Weitere Belastungen kosten Arbeitsplätze – Die Unternehmen haben für die Krise bezahlt
und sorgen dennoch für ein "kleines österreichisches Jobwunder"
Wien (pwk) - "Österreich ist mit einer Arbeitslosenrate von zuletzt 3,8% an der Spitze
der EU-Hitparade gelandet", betont Dr. Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftslammer Österreich
(WKÖ). Dass dieses "kleine österreichische Jobwunder" trotz gesunkener Wirtschaftsleistung
gelungen ist, sei den Bemühungen der österreichischen Unternehmen in Zusammenwirken mit der Bundesregierung
und den gemeinsamen Akut- und Konjunkturmaßnahmen gegen die Krise sowie den Bemühungen des AMS zu verdanken.
Die heimischen Betriebe hätten in der Krise größtmögliche Flexibilität gezeigt und dadurch
86.000 Jobs gerettet, streicht Leitl hervor. Damit wurden dem Staat auch enorme Kosten etwa beim Arbeitslosengeld
erspart.
Der Hintergrund: Die Wirtschaft ist 2009 im Vergleich zu 2008 um 3,9% geschrumpft. Die Beschäftigung ist jedoch
nur um 1,4% zurückgegangen, von 3,420 auf 3,373 Mio. Arbeitnehmer (jeweils Jahresschnitt 2008 bzw. 2009).
"Die österreichischen Unternehmen fühlen sich für ihre Mitarbeiter verantwortlich. Man trennt
sich nicht leichtfertig, Österreich ist kein Hire-and-Fire-Land", so Leitl. Die Unternehmen haben in
der Krise zu einer Palette von Maßnahmen gegriffen, um Personalabbau hintan zu halten: Durch den Einsatz
von Kurzarbeit wurden laut OECD 4000 Stellen erhalten, das IHS spricht sogar von 7000 Stellen. Zudem fielen 2009
um 41,4 Mio. Überstunden weniger an als im Jahr davor. Äußerst effektiv nutzten die Betriebe auch
Auftragsflauten für zusätzliche Ausbildungen, außerdem wurden Urlaube abgebaut und die Arbeitszeiten
auf betrieblicher Ebene so flexibel wie möglich gehalten.Zum Teil nahmen die Betriebe aber auch Unterauslastung
in Kauf, um Mitarbeiter zu halten.
Ein Schluss daraus liegt für Leitl auf der Hand: "Keine Angst vor flexiblen Arbeitszeiten, sie sind kein
Lohnraub, sondern bewiesener Maßen Arbeitsplatzsicherer und daher auszubauen". Auch das Instrument der
Bildungskarenz solle in Zukunft ausgebaut werden.
In Bezug auf die aktuelle Diskussion um Arbeitszeitverkürzungen bezieht der WKÖ-Präsident klar Position:
"Eine Arbeitszeitverkürzung kann kein Thema sein, weil klar ist, dass dies Jobs kostet, statt welche
zu schaffen". Wer dies nicht glaubt, solle etwa nach Frankreich schauen - "dort hat man Lehrgeld bezahlt,
das wir uns sparen sollten". Denn die Verteuerung des Faktors Arbeit erhöht den Druck auf den Standort
- und damit auf die Arbeitsplätze. Auch den Forderungen nach einem Mindestlohn von 1.300 Euro und einer Überstundenverteuerung
erteilt Leitl eine klare Absage. Die meisten Kollektivverträge liegen bereits auf dem Niveau, in Branchen
mit geringer Ertragskraft würde aber ein höherer Mindestlohn Jobs kosten, die wir gerade jetzt brauchen,
so Leitl. Überstunden sind, wie die Krise gezeigt hat, ein Puffer für Auftragsspitzen und -flauten. Ohne
diesen Puffer müssten die Betriebe bei Spitzen einstellen und bei Flauten gleich wieder freisetzen, was niemand
will.
In Richtung ÖGB stellt Leitl klar: Es stimme zwar, dass die Arbeitnehmer die Krise nicht verursacht hätten.
Doch das treffe auch auf die Selbständigen im Land zu, und diese "haben für die Krise weit mehr
bezahlt", wie sich mit aktuellen Zahlen belegen lässt: Während die Arbeitnehmer-Entgelte 2009 in
Summe um 0,9% gestiegen sind, sackten die Einkommen der Selbständigen um 8,6% ab.
Leitl stellt klar: "Dieses kleine österreichische Jobwunder können wir nur durch Wirtschaftswachstum
sichern, dies stärkt auch bei den Bemühungen um die Sanierung des Budgets". Eine klare Absage erteilt
Leitl in diesem Zusammenhang erneut Forderungen nach neuen Steuern: "Die Devise lautet: Erneuern statt besteuern".
Daher müsse man rasch die zahlreichen Einsparungspotenziale in der Verwaltung angehen. Allein im Schulwesen
könnten laut Leitl rund 700 Mio. Euro per anno eingespart werden. Aus seiner Sicht wäre es durchaus möglich,
auch nur ausgabenseitig zu sanieren. Die Wirtschaftsentwicklung, etwa dank des Exportes, laufe besser als noch
vor wenigen Monaten erwartet. Daher fehle weniger Geld in der Staatskasse als befürchtet: "Wenn der politische
Wille da ist, können wir mit Systemreformen bei Schule, Gesundheit, Pensionen das Budget nachhaltig auf den
richtigen Kurs bringen. Neue Steuern verunsichern nicht nur in Österreich, sondern auch im Ausland. Dadurch
wird das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Österreich in Frage gestellt", warnt der WKÖ-Präsident.
Eine von Gewerkschaften und Teilen der SPÖ propagierte Eigentumssteuer lehnt Leitl klar ab. Dagegen befürwortet
er eine Einbeziehung von Spekulationen ins Steuersystem, also eine Finanztransaktionssteuer. |