An der Technischen Universität (TU) Wien wurde eine neue Brückenbaumethode entwickelt,
die Zeit und Kosten sparen soll.
Wien/Gars am Kamp (tu) - Eine tonnenschwere Brücke wird aufgespannt wie ein Regenschirm – wenn es
nach Prof. Johann Kollegger von der TU Wien geht, ist das die Zukunft des Brückenbaus. In einem spektakulären
Pilotversuch wurde am 23.09. ein neues Brückenbauverfahren getestet, das am Institut für Tragkonstruktionen
der TU Wien entwickelt worden ist.
Im Bauingenieurwesen ist nicht nur entscheidend, dass ein Bauwerk nach seiner Fertigstellung stabil stehenbleibt,
auch über den Bauprozess selbst muss man sich Gedanken machen. Eine Kuppel ist zunächst noch instabil
und muss gestützt werden, bis der abschließende Schlussstein oben angebracht ist, und auch auf die Bauteile
einer Brücke wirken starke Kräfte, während sie in die richtige Position gebracht werden. Es kommt
also auf eine kluge Strategie an, vorgefertigte Bauteile effizient aneinanderzufügen.
Ein Turm streckt seine Arme aus
Prof. Johann Kollegger und sein Team vom Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien haben eine völlig
neue Brückenbaumethode entwickelt: Die einzelnen Teile der Brücke werden zunächst aus Beton-Elementen
hergestellt, deren Wände nur einige Zentimeter dick sind. Die Teile werden senkrecht montiert und zu einem
etwa 26 Meter hohen, schlanken Turm aus Beton zusammengefügt, der dann mithilfe eines Krans auseinandergeklappt
wird. In kurzer Zeit stellt man so eine Tragkonstruktion fertig, die dann nur noch ausbetoniert werden muss. „Diese
Methode wurde von uns bereits international zum Patent angemeldet, wir erwarten durch diese Technik eine deutliche
Kosteneinsparung im Brückenbau“, meint Prof. Johann Kollegger.
Stahlbeton brechen für die Wissenschaft
Um so eine Idee in die Tat umzusetzen, sind aufwändige Forschungsarbeiten nötig. Während des Ausklappvorganges
müssen sich die Bauelemente an mehreren Knotenpunkten gegeneinander drehen. „Verbindende Gelenke herzustellen,
die das Ausklappen unbeschadet überstehen, war für uns die größte Herausforderung“, erklärt
Prof. Kollegger. Die Gelenke wurden aus Beton und Stahl gebaut und mithilfe von Stahlseilen so lange belastet bis
sie zerbrachen. Daraus gewann man wichtige Daten über die Belastbarkeit der Konstruktion. Auch ein verkleinertes
Brückenmodell mit einer Spannweite von 15 Metern wurde versuchsweise errichtet, um den Klappmechanismus zu
testen.
Nachdem alle nötigen Vorversuche erfolgreich abgeschlossen waren, wurde es nun Zeit, die Brücke in Originalgröße
zu errichten. In Gars am Kamp wurde die Betonkonstruktion versuchsweise aufgestellt. Eine fast 26 Meter hohe Konstruktion
aus Fertigteilträgern wurde montiert und dann erfolgreich zu einer etwa 50 Meter langen Brücke ausgeklappt.
Umweltfreundlich und kostengünstig
Die Anwendung dieser Klapp-Methode bei konkreten Bauprojekten ist bereits geplant. Neben Zeit- und Kostenersparnis
ist auch die Umweltfreundlichkeit ein wichtiger Vorteil der neuen Brückenbauweise. „Das Aufstellen einer aufwändigen
Schalungskonstruktion auf der Baustelle entfällt. Damit können Ressourcen eingespart werden“, erklärt
Prof. Johann Kollegger. Die Belastung des Baustellenumfelds wird deutlich verringert – besonders der Baulärm
und die Staubbelastung können entscheidend reduziert werden.
Beste Kontakte zur Wirtschaft
Wie zukunftsweisend und praxisnah das Projekt ist, erkennt man alleine schon an der eifrigen Beteiligung von Wirtschaftsunternehmen:
Der Verband der Österreichischen Beton- und Fertigteilwerke (VÖB) koordinierte das Forschungsprojekt,
in dessen Rahmen die Klappbrücke entwickelt wurde. Finanziert wurde es von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft
(FFG), der ASFINAG, der ÖBB-Infrastruktur AG und der Fertigteilindustrie.
Die TU Wien war nicht nur für die Entwicklung der Technologie und die vorbereitenden Versuche verantwortlich,
auch die Bauleitung lag in den Händen von Prof. Johann Kollegger. Die eigentlichen Bauarbeiten wurden von
Spezialfirmen durchgeführt: Die Firma Oberndorfer GmbH & Co KG stellte die Beton-Fertigteile her, auch
das Vorspannen der Bauteile (Grund- Pfahl- und Sonderbau GmbH, Himberg) und das Ausbetonieren der Fertigteile (Swietelsky
Bauges. mbH, Wien) wurde von Partnerunternehmen aus der Industrie übernommen. |