Transferleistungen: Die Gemeinden zahlen drauf   

erstellt am
07. 09. 10

Mödlhammer: "Dickicht an Transferleistungen und finanziellen Verflechtungen roden"
Wien (gemeindebund) - In einer Studie hat der Österreichische Gemeindebund die finanziellen Verflechtungen und Transferleistungen zwischen Bundesländern und Gemeinden von Prof. Dr. Gerhard Lehner erheben lassen. "Schon im Jahr 2002 gab es ein Missverhältnis der Transfers zwischen Ländern und Gemeinden zu Lasten der Kommunen. Damals haben die Gemeinden jährlich 63 Mio. Euro mehr an die Länder überwiesen, als sie bekommen haben", berichtet Mödlhammer. "Dieser Negativsaldo hat sich zwischen 2002 und 2008 versiebenfacht. Das heißt, dass die Gemeinden 2008 414 Millionen Euro mehr an die Bundesländer bzw. Landesfonds überwiesen haben, als sie bekommen haben." Rund 90 Prozent aller Transfers entfallen auf die Bereiche Soziales, Krankenanstalten und Kinderbetreuung.

Gemeinden zahlen fast 2 Mrd. Euro an Bundesländer
1,9 Mrd. Euro betrugen im Jahr 2008 die Ausgaben, die die Gemeinden direkt an die Länder oder ihre Fonds zu tätigen hatten. Dem entgegen stehen Rückflüsse in der Höhe von 1,48 Mrd. Euro. Die Differenz von 414 Mio. Euro geht zu Lasten der Gemeinden.

Vor allem die Ausgaben der Gemeinden im Sozialbereich, die direkt an die Länder fließen, haben eine enorme Steigerung zu verzeichnen. Insgesamt haben die Gemeinden im Jahr 2008 rund 800 Mio. Euro an die Länder überwiesen (2002: 536 Mio. Euro), die jährliche Steigerungsrate in diesem Bereich beträgt seit 2002 fast sieben Prozent. Auch bei den Beiträgen, die die Gemeinden für die Krankenanstalten zu leisten haben, beträgt die Steigerung im Jahresschnitt rund 7.5 Prozent. Mehr als 600 Mio. Euro müssen die Gemeinden pro Jahr aus diesem Titel an die Länder überweisen.

In der Kinderbetreuung ist der Finanzierungsstrom umgekehrt. Hier leisten die Länder Zuschüsse für die Kinderbetreuung an die Gemeinden. Insgesamt werden dadurch aber nur rund 35 Prozent der entstehenden Kosten abgedeckt. Die finanzielle Hauptlast der Kinderbetreuung tragen mit 65 Prozent der Ausgaben wiederum die Gemeinden. Neben den Landeszuschüssen werden bei der Kinderbetreuung auch Elternbeiträge (in unterschiedlicher Höhe) eingehoben. Insgesamt beträgt die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen allerdings rund 290 Millionen Euro pro Jahr, die gänzlich von den Gemeinden zu tragen sind.

"Diese Untersuchung zeigt uns schonungslos und sehr detailliert auf, dass die Grenzen der Belastbarkeit für die Gemeinden erreicht sind", sagt Gemeindebund-Präsident Mödlhammer. "Die zusätzlichen Aufgaben, die den Gemeinden in den letzten Jahren übertragen wurden, haben zu einem finanziellen Mehraufwand geführt, der für die Kommunen nicht mehr bewältigbar ist." Dabei müsse man noch berücksichtigen, dass die Studie nur Daten bis ins Jahr 2008 verarbeitet habe, weil neuere Daten in der nötigen Vollständigkeit noch nicht vorliegen. "Wenn ich daran denke, dass die Kosten für das kostenfreie letzte Kindergartenjahr hier noch gar nicht berücksichtigt sind, dann kann man sich vorstellen, wie der Negativsaldo bis ins Jahr 2010 angestiegen sei."

Mödlhammer mahnt Aufgabenreform ein
"Diese Verflechtungen und die Handhabung der Transfers sind für die Gemeinden ein finanzieller und organisatorischer Unsinn", klagt Mödlhammer. "Diese Studie belegt schwarz auf weiß, welche Gebietskörperschaft der finanzielle Verlierer der letzten Jahre ist, nämlich die Gemeinde."

Mödlhammer mahnt daher erneut eine Aufgabenreform und Neuordnung der Zuständigkeiten ein. "Ziel einer solchen Reform muss die Befolgung eines klaren und einfachen Prinzips sein", so Mödlhammer. "Jede Ebene soll jene Aufgaben übernehmen, die sie auch am Besten kann und dafür auch die finanziellen Mittel bekommen." Als Beispiel nennt Mödlhammer die Kinderbetreuung: "Hier reden derzeit vier Ministerien und neun Bundesländer in einem Bereich mit, den dann die Gemeinden auszuführen haben. Es wäre sinnvoll, wenn künftig die Gemeinden allein für die Kinderbetreuung zuständig sind, dafür die Verantwortung übernehmen und die finanziellen Mittel bereitgestellt bekommen. Dafür sollen die Bundesländer die Verantwortung für Gesundheit und Pflege übernehmen. Dann brauchen wir keine Transferleistungen in dieser Höhe mehr, wo das Geld von einer Ebene zur anderen - und wieder zurück - ü! ;berwiesen werden muss."

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie will Mödlhammer nicht als Angriff auf die Bundesländer verstanden wissen. "Die Studie ist allerdings eine überzeugende Kritik am System, das wir in Österreich anwenden. Sie zeigt, wie sich in wenigen Jahren die Belastungen für eine Ebene dramatisch vergrößern können."

Aufgabenreform und neue Finanzierungswege für die Pflege
Zusammenfassend sieht Mödlhammer insgesamt vier vordringliche Handlungsfelder im Finanzverhältnis zwischen Bundesländern und Gemeinden:

  1. "Wir brauchen einen gegenseitigen Belastungsstopp der Gebietskörperschaften. Man kann nicht dauernd neue Leistungen und Angebote erfinden, wenn es dafür die finanziellen Mittel einfach nicht gibt."
  2. "Alle Gebietskörperschaften brauchen mehr Berechenbarkeit in ihren Einnahmen- und Ausgabenrechnungen. Es bedarf klarer Parameter bei den Leistungen, die auch an die jeweils aktuelle Einnahmenentwicklung gebunden sind."
  3. "Eine Aufgabenreform ist dringend nötig und Voraussetzung für eine Verwaltungsreform. Solange nicht klar ist, welche Ebene, welche Aufgaben zu erledigen und zu finanzieren hat, brauchen wir über eine Verwaltungsreform ernsthafterweise gar nicht sprechen."
  4. "In der Finanzierung der Pflege müssen wir über neue Wege dringend nachdenken. Der Akutbedarf zur Finanzierung der Pflege beträgt schon jetzt 400 bis 500 Mio. Euro. Wenn die Gemeinden weiterhin diese hohen Kosten zu tragen haben, dann wird die Anzahl der Abgangsgemeinden noch einmal sprunghaft ansteigen."
     
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