Chemiker reaktivieren historisches Ausarbeitungsverfahren
Wien (universität) - Die wohl älteste Kamera der Welt ist dank Chemikern der Universität
Wien wieder im Einsatz. Mit der "Daguerreotype Susse Frères" wurde kürzlich für ein
Kunstprojekt eine Aufnahme auf dem Wiener Michaelerplatz aus dem Jahr 1840 nachgestellt. Vorbereitet und durchgeführt
wurde die Reproduktion von Wissenschaftern des Instituts für Organische Chemie der Universität Wien,
die die Aufnahme im Originalverfahren mittels Quecksilberdampf und Goldlösung auf Silberplatte gebannt haben.
Mehrere silberbeschichtete Kupferplatten, Quecksilber, Brom und Goldchlorid sind für die Herstellung einer
Daguerreotypie notwendig. Bei diesem fotografischen Verfahren aus dem 19. Jahrhundert, entwickelt vom französischen
Maler Louis Daguerre, wird das Bild bei der Aufnahme nicht mit einem Spiegel umgelenkt. Die Abbildung ist seitenverkehrt
und eigentlich ein Negativ; je nach Betrachtungswinkel sieht man sie aber auch als Positiv.
Silberne Lichtbilder
Das Institut für Organische Chemie der Universität Wien weckt gemeinsam mit der Wiener Galerie
WestLicht die älteste Kamera der Welt aus dem Dornröschenschlaf. Mit der "Daguerreotype Susse Frères"
aus dem Jahr 1839 wurde kürzlich eine Daguerrotypie aus der Fotosammlung der Albertina originalgetreu nachgestellt
- der "Blick auf den Michaelerplatz" von Andreas von Ettingshausen, aufgenommen im Mai 1840.
Die Aufnahme wurde dann entsprechend des von Louis-Jacques-Mandé Daguerre erfundenen Verfahrens ausgearbeitet.
Die Entwicklung der silberbeschichteten, mit Brom oder Iod aktivierten und in der Kamera belichteten Kupferplatten
erfolgt mittels Quecksilberdampf. "Kein ungefährliches Unterfangen, aber wir verfügen über
das entsprechende Knowhow und ein gut ausgestattetes Labor", erklärt Harry Martin vom Institut für
Organische Chemie der Universität Wien.
Nach über 150 Jahren wiederbelebt
Nach der Quecksilberentwicklung und dem anschließenden Fixierbad erhalten die Bilder durch ein Bad
in 90 Grad heißer Goldchloridlösung noch mehr Schärfe. "Wir sind stolz, dass es uns geglückt
ist, diese Fotografie- Methode wiederzubeleben. Vermutlich sind wir die ersten seit über 150 Jahren, die mit
einer Original Daguerréotype Kamera und dem Daguerre- Verfahren gearbeitet haben", so Martin.
"Wake up the sleeping beauty"
Entstanden sind die Fotos im Rahmen des Kunstprojekts "Wake up the sleeping beauty". Der kubanische
Fotograf Nelson Ramirez reproduziert im Auftrag der Firma WestLicht 30 Daguerreotypien aus dem 19. Jahrhundert
in Wien, Salzburg und am Attersee. Die Kamera wurde 2007 von WestLicht zum Rekordpreis von 576.000 Euro versteigert
und für das Projekt von den neuen Besitzern zur Verfügung gestellt. |