EU-Unterausschuss diskutiert Grünbuch zur Sicherung der Pensionen
Wien (pk) - Auch wenn die Regelung der einzelnen Pensionssysteme Angelegenheit der Nationalstaaten
ist und auch bleiben soll, will die EU eine europäische Debatte über die wichtigsten Herausforderungen
für die europäischen Pensionssysteme initiieren. Die EU-Kommission hat daher Anfang Juli 2010 ein Grünbuch
vorgelegt, das der Diskussion im EU-Unterausschuss am 15.09. zugrunde lag. Die Abgeordneten hatten die Gelegenheit,
darüber einen ersten Gedankenaustausch mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer zu führen und sie nahmen
dazu, im Einklang mit dem Ressortchef, durchaus kritisch Stellung.
Hundstorfer unterzog vor allem die Tendenz des Grünbuchs einer kritischen Betrachtung, auch wenn er die Initiative
der Kommission grundsätzlich begrüßte. Die Kommission setzt in den Augen des Sozialministers zu
sehr auf die kapitalgedeckten Systeme, für die die EU auch Rahmenbedingungen schaffen und Regeln in Bezug
auf Wettbewerb und Konsumentenschutz erstellen kann. Die Finanzkrise habe die Vorteile eines öffentlich finanzierten
Umlagesystems unter Beweis gestellt, betonte Hundstorfer, deshalb werde er darauf dringen, dass die erste Säule
für die Pensionssicherung stärker betont wird. Die Finanzkrise habe aber auch deutlich gemacht, dass
bei den kapitalgedeckten Systemen noch einiges zu tun ist.
Das Grünbuch der Kommission
Die Kommission stellt im Grünbuch die Verantwortung der Mitgliedstaaten für Pensionen und die Rolle der
Sozialpartner in diesem Bereich nicht in Frage. Dies wurde auch vom Sozialminister sowie von den Abgeordneten aller
Fraktionen unterstrichen. Ein ideales, universelles Pensions-, bzw. Rentenmodell gibt es nicht, heißt es
im Grünbuch. Der Kommission geht es darum auszuloten, wie die EU die Mitgliedstaaten bei der Bewältigung
der Aufgabe helfen kann, zumal auf EU-Ebene die nationalen Vorsorgesysteme durch zahlreiche Maßnahmen unterstützt
werden, die von der strategischen Koordinierung bis hin zu Rechtsakten, etwa in Zusammenhang mit dem Funktionieren
des Binnenmarkts, reichen. Die Kommission bezeichnet es als eine vorrangige Aufgabe, ein angemessenes und nachhaltiges
Ruhestandseinkommen für die EU-BürgerInnen sicherzustellen.
Das Grünbuch behandelt vor allem folgende Themen: angemessene Einkommen im Ruhestand sichern und für
langfristig nachhaltige Pensions- und Rentensysteme sorgen; ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Dauer
des Arbeitslebens und des Ruhestandes erreichen und Möglichkeiten schaffen, um länger im Arbeitsleben
zu bleiben;
Hindernisse für Menschen, die in verschiedenen EU-Ländern arbeiten, bei Pensions- und Rentenprodukten
beseitigen; im Gefolge der Wirtschaftskrise Pensionen und Renten sowohl jetzt als auch langfristig besser abzusichern;
für mehr Transparenz bei Pensionen und Renten sorgen, damit die Menschen fundierte Entscheidungen für
ihr eigenes Ruhestandseinkommen treffen können.
Kritik an Tendenz des Grünbuchs
In der Diskussion unterstrichen vor allem die Abgeordneten der SPÖ die Bedeutung des staatlichen Umlagesystems
für die Pensionssicherung. Abgeordnete Christine Muttonen (S) wies darauf hin, dass es gerade die erste Säule
gewesen sei, die die Sicherung der Pensionen auch im Zuge der Finanzkrise gewährleisten konnte. Sie habe den
Eindruck, dass die Kommission nun versuche, sich in die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten einzumischen. Ähnlich
argumentierte Abgeordnete Renate Csörgits (S). Sie anerkannte zwar das Bekenntnis der EU zur Sicherung der
öffentlichen Pensionssysteme, ihr fehlte aber im Grünbuch der entsprechende Schwerpunkt. Abgeordneter
Wilhelm Haberzettl (S) stellte die grundsätzliche Frage in den Raum, ob eine europäische Rentenstrategie
überhaupt erkennbar ist.
Auch Abgeordneter Karl Öllinger (G) bewertete die Stoßrichtung des Grünbuchs eher negativ. Die
Kommission versuche durch die Forcierung der zweiten und dritten Säule den neoliberalen Kurs voranzutreiben,
bemängelte er. Wenn man im Rahmen der kapitalgedeckten Systeme eine Mindestgarantie als Ausweg sehe, dann
ignoriere man, dass das ganze System durch die notwendigen Rückversicherungen wesentlich teurer werde. Öllinger
hielt vor allem die österreichische Lösung für die zweite und dritte Säule für eine denkbar
schlechte und nannte sie äußerst intransparent. Außerdem zieht die Kommission Öllinger zufolge
falsche Vergleiche, sodass die Darstellung der Situation in Österreich stark verzerrt sei.
Abgeordneter Karl Donabauer (V) hielt eine europaweite Diskussion über gewisse Grundnormen für notwendig,
vor allem verlange die zunehmende Mobilität der Menschen den Abbau von Hindernissen, die durch die unterschiedlichen
Sozialsysteme der Mitgliedsstaaten bestehen. Er sah einen dringenden Handlungsbedarf bei der Sicherung der Pensionssysteme,
insbesondere auf Grund der demographischen Entwicklung in Europa. Die jungen Menschen hätten immer weniger
Vertrauen in die Pensionssysteme, sagte er. Sein Klubkollege Oswald Klikovits (V) unterstützte die Zielsetzung
der EU, die Pensionen europaweit zu sichern, und bemerkte, in Österreich habe man mit der Pensionsreform des
Jahres 2003 die richtigen Weichen gestellt. Innerstaatlich trat er dafür ein, das faktische Pensionsantrittsalter
an das gesetzliche Pensionsalter heranzuführen. Letzterem stimmte auch der Sozialminister zu.
Völlig ablehnend zu dem Grünbuch fielen die Wortmeldungen von FPÖ und BZÖ aus. Abgeordneter
Johannes Hübner (F) meinte, die EU produziere Papiere in Bereichen, wo sie keine Kompetenzen habe. Abgeordnete
Ursula Haubner (B) erinnerte ebenfalls an die Pensionsreform 2003, womit ihrer Meinung nach in Österreich
die Basis für die Stabilität des Systems auch während der Krise gelegt worden sei. In ihrem Antrag
auf Ausschussfeststellung verlangte sie daher auch vom Sozialminister, dass dieser im Rahmen seiner Reaktion auf
das Grünbuch die genannte Pensionsreform als Maßnahme der rechtzeitigen Gegensteuerung sowie als Grundlage
für die künftige Sicherung der staatlichen Pensionen hervorstreichen sollte. Der Antrag wurde jedoch
von den anderen Parteien abgelehnt.
In seiner abschließenden Stellungnahme begrüßte Sozialminister Rudolf Hundstorfer die Bemühungen
der EU-Kommission, eine europaweite Diskussion über die Sicherung der Pensionssysteme zu initiieren. Im Zuge
der zunehmenden Mobilität sei es notwendig, grenzüberschreitende Fragen zu klären. Es gehe darum,
die unterschiedliche Entwicklung des Sozialschutzes zu analysieren, Informationen auszutauschen und Indikatoren
zu entwickeln, erläutere Hundstorfer. Er werde aber darauf drängen, dass die Bedeutung der staatlichen
Säule sowie die Angemessenheit stärker betont wird, wiederholte er mit Nachdruck. Die Pensionssysteme
seien dazu da, die Lebensstandards der Menschen langfristig abzusichern. Die Kommission habe in ihrem Grünbuch
völlig ausgeblendet, dass die kapitalgedeckten Systeme teuer sind und die Solidarität nicht berücksichtigen. |