänner, März und Mai 2011 - teilweise bis zu fast EUR 10,- pro t niedriger
notieren als der vorderste, der November-2010-Termin. Üblicherweise notieren die späteren Liefertermine
wegen der mit der Zeit wachsenden Kosten für Finanzierung, Lagerung, Gesunderhaltung etc. quasi mit sogenannten
Reports höher als die vorderen.
Spekulationsdebatte: Preishausse zurzeit eher von Spekulation am Kassamarkt angetrieben
Ein Thema der Branchengespräche auf der Donaubörse war eben auch dieses Verhältnis zwischen Kassa-
und Terminmärkten sowie die Spekulation branchenfremder Finanzinvestoren, die vielerorts für die Preishausse
verantwortlich gemacht wird. Dabei meinten etliche Teilnehmer, die Preisvorstellungen der Halter von physischer
Ware verengten sich zuletzt gegen den oberen Rand der Notierungen hin, sofern sie nicht überhaupt auf noch
weiter steigende Preise spekulierten und ihre Ware gänzlich zurückhielten. Damit sehen sie in Österreich
genauso wie im benachbarten Deutschland oder in Frankreich die Preishausse zurzeit eher von Spekulation mit physischer
Ware als von Spekulanten an den Warenterminbörsen angetrieben - und im Gegenteil die Kursgewinne an den Terminmärkten
eher vom physischen Markt inspiriert. |