Die Technische Universität (TU) Wien liefert in Form von Georadar-Messungen einen wichtigen
Beitrag für die aufstrebende Eishöhlen-Klimaforschung.
Wien (tu) - In der Antarktis oder auf großen Gletschern sammeln KlimatologInnen schon lange
Daten. Eishöhlen für die Klimaforschung zu nützen ist allerdings eine relativ neue Idee. "Noch
vor einigen Jahren war das eher ein Randthema, das von manchen Forschungsgruppen höchstens nebenbei mituntersucht
wurde", meint Michael Behm vom Institut für Geophysik und Geoinformation der TU Wien. Heute allerdings
wird die klimatologische Untersuchung von Eishöhlen zu einem Forschungsthema, das weltweit Aufmerksamkeit
auf sich zieht - und die TU Wien ist bei diesem Trend federführend mit dabei.
"In Eishöhlen untersucht man Klimaveränderungen auf einer ganz anderen Zeitskala als etwa in der
Antarktis", betont Michael Behm. Während antarktisches Eis KlimatologInnen zehn- oder hunderttausende
Jahre in die Vergangenheit blicken lässt, untersucht man in Eishöhlen nur die Klimaänderungen einiger
Jahrhunderte. Allerdings: Die Antarktis ist weit weg. Will man zuverlässig wissen, wie sich das Klima in Europa
nahe an dicht besiedelten Gegenden entwickelt hat, führt an der Untersuchung der Eishöhlen kein Weg vorbei.
Mit Radar unter das Eis blicken
Oft ist es ganz besonders wichtig, das Gesamtvolumen des Eises in einer Höhle zu kennen. Um die Dicke der
Eisschicht zu bestimmen, wandten die ForscherInnen der TU Wien eine aus der Geophysik wohlbekannte Methode an:
Mit Georadar wurde die dreidimensionale Struktur der meterdicken Eisdecken sichtbar gemacht. "Das funktioniert
im Eis besser als wir das erwartet hatten", freut sich Michael Behm. Die Grenzlinie zwischen dem Eis und dem
darunterliegenden Gestein ist auf seinen Bildern genau zu sehen. Damit kann man exakt vorhersagen, wo man meterweit
in das Eis bohren muss, um die interessantesten Proben herausschneiden zu können.
Überraschende Strukturen im Eis
Doch die Messungen brachten auch eine Überraschung ans Tageslicht: Die Eisdecke erscheint nicht als homogene
Masse, sie weist immer wieder geschichtete Strukturen auf, an denen das Radarsignal stärker reflektiert wird.
Genau diese Schichten könnten für die Klimageschichte von großem Interesse sein: "Wahrscheinlich
handelt es sich um Kalzit, der ursprünglich in geringen Mengen und gleichmäßig im Eis verteilt
war", vermutet Behm. "In einer Wärmeperiode schmilzt ein Teil des Eises - der Kalzit bleibt übrig
und lagert sich schichtförmig ab."
Die Interpretation von Daten aus dem Höhleneis ist allerdings nicht einfach. Im Gegensatz etwa zu den Jahresringen
eines Baumes haben die Schichten der Eisdecke nicht unbedingt eine Struktur, die sich einfach und eindeutig auf
den Zeitverlauf ihrer Entstehung abbilden lässt. Jede Höhle hat ihr eigenes Mikroklima und ihre eigene
Geometrie - und so entwickelt sich auch das Eis überall anders.
Ein boomendes Forschungsgebiet
Die Erforschung des Höhleneises wird mittlerweile weltweit zu einem wichtigen Thema: Im Sommer gelang es Behm
und seinen KollegInnen, eine wichtige internationale Konferenz über Höhleneisforschung nach Österreich
zu holen. Das Journal "Science" widmete dieser Konferenz und dem Thema "Höhleneis" eine
ausführliche Reportage (siehe Link unten). Angesehene Wissenschaftsjournale veröffentlichen heute Artikel
über dieses Forschungsgebiet, das ursprünglich eher als Nebenthema betrachtet wurde. Eine dynamische
Wissenschaftscommunity der Eishöhlenforschung entwickelt sich - und die TU Wien ist ganz vorne mit dabei. |