»Kernschein« gibt Einblicke in früheste Phase der Sterngeburt
Heidelberg (idw) - Die Geburt der Sterne liegt buchstäblich im Dunkeln: Tief im Inneren von
Gas- und Staubwolken, aus denen kein Licht nach außen dringt, beginnt Materie unter der eigenen Schwerkraft
zu kollabieren. Jetzt hat eine Gruppe von Astronomen im Inneren einer Vielzahl solcher Wolken ein neues astronomisches
Phänomen nachweisen können: den Umstand, dass Infrarotlicht an größeren Staubteilchen im Wolkeninneren
gestreut wird. Der »Kernschein« liefert Informationen über die frühesten Phasen der Sternentstehung.
Die neuen Ergebnisse werden am 24. September 2010 in der Zeitschrift Science veröffentlicht.
Sterne entstehen, wenn besonders dichte Gebiete kosmischer Gas- und Staubwolken (»Molekülwolken«)
unter der eigenen Schwerkraft kollabieren und sich dabei soweit verdichten und aufheizen, dass Kernfusionsreaktionen
einsetzen. Auch unsere Sonne ist so entstanden, und die Kernfusionsreaktionen sind für das stete Leuchten
unseres Heimatsterns verantwortlich, das Voraussetzung für alles Leben auf der Erde ist. Die in der kollabierenden
Wolke enthaltenen Staubteilchen sind das Rohmaterial für die Entstehung von erdähnlichen Planeten um
die neu entstandenen Sterne.
Was in den Frühstadien eines solchen Kollapses passiert, ist weitgehend ungeklärt. Jetzt hat ein internationales
Forscherteam unter der Leitung von Laurent Pagani (LERMA, Observatoire de Paris) und Jürgen Steinacker (Max-Planck-Institut
für Astronomie) ein neuartiges Phänomen entdeckt, das eine Vielzahl von Informationen über eben
diese früheste Phase der Stern- und Planetenentstehung verspricht: den »Kernschein« (englisch
»coreshine«) der Wolken. Dabei handelt es sich um unsere Galaxie durchflutendes Infrarotlicht, das
von Staubteilchen im Inneren solcher Wolken gestreut wird. Das gestreute Licht liefert Hinweise auf die Größe
und Dichte der Staubteilchen, das Alter der Wolke, die räumliche Verteilung des Gases, die Entstehung des
Rohmaterials für die spätere Bildung von Planeten und chemische Prozesse im Inneren der Wolke.
Die Entdeckung beruht auf Beobachtungen mit dem NASA-Weltraumteleskop SPITZER. Im Februar dieses Jahres hatten
Steinacker und Pagani mit Kollegen aus Grenoble und Pasadena bei Untersuchungen der Molekülwolke L 183 im
Sternbild Serpens Caput (»Kopf der Schlange«), rund 360 Lichtjahre von uns entfernt, unerwartete Mittelinfrarotstrahlung
nachgewiesen, die aus den dichtesten Regionen der Wolke zu stammen schien. Im Vergleich mit aufwändigen Simulationen
konnten die Astronomen zeigen, dass es sich um die Streustrahlung größerer Staubteilchen (Durchmesser
rund 1 Mikrometer) handeln musste. Die neue Science-Veröffentlichung beschreibt jetzt Nachfolgeuntersuchungen
an insgesamt 110 solcher Quellen, die mit Spitzer beobachtet worden waren und zwischen 300 und 1300 Lichtjahre
von der Erde entfernt sind. Die Untersuchungen belegen, dass es sich um ein weit verbreitetes astronomisches Phänomen
handelt: Kernschein ließ sich in rund der Hälfte der untersuchten Wolken nachweisen und ist auch dort
mit den dichtesten Wolkenregionen assoziiert.
Die Entdeckung des Kernscheins motiviert eine Vielzahl neuer Beobachtungsprojekte – sowohl für das Weltraumteleskop
Spitzer als auch für das James Webb-Weltraumteleskop, das 2014 gestartet werden soll. Bereits jetzt liefert
die neue Beobachtungsart neue Einblicke in das Innere der Geburtsstätten von Sternen: Das unerwartete Vorhandensein
größerer Staubteilchen (Durchmesser rund 1 Mikrometer) zeigt, dass Staubteilchen bereits in der Vorphase
des Wolkenkollapses verklumpen und dadurch größer werden. Interessant ist auch das Beispiel einer Region
im südlichen Sternbild »Segel des Schiffs« (Vela), in deren verschiedenen Wolken kein Kernschein
nachweisbar war. Steinacker und seine Kollegen vermuten, dass Sternexplosionen (Supernovae), von denen man weiß,
dass sie in diesem Gebiet stattgefunden haben, die größeren Staubteilchen zerstört haben könnten. |