Nationalrat diskutiert Immunitätsangelegenheiten
Wien (pk) - Zu einer kurzen, aber heftigen Debatte kam es in der Sitzung des Nationalrats vom 23.09.
im Zusammenhang mit der Auslieferung bzw. Nichtauslieferung von Abgeordneten. Einer Auslieferung stimmte der Nationalrat
bei den Abgeordneten Heim-Christian Strache, Gerhard Kurzmann (beide F) und Stefan Petzner (B) zu, abgelehnt wurde
hingegen die Auslieferung der Abgeordneten Peter Pilz und Gabriela Moser (beide G).
Noch vor der Debatte über Auslieferungen haben die Abgeordneten den Bericht der Bundesministerin für
Unterricht, Kunst und Kultur betreffend die Jahresvorschau 2010 ohne Debatte einstimmig zur Kenntnis genommen und
dem Unterrichtsausschuss zugewiesen. (Die Vorlage war zuvor im Kulturausschuss beraten worden.) Außerdem
wurde ein Antrag der FPÖ auf Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes in Erster Lesung in Verhandlung
genommen.
Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) wies darauf hin, dass im Allgemeinen das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht
auf dem Abstammungsprinzip beruhe. Er begründete seine Forderung nach einer Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes
damit, dass es viele Fälle des Missbrauchs des Staatsbürgerschaftsrecht gebe, weil der Erwerb der Staatsbürgerschaft
für in Österreich geborene Kinder ausländischer Eltern zu leicht gemacht worden sei.
Abgeordnete Gisela WURM (S) sah in dieser Frage keinen Änderungsbedarf. Es gebe im Gesetz ganz unterschiedliche
Privilegierungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft, die gültige Regelung für Kinder, die
sechs Jahre hier gelebt haben, sei völlig gerechtfertigt.
Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) sah ein wichtiges Thema, das durch die FPÖ angesprochen worden sei. Es bestehe
aber kein Anlass, hier übereilt tätig werden und eine Panikmache sei gänzlich unangebracht. Man
werde die Frage im Ausschuss weiterdiskutieren.
Abgeordnete Alev KORUN (G) wies auf zahlreiche Verschärfungen im Staatsbürgerschaftsgesetz und einen
massiven Rückgang der Einbürgerungen in den letzten Jahren hin. Man verweigere jetzt schon in vielen
Fällen Kindern, die in Österreich aufgewachsen sind und nie woanders gelebt haben, die Staatsbürgerschaft
und damit die Integration. Die von der FPÖ vertretenen Vorstellungen seien katastrophal für das Zusammenleben
in diesem Land.
Abgeordneter Ewald STADLER (B) meinte, er sei auch der Meinung, dass die "Verschenkung" der Staatsbürgerschaft
an Sechsjährige nicht ein akutes Problem sei. Er sprach sich aber dafür aus, die Widerrufsmöglichkeiten
im Staatsbürgerschaftsgesetz auszuweiten und die Staatsbürgerschaft beispielsweise wieder zu entziehen,
wenn sie erschlichen wurde oder der Betroffene während einer Beobachtungsphase straffällig geworden sei.
Abgeordnete Alev KORUN (G) nahm auf einen von Abgeordnetem Ewald Stadler angesprochenen Fall Bezug und setzte sich
wie Stadler für die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen seit der Geburt in Österreich lebenden
staatenlosen Bürger ein.
Zweiter Nationalratspräsident Fritz NEUGEBAUER wies den Antrag 1135/A dem Innenausschuss zu.
Immunitätsangelegenheiten
Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) übte scharfe Kritik an den Entscheidungen des Immunitätsausschusses
und meinte, in den vorliegenden Fällen würde Gleiches ungleich behandelt. So zeigte er etwa kein Verständnis
dafür, dass der Ausschuss bei Abgeordnetem Pilz sehr wohl einen Zusammenhang zwischen der inkriminierten Handlung
und seiner politischen Tätigkeit sehe, bei Abgeordnetem Kurzmann und Abgeordnetem Strache einen solchen Zusammenhang
aber verneine, obwohl es etwa im Fall von Strache um Vorkommnisse bei einer Parteiveranstaltung gehe. Rosenkranz
zufolge wollte die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt das Verfahren gegen Strache überdies bereits einstellen,
habe aber eine gegenteilige Weisung erhalten. Irritiert ist Rosenkranz auch darüber, dass die Medien vorab
über die Entscheidungen des Immunitätsausschusses und des Nationalrats berichtet hätten.
Auch Abgeordneter Ewald STADLER (B) kritisierte die mediale Berichterstattung über die vorliegenden Immunitätsfälle
und sprach von willkürlichen Entscheidungen des Immunitätsausschusses. Seiner Ansicht nach wird das Instrument
der Immunität missbraucht, um Abgeordnete bestimmter Oppositionsfraktionen zu diskreditieren. Er forderte
in diesem Sinn die Abschaffung der außerberuflichen Immunität und sprach sich stattdessen für einen
wirksamen InformantInnenschutz aus. Als geradezu "grotesk" wertete Stadler, dass die Mehrheit des Immunitätsausschusses
keinen Zusammenhang zwischen dem Vorwurf der falschen Zeugenaussage gegenüber Strache und dessen politischer
Tätigkeit sieht.
Abgeordneter Dieter BROSZ (G) verteidigte dem gegenüber die Entscheidungen des Immunitätsausschusses
und verwahrte sich gegen den Vorwurf der Willkür. Der Immunitätsausschuss habe sich an die geltende Auslieferungspraxis
gehalten, zuletzt seien auch Abgeordnete der Koalitionsparteien und der Grünen ausgeliefert worden, argumentierte
er. Für Brosz ist klar, dass die inkriminierte Handlung in Zusammenhang mit der Tätigkeit als Abgeordneter
stehen müsse, um von der Immunität geschützt zu sein. Sowohl bei Abgeordnetem Petzner als auch bei
Abgeordnetem Kurzmann gehe es aber um einen Landtagswahlkampf. Auch eine Auslieferung bei falscher Zeugenaussage
erachtet Brosz für schlüssig. Skeptisch äußerte er sich zur von Stadler geforderten vollständigen
Abschaffung der außerberuflichen Immunität.
Abgeordneter Ewald STADLER (B) widersprach in einer zweiten Wortmeldung der Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen
durch Brosz und blieb bei seinen Vorwürfen.
Der Nationalrat folgte den Empfehlungen des Immunitätsausschusses und machte damit den Weg für die behördliche
Verfolgung von FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache, Abgeordnetem Stefan Petzner (B) und Abgeordnetem Gerhard
Kurzmann (F) frei. Gegen Strache ermittelt die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wegen möglicher falscher
Zeugenaussage und Verleumdung, in Bezug auf Abgeordneten Petzner geht die Korruptionsstaatsanwaltschaft dem Verdacht
der Untreue nach. Abgeordneter Kurzmann wird von der Staatsanwaltschaft Graz der Verhetzung und der Herabwürdigung
religiöser Lehren verdächtigt.
Nicht ausgeliefert werden die Grün-Abgeordneten Peter Pilz und Gabriela Moser. In diesen beiden Fällen
geht der Nationalrat von einem Zusammenhang zwischen der behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit
der Abgeordneten aus. Beide Male geht es um den Vorwurf der üblen Nachrede.
In einer weiteren (78.) Sitzung des Nationalrats erfolgten in der Geschäftsordnung vorgesehene Zuweisungen
und Mitteilungen. |