Innsbruck (universität) - Die Verschränkung von mehreren Quantenobjekten
kann erstaunlich vielfältige Formen annehmen. Quantenphysiker der Universität Innsbruck um Prof. Rainer
Blatt und Dr. Julio Barreiro haben an vier miteinander verschränkten Ionen die Dynamik der Verschränkung
bis ins Detail untersucht. Die nun in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlichten Ergebnisse liefern
grundlegende Erkenntnisse darüber, wie die Quantenphysik vieler Teilchen zu verstehen ist. Dies ist für
die weitere Entwicklung des Quantencomputers, aber auch für das Verständnis des quantenphysikalischen
Verhaltens vieler Teilchen wichtig.
Verschränkung gehört zu jenen faszinierenden Eigenschaften der Quantenwelt, die für das Alltagsverständnis
nur schwer greifbar sind. Nach den Gesetzen der Quantenmechanik bilden zwei oder mehrere verschränkte Teilchen
ein physikalisches Gesamtsystem, das nicht allein aus den Zuständen der einzelnen Teilchen erklärt werden
kann. Dies hat zum Beispiel zur Folge, dass verschränkte Quantenobjekte auch über sehr große Distanzen
miteinander verbunden bleiben. Die Quantenphysik macht sich diese Eigenschaft zunutze, um zum Beispiel Konzepte
für die Quanteninformationsverarbeitung zu entwickeln. Denn gerade die Verschränkung vieler sich überlagernder
Zustände wird es wahrscheinlich zukünftigen Quantencomputern erlauben, bestimmte hochkomplexe Rechenaufgaben
sehr einfach und rasch zu lösen.
Das Team um Rainer Blatt vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck arbeitet seit
Jahren sehr erfolgreich an der Realisierung eines Quantencomputers. Physiker seiner Forschungsgruppe haben nun
die Eigenschaften der Verschränkung in einem System aus mehreren Teilchen näher untersucht. Dazu verschränkten
die Physiker in einer Vakuumkammer vier Ionen miteinander und studierten die Veränderung der Verschränkung
während sie den störenden Einfluss der Umgebung verstärkten. „Dadurch verändert sich die Art
der Verschränkung zwischen den Teilchen, und wir konnten eine ganze Reihe von sehr interessanten Zuständen
beobachten“, sagt der Erstautor der Studie, Julio Barreiro. „Es zeigte sich, dass die Verschränkung von mehreren
Teilchen eine sehr vielfältige Dynamik aufweisen kann.“ Die Ergebnisse gehen weit über das hinaus, was
bisher durch Untersuchungen an zwei verschränkten Teilchen bekannt war und bilden eine wichtige Grundlage
für das Verständnis des quantenphysikalischen Verhaltens vieler Teilchen, wie sie etwa auch in einem
Quantencomputer zusammenwirken. Darüber hinaus geben sie Aufschluss über das Verständnis davon,
wie die Quantenwelt bei zunehmender Beobachtung in unsere klassische Alltagswelt übergeht. Die Forschungsarbeit
wurde nun in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlicht.
Im Rahmen des Experiments, das vom Wissenschaftsfonds FWF, der Europäischen Kommission und der Tiroler Industrie
unterstützt wurde, haben die Innsbrucker Physiker auch neue theoretische Werkzeuge für die Beschreibung
von verschränkten Zuständen und neue experimentelle Techniken für die Kontrolle der Teilchen und
ihrer Umgebung entwickelt.
Publikation: Experimental multiparticle entanglement dynamics induced by decoherence. J. T. Barreiro, P. Schindler,
O. Gühne, T. Monz, M. Chwalla, C. F. Roos, M. Hennrich, R. Blatt. Nature Physics. 27. September 2010. (DOI:10.1038/NPHYS1781) |