Reform der Finanzmärkte   

erstellt am
03. 09. 10

Wien (wifo) - Dass Krisen unserem Wirtschaftssystem immanent sind, hat ihre aktuellste Ausprägung eindrucksvoll in Erinnerung gerufen. Weil Finanzkrisen häufiger und intensiver geworden sind, müssen nun möglichst rasch umfassende Maßnahmen zur Beseitigung der tieferen Ursachen der Krise getroffen werden. Zentraler Ansatzpunkt dafür ist eine Reform der Finanzmärkte und ihres Regulierungsrahmens. Der politische Prozess zur globalen Reform der Finanzmärkte wird von der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20) vorangetrieben. In der Europäischen Union erfolgt die Umsetzung nach zwischen allen Mitgliedsländern gemeinsam abgestimmten Vorgaben. Dabei sind insbesondere drei umfassende Bereiche von Bedeutung: (i) eine neue Qualität für die makroprudenzielle Perspektive des Finanzmarktgeschehens, (ii) eine neue institutionelle Struktur der Finanzmarktaufsicht in Europa sowie (iii) Maßnahmen auf der mikroprudenziellen Ebene. Generelles Ziel aller Reformbemühungen ist die Schaffung eines leistungsfähigen, aber belastbareren und krisenfesteren Systems. Dazu müssen sowohl die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Bank als auch des Systems als Ganzes gestärkt werden. Da sich Regulierung und Aufsicht stets in einem "interessenspolitischen Umfeld" bewegen, bleibt abzuwarten, inwieweit die schlussendlich umgesetzten Reformen von diesen Einflüssen geprägt sein werden. Eine finale Lösung der Krisenproblematik für alle Zukunft wird es trotzdem nicht geben können. Vielmehr werden Regulierung und Aufsicht immer wieder an Veränderungen anzupassen sein.

Die Krise . Anstoß zu neuen Rahmenbedingungen
Angesichts der massiven Konsequenzen von Finanzkrisen für die Realwirtschaft ist die Forderung nach strengerer und besserer Regulierung berechtigt und verständlich. Generelles Ziel aller Reformbemühungen muss die Schaffung eines leistungsfähigen, aber belastbareren und krisenfesteren Systems sein. Die Erfahrungen der Krise haben gezeigt, dass dazu sowohl die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Bank als auch des Systems als Ganzes gestärkt werden müssen. Nur so lässt sich verhindern, dass schlussendlich massive negative Auswirkungen auf Wachstum, Beschäftigung und Vermögenswerte zu verzeichnen sind. Diese allgemeinen Zielsetzungen wurden auf verschiedenen Treffen der G 20 in Washington, London und Pittsburgh mit einer umfangreichen Agenda für die Reform der Finanzmarktregulierung unterlegt. Mit der Umsetzung wurden das Financial Stability Board (FSB) und dessen Fachausschüsse beauftragt. Die Verantwortung für die Reform der globalen Aufsichtsregeln
obliegt dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht.

Weiterentwicklung der internationalen und Europäischen Finanz- und Aufsichtsarchitektur
Entsprechend dem heute umfassend globalen Charakter von Finanzmärkten und Finanzinstitutionen sind die Konsequenzen aus der globalen Finanzkrise auf internationaler Ebene zu ziehen. Es gilt regulatorische Lücken weltweit zu schließen und global verbindliche Spielregeln und Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Mit einer umfassenden internationalen Agenda als globale Antwort auf die Krise haben sich die Regierungen und Aufsichtsbehörden ehrgeizige Ziele gesetzt. Angesichts der erheblichenfinanziellen Belastungen und Vermögensverluste, die die Finanzkrise verursacht hat, gilt es nun eine zügige und konsistente Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen sicherzustellen.

Die Europäische Kommission legte im September 2009, auf Basis einer Studie einer Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des ehemaligen IWF-Präsidenten Jacques de Larosière Entwürfe zur Behebung der Schwächen auf Ebene der Makro- als auch Mikroaufsicht vor. Der Legislativprozess in der EU soll im Jahr 2010 abgeschlossen werden. Eine makroprudenzielle Perspektive als wichtige Ergänzung Einen Meilenstein auf dem Weg zu einer künftigen europäischen Aufsichtsstruktur stellt die Einrichtung eines European Systemic Risk Board (ESRB) dar, der Risiken, die die Stabilität des europäischen Finanzsystems gefährden könnten, ermitteln, bewerten und Frühwarnungen und Empfehlungen für konkrete aufsichtsrechtliche oder regulatorische Maßnahmen aussprechen sowie deren Umsetzung überwachen soll. Das trägt dem Charakter der Krise als systemische Krise Rechnung. Eine noch so gute mikroprudenzielle – d. h. auf den einzelnen Finanzmarktakteur abstellende – Aufsicht bleibt unvollkommen, wenn nicht auch Systemrisiken einbezogen werden. Dazu bedarf es einer Verbesserung der Stabilitätsanalyse auf gesamtwirtschaftlicher Ebene, ebenso muss das Zusammenspiel mikro- und makroprudenzieller Faktoren besser gestaltet werden.

Ein zentraler Punkt dabei ist der Umgang mit systemisch relevanten Instituten, da deren Zusammenbruch erhebliche Folgen für das Gesamtsystem haben kann. Eine besondere Herausforderung ist hier die Definition und Identifikation von Systemrelevanz, die nicht nur von der Institutsgröße abhängt. Auch die Vernetzung, die Ersetzbarkeit sowie der allgemeine Zustand der Märkte bestimmen, ob der Zusammenbruch eines Instituts systemische Konsequenzen haben kann. Entsprechend gilt es, geeignete Methoden zur Identifizierung von Systemrelevanz zu entwickeln. Auf der mikroprudenziellen Ebene wurden Maßnahmen (auf dem Weg zu einem Basel III) vom Baseler Ausschuss in zwei Paketen vorgeschlagen. Sie verschärfen etwa die Regelungen zum Umgang mit Verbriefungen, Kernpunkt der geplanten Änderung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Banken ist aber, die Risikotragfähigkeit einer Bank – ausgedrückt durch die Höhe und Qualität des Eigenkapitals – mit den eingegangenen Risiken besser in Einklang zu bringen.

Regulierung und Aufsicht im "interessenspolitischen Umfeld" Trotz zahlreicher Krisen erscheint auffällig, dass sich in der Vergangenheit die staatlichen Behörden tendenziell aus der Regulierung zurückgezogen haben bzw. das Anwachsen weitgehend unregulierter Finanzmarktbereiche mindestens akzeptiert wurde. Speziell das angelsächsische Selbstregulierungsmodell ("light touch regulation") entwickelte sich zum Orientierungsstandard, entsprechend dem die Aufsichtsinstitutionen und Regierungen schwache und wenig effiziente Regulierung nicht verhindert haben.

Unter dem Eindruck der aktuellen Krise setzte hier ein Umdenken ein. Freilich bewegen sich Regulierung und Aufsicht stets in einem "interessenspolitischen Umfeld", das auf die Ergebnisse von Reformprozessen maßgeblichen Einfluss ausübt. Es wird daher abzuwarten sein, inwieweit die schlussendlich umgesetzten Reformen von diesen Einflüssen geprägt sein werden. Fundamentale Reform der Finanzmärkte unabdingbar Nachdem die Finanzkrise viele Schwächen sichtbar hat werden lassen, gilt es nun neue wirksame Rahmenbedingungen für die Zukunft zu entwickeln und rasch zu implementieren. Eine internationale Lehre aus der Finanzkrise lautet jedenfalls, dass . über die Beaufsichtigung der einzelnen Finanzinstitute hinaus . der Blick auf das Finanzsystem insgesamt . die sogenannte makroprudenzielle Dimension . gefehlt hat. Deshalb gilt es, die mikroprudenzielle Regulierung um eine makroprudenzielle Dimension zu ergänzen und ein solchermaßen gestärktes und erweitertes konsistentes Regelwerk weltweit umzusetzen.

Ein besseres Finanzmarktregime nach der Krise sollte einem dominierend "funktionalen Ansatz" folgen und nicht auf die isolierte Regulierung von (bestimmten) Produkten, Instrumenten, Institutionen und/oder Märkten konzentriert sein. Das erscheint zentral für die Absicherung der realwirtschaftlich- orientierten Intermediation gegenüber spekulativen Finanzmarktrisiken. Institutionen, Produkte und Märkte, die funktional demselben (Finanzierungs-)Zweck dienen, sollen auch nach denselben Standards reguliert werden.

Das Ausmaß der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise lässt erwarten, dass die Welt der Finanzmärkte nach der Krise nicht mehr nur einfach zur "Welt vor der Krise" zurückkehren kann. Alle Reformen müssen sich an der Minimalanforderung messen lassen, ob sie die letzte Krise verhindern oder mindestens ihr Ausmaß stark dämpfen hätten können. Trotzdem wird es die finale Lösung der Krisenproblematik für alle Zukunft nicht geben können. Vielmehr werdenRegulierung und Aufsicht möglichst vorausschauend an die sich abzeichnenden Veränderungen anzupassen sein.
     
Informationen: http://    
     
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