Würzburg (universität/idw) - Dass Pflanzen, die viel Zucker speichern,
süß schmecken, ist bekannt. Neu ist hingegen, dass diese Pflanzen auch mehr Ertrag bringen und sich
als deutlich resistenter gegen Kälte erweisen. Warum das so ist, haben Wissenschaftler der Universitäten
Würzburg und Kaiserslautern jetzt genauer untersucht.
Winzern und Weinliebhabern ist der Effekt zumindest vom Geschmack her vertraut: Je mehr Zucker eine Weintraube
in ihren Speichern, den sogenannten Vakuolen, trägt, desto süßer schmeckt sie und desto höher
ist der Oechsle-Grad. Das ist aber nur ein Effekt prall mit Zucker gefüllter Vakuolen. Wie der Kaiserslauterner
Biologe und Stoffwechselexperte Professor Ekkehard Neuhaus vor kurzem entdeckte, sorgt Zucker auch dafür,
dass Pflanzen plötzlich einbrechende Kälteperioden besser überleben können als zuckerarme Verwandte.
Außerdem wachsen sie stärker und tragen mehr Frucht – was wiederum den Winzer freuen dürfte.
Bei der Suche nach den molekularen Gründen dieser Effekte tat sich Neuhaus mit Rainer Hedrich zusammen. Hedrich
ist Inhaber des Lehrstuhls für Molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik der Universität Würzburg
und gefragter Experte auf dem Gebiet der Elektrophysiologie. Seit mehr als 20 Jahren zählt er zu den weltweit
bedeutendsten Wissenschaftlern, wenn es um die Erforschung des Membrantransports geht.
Überregionale Forschergruppe untersucht den Zuckertransport
In einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten überregionalen Forschergruppe untersuchten
Neuhaus, Hedrich sowie Arbeitsgruppen aus Erlangen und Heidelberg die Bedeutung von Zuckertransportern und den
daran beteiligten Protonenpumpen für das Überleben und den Ertrag der Pflanze. „Für Liebhaber von
fruchtigen Spätlesen könnte man die Frage auch so formulieren: ‚Wie kommen Zucker und Säure in den
Wein‘“, so Hedrich.
Was es mit Transportern, Protonenpumpen, Zucker und Säure auf sich hat? „Die Zusammensetzung und die Menge
der Inhaltsstoffe einer Vakuole hängen davon ab, welche Transport-Proteine in der Hüllmembran dieser
Vakuole sitzen“, erklärt Hedrich. Wichtige Vertreter dieser Transporter sind sogenannte Protonenpumpen, denn
sie treiben den Speicherprozess an.
Wie der Zucker in die Speicher gelangt
Unter Aufwendung von Energie schaffen diese Pumpen Protonen in die Vakuole hinein und sorgen so dafür, dass
die Vakuole viel mehr Protonen enthält als der sie umgebende Zellsaft. In diesem Konzentrationsgefälle
steckt Energie – die Protonen drängen mit aller Macht wieder hinaus aus der überfüllten Vakuole,
ähnlich wie Luft aus einem prall aufgeblasenen Ballon. Dies ist der Ansatzpunkt für die Zuckertransporter,
die in der Vakuolenmembran sitzen: Sie nutzen den energetisch begünstigten Ausstrom von Protonen, um nach
dem Austauschprinzip gleichzeitig Zucker in die Vakuole zu schaffen. Zwei solcher Protonen-Pumpen hat Hedrich erst
vor kurzem gemeinsam mit der Professorin Karin Schumacher von der Uni Heidelberg untersucht.
Über kältetolerante Mutanten zum Zuckertransporter
Obwohl das Phänomen des Protonen-getriebenen Zuckertransports schon in den 70er-Jahren entdeckt wurde, blieb
die molekulare Natur des Transportproteins bis vor kurzem im Dunkeln. Ein überlegter Glücksgriff sorgte
jetzt für Erhellung: Bei der Untersuchung einer bisher unbekannten Genfamilie der Modellpflanze Arabidopsis
thaliana – der Ackerschmalwand – entdeckte Neuhaus, dass die Pflanze plötzlich einbrechende Kälteperioden
besser überleben kann, wenn Kopien bestimmter Gene in den Transportproteinen eine verstärkte Aktivität
zeigen. Der Grund dafür: Die genetisch optimierte Pflanze speichert verstärkt Glukose in der Vakuole
und das wirkt wie ein Frostschutzmittel.
An diesem Punkt kam Rainer Hedrich ins Spiel, der mit der Analyse von Kanälen und Pumpen mittels hochempfindlicher
biophysikalischer Verfahren bestens vertraut ist. Noch während seiner Doktorarbeit im Labor des Nobelpreisträgers
Professor Erwin Neher war Hedrich 1984 mit Hilfe der sogenannten Patch-Clamp-Technik erstmals der funktionelle
Nachweis pflanzlicher Ionenkanäle gelungen. Mit exakt dieser Technik konnten er und seine Mitarbeiter nun
auf isolierten Vakuolen zeigen, dass Neuhaus tatsächlich den lang gesuchten Protonen-getriebenen Zuckertransporter
aufgespürt hatte.
Die Zeitschrift „Plant Physiology“ hat in ihrer Online-Ausgabe vom 13. August über diese Arbeit berichtet.
Die „Fakulty of 1000“ stuft diese Publikation als „Must read“, also als „muss man lesen“, ein.
Weitere ungeklärte Fragen
Natürlich bleiben auch nach dieser Entdeckung weitere Fragen bestehen. Ekkehard Neuhaus will nun herausfinden,
warum die Kälte-optimierten Arabidopsis-Pflanzen mehr Ertrag geben und ob sich dieser Ansatz auch auf Nutzpflanzen
ausdehnen lässt. Im Zentrum von Hedrichs Interesse stehen die Fragen: „Woran erkennt das Transportprotein,
welchen Zucker es transportieren soll?“ und „Wie holt die Pflanzenzelle den Zucker bei Bedarf wieder aus ihrem
Zentralspeicher heraus?“.
Increased Activity of the Vacuolar Monosaccharide Transporter TMT1 Alters Cellular Sugar Partitioning, Sugar
Signalling and Seed Yield in Arabidopsis. Karina Wingenter, Alexander Schulz, Alexandra Wormit, Stefan Wic, Oliver
Trentmann, Imke I. Hoermiller, Arnd G. Heyer, Irene Marten, Rainer Hedrich and Ekkehard Neuhaus. Plant Physiology,
DOI:10.1104/pp.110.162040 |