Wien (öaw) - Der Victor-Hess Preis des Jahres 2010 wurde an Wolfgang
Dungel verliehen. Diese Auszeichnung, die jährlich vom Fachausschuss für Kern- und Teilchenphysik der
Österreichischen Physikalischen Gesellschaft vergeben wird, prämiert seine Arbeit "Precision measurements
of the CKM-matrix element |V_{cb}| and the form factors of semileptonic decays of B mesons".
Wolfgang Dungel verfasste seine Dissertation als Forschungsassistent am Institut für Hochenergiephysik der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und als Mitglied der internationalen "Belle"
Kollaboration mit Sitz am Gelände der Japanischen Hochenergiephysikagentur KEK in Tsukuba, Japan. Das Hauptziel
von Belle ist es, die Theorie der beiden japanischen Physiker Kobayashi und Maskawa zu untersuchen. Diese Theorie
ermöglicht es im Rahmen des Standardmodells der Teilchenphysik eine Asymmetrie zwischen Materie und Anti-Materie
zu beschreiben, die sogenannte "CP-Verletzung". Für diese Entwicklungen wurden Kobayashi und Maskawa
2008 mit dem Nobelpreis in Physik ausgezeichnet.
Die Analyse, die von Wolfgang Dungel im Rahmen seiner Dissertation durchgeführt wurde, untersucht eines der
Elemente der CKM-Matrix, bezeichnet als |V_{cb}|, welche den Hauptbestandteil der Theorie von Kobayashi und Maskawa
darstellt. Hierfür wurden Zerfälle von bottom quarks untersucht, bei denen jeweils ein charm quark, ein
leichtes, geladenes Lepton sowie ein Neutrino entstehen. Das Neutrino stellte eine der Schwierigkeiten der Analyse
dar: der Belle Detektor ist nicht in der Lage diese Teilchen nachzuweisen. Um den Zerfall trotzdem mit hoher Genauigkeit
vermessen zu können, wurde eine spezielle Rekonstruktionsmethode entwickelt, in der sämtliche Informationen
einbezogen wurden, die der Detektor zur Verfügung stellen kann. Aufgrund des hervorragenden Betriebs des Belle
Detektors konnte diese Aufgabe mit hervorragender Präzision gelöst werden und die Resultate, welche kurz
vor der endgültigen Publikation stehen, stellen die derzeit weltweit genaueste Bestimmung dieses Bestandteils
der Teilchenphysik dar. Eine weitere Folge dieser Analyse ist es, dass nun ein funktionstüchtiger Algorithmus
zur Berechnung des Weltmittelwerts der untersuchten Größen vorhanden ist und im Rahmen der internationalen
Heavy Flavor Averaging Group angewendet wird.
Präzisionsmessungen wie die von Wolfgang Dungel im Rahmen der Belle-Kollaboration durchgeführte erlauben
nicht nur ein besseres quantitatives Verständnis von Naturkonstanten, sondern schließen auch mögliche
Abweichungen vom Standardmodell der Teilchenphysik aus. Im Prinzip ist es möglich, auf diese Art Spuren von
neuer Physik jenseits des Standardmodells zu entdecken. Präzisionsmessungen in B-Zerfällen ergänzen
daher die Suche nach Neuer Physik bei den höchsten Energien, und sind ein wichtiges Komplement zu den LHC
Experimenten. Die weltweit genaueste Messung des CKM-Matrix Elementes |V_{cb}| im Rahmen der Dissertation Wolfgang
Dungels liefert ein hervorragendes Beispiel für den Erfolg des Nachwuchses in der österreichischen Teilchenphysik.
Zusätzlich zu seiner wissenschaftlichen Tätigkeit vermittelt Wolfgang Dungel seine Begeisterung für
die Physik auch der interessierten Öffentlichkeit, zum Beispiel durch die Mitorganisation der Masterclasses
und die Teilnahme am FameLab 2009 und 2010, einem internationalen Wettbewerb für Wissenschaftsvermittlung.
Seit 2009 ist er außerdem Mitglied in der European Particle Physics Outreach Group (EPPOG).
Der diesjährige Victor-Hess Preis wird zu gleichen Teilen vom Bundesministerium für Wissenschaft und
Forschung und der Bank Austria Creditanstalt gefördert. |