Anhaltender Konjunkturaufschwung in unsicherer Weltwirtschaft
Brüssel (ec.europa) - Die wirtschaftliche Erholung in der Europäischen Union hat unlängst
wieder Fahrt aufgenommen. Im zweiten Quartal 2010 ist das BIP besonders stark gestiegen und wurde deutlicher als
erwartet von der Inlandsnachfrage beflügelt. Auch wenn für die zweite Jahreshälfte weiterhin nur
eine moderate Wirtschaftsleistung zu erwarten ist, kann dank der noch vom zweiten Quartal ausgehenden wirtschaftlichen
Dynamik eine leichte Verbesserung für das nächste Quartal in Aussicht gestellt werden. Für 2010
liegt die Prognose für das Realwachstum des BIP bei 1,8 % in der EU und bei 1,7 % im Euroraum – eine Aufwärtskorrektur,
die sich sehen lassen kann. Der Aufschwung ist nach wie vor zaghaft; die Lage ist sehr unsicher und gestaltet sich
in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Die von der Kommission prognostizierten Inflationsraten für 2010
entsprechen im Großen und Ganzen jenen des Frühjahrs und liegen bei 1,8 % (EU) bzw. 1,4 % (Euroraum).
„Die europäische Wirtschaft hat wieder erkennbar Fuß gefasst. Der Aufschwung fällt deutlicher aus
als im Frühjahr vorhergesagt, und die wachsende Inlandsnachfrage ist ein ermutigendes Signal für den
Beschäftigungsmarkt“, so EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn. „Dennoch bestehen Unwägbarkeiten
fort, weswegen finanzielle Stabilität und Haushaltskonsolidierung weiterhin absoluten Vorrang haben. Gleichzeitig
müssen wir strukturelle Reformen so schnell wie möglich auf den Weg bringen, um unser Wachstumspotenzial
auszubauen. Je schneller und entschiedener wir handeln, desto größer sind unsere Chancen, dass wir nachhaltig
Wachstum und neue Arbeitsplätze schaffen.“
Wachstumsprognosen für die EU und den Euroraum werden nach oben revidiert
Angesichts ermutigender und im Vergleich zu den Prognosen besser ausgefallener Wirtschaftsdaten für die erste
Jahreshälfte und in Erwartung davon ausgehender positiver Auswirkungen auf die zweite Jahreshälfte wird
in den Prognosen für 2010 für das reale BIP in der EU ein Wachstum von 1,8 % und im Euroraum von 1,7
% veranschlagt (eine Aufwärtskorrektur von knapp ¾ Prozentpunkten gegenüber der Frühjahrsprognose).
Dieses Gesamtbild ergibt sich aus den aktualisierten Prognosen für Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande,
Polen, Spanien und das Vereinigte Königreich, die zusammen rund 80 % des EU-BIP erwirtschaften. Aufgeschlüsselt
nach Mitgliedstaaten ergibt sich ein anderes, eher uneinheitliches Bild, wobei die Volkswirtschaften Deutschlands
und Polens am besten abschneiden. Dieses uneinheitliche Bild spiegelt die Unterschiede in Bezug auf Produktionsstrukturen,
das Ausmaß der krisenbedingten Anpassungen und den derzeitigen Abbau der Ungleichgewichte innerhalb der EU
und im Euroraum wider.
Aufschwung der Weltkonjunktur verliert an Schwung
Da die bisherigen Konjunktur- und Lageraufbaumaßnahmen allmählich zurückgefahren werden, wird das
Weltwirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte wohl eher etwas schwächeln; ein erneuter Rückfall
in die Rezession (Douple-Dip-Rezession) ist allerdings nicht zu befürchten. Trotz dieser konjunkturellen Verlangsamung
wird für 2010 ein Wachstum des Welt-BIP (ohne EU) von rund 5 % prognostiziert; dies ist ein Zuwachs von ¼
Prozentpunkt gegenüber der Frühjahrsprognose und liegt darin begründet, dass sich die Wirtschaftstätigkeit
in der ersten Jahreshälfte stärker entwickelte als erwartet. Die Prognosen sagen wie auch im Frühjahr
eine unausgewogene Konjunkturentwicklung voraus: robustes Wachstum in den Schwellenländern und eine weiterhin
zögerliche Konjunktur in verschiedenen Industrieländern.
EU-Wirtschaftswachstum schlägt sich in steigender Inlandsnachfrage nieder
Auch beim BIP-Wachstum in der EU wird für die zweite Jahreshälfte 2010 eine leichte Verlangsamung erwartet,
gewissermaßen im Kielwasser der rückläufigen Weltwirtschaftsentwicklung und der allmählich
nachlassenden Wirkung der befristeten Maßnahmen, die die Konjunktur wieder auf Touren bringen sollten. Dennoch
erlauben die Auswirkungen einer gewissen Wirtschaftsdynamik im zweiten Quartal für das jetzige Quartal eine
leichte Aufwärtskorrektur gegenüber der Frühjahrsprognose. Den Prognosen zufolge wird das BIP im
dritten Quartal um 0,5 % (EU und Euroraum) und im vierten Quartal um 0,4 % (EU) bzw. 0,3 % (Euroraum) steigen.
Indikatoren der wirtschaftlichen Einschätzung, die auf einen weiteren Anstieg der Wirtschaftstätigkeit
in den nächsten Monaten hindeuten, bestärken diese zuversichtliche Prognose.
Zudem scheint der Konjunkturaufschwung in den verschiedenen Wirtschaftszweigen und Nachfragekomponenten auf breiterer
Basis zu greifen. So lag der Wirtschaftsbeitrag privater Investitionen und des privaten Verbrauchs zum BIP-Wachstum
im zweiten Quartal 2010 über jenem aus Lageraufbau und Nettoexporten zusammengenommen. Diese Verschiebung
ist ermutigend, insbesondere da sich die ungünstigeren außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der zweiten
Jahreshälfte dämpfend auf das Wachstum der EU-Exporte auswirken dürften. Gleichzeitig bleibt die
Lage an den Finanzmärkten, die sich bislang nur teilweise von der angespannten Lage im Mai erholt haben, fragil.
Inflation bleibt niedrig
Für die erste Jahreshälfte 2010 wurde ein moderater Anstieg der HVPI-Inflation verzeichnet – eine Folge
steigender Weltmarktpreise für Rohstoffe und zunehmender Basiseffekte bei den Komponenten Lebensmittel und
Energie. Die weiterhin gedämpfte Konjunktur, ein schwaches Lohnwachstum und geringe Inflationserwartungen
dürften die Inflation trotz jüngster Wechselkursentwicklungen und witterungsbedingter Preisanstiege bei
landwirtschaftlichen Grunderzeugnissen vorerst im Zaum halten. Für das Jahr 2010 als Ganzes haben sich die
Prognosen für die HVPI-Inflation mit 1,8 % (EU) und 1,4 % (Eurozone) kaum gegenüber der Frühjahrsprognose
verändert.
Risikobewertung
Trotz anhaltend großer Unsicherheit über die Wirtschaftsentwicklung scheinen sich die Risiken, die die
Wachstumsaussichten für die EU schmälern könnten, in diesem Jahr weitgehend die Waage zu halten.
Als vielversprechend sind die Entwicklung des BIP-Wachstums zugunsten der Inlandsnachfrage und die Aussicht auf
mögliche positive Auswirkungen des Konjunkturaufschwungs in Deutschland auf andere Mitgliedstaaten zu werten.
Möglicherweise könnten diese Entwicklungen größere Wirkung als derzeit erwartet zeigen. Getrübt
wird das Bild durch die Befürchtung, dass die Auslandsnachfrage hinter den Erwartungen zurückfallen und
die Finanzmärkte erneut unter Druck geraten könnten. Die Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung
könnten in den betreffenden Ländern die Inlandsnachfrage stärker als angenommen beeinträchtigen.
Die Inflationsaussichten für 2010 scheinen angesichts weitgehend ausgewogener Risiken ebenfalls unverändert. |