Großer Bahnhof für Außenminister Spindelegger in Regionalzentrum Samsun am Schwarzen
Meer
Samsun (apa/bmeia) - Wo Atatürk im Jahr 1919 seinen Befreiungskampf begonnen hat, setzt Österreich
zur "Eroberung" des zukunftsträchtigen Absatzmarktes rund um das Schwarze Meer an. Außenminister
Michael Spindelegger kam bei seinem Besuch in der nordtürkischen Hafenstadt Samsun aus dem Durchschneiden
von Eröffnungsbändern gar nicht mehr heraus: Der Bogen spannte sich vom örtlichen Baumax bis zum
Spatenstich für ein OMV-Gaskraftwerk im nahe gelegenen Terme. Und an der Universität Samsun werden Germanistik-Studenten
künftig in österreichischen Büchern schmökern können, die Bandbreite reicht von Thomas
Brezina bis Ingeborg Bachmann.
Vor Wirtschaftstreibenden der 1,2-Millionen-Stadt berichtete Spindelegger am Freitag launig, dass er sogar auf
dem Sessel von Regionalgouverneur Hüseyin Aksoy Platz genommen habe. "Ich habe heute für eine Minute
Gouverneur von Samsun sein dürfen. Das war eine sehr beeindruckende Minute." Der Minister versprach,
dass Österreich ein bedeutendes Investitionsvolumen für die im Zentrum der türkischen Schwarzmeerküste
gelegene Region aufstellen wird, "damit es nicht nur bei den Worten bleiben wird". Das am Freitag vom
Minister eröffnete neue Honorarkonsulat in den Räumlichkeiten der regionalen Wirtschaftskammer solle
der "Leuchtturm Österreichs" in der Region werden.
Spindeleggers Besuch wurde von den Einheimischen mit großem Interesse verfolgt. Es sei das erste Mal, dass
ein ausländischer Minister nach Samsun komme, hieß es. "Interesse Österreichs", jubelte
die Regionalzeitung "Arena" am Freitag in großen Lettern auf ihrer Titelseite. Darunter ein Foto,
auf dem Außenminister Spindelegger bei der Eröffnung einer Fotoausstellung in der Baumax-Filiale Samsun
am Donnerstagabend zeigt. Neben Gouveneur Aksoy hatte es sich auch der türkische Infrastrukturminister Mustafa
Demir nicht nehmen lassen, sich die Fotos von der Gastarbeiter-Realität im Wien der 1960er und 1970er Jahre
anzusehen. In der Snack-Bar neben dem Ausstellungsraum werden Sachertorten und Apfelstrudel zu bestem Wiener Kaffee
in verschiedensten Variationen - bis hin zum Franziskaner - gereicht.
Der im März eröffnete BauMax stellt mit 14.000 Quadratmetern Verkaufsfläche seine einheimischen
und internationalen Konkurrenten in den Schatten. Mittelfristig will die Baumarktkette, die vor allem das Know-how
türkischstämmiger Österreicher nützt, 30 Filialen in der Türkei betreiben und einen Umsatz
von 600 Millionen Euro erreichen. Angesichts der wachsenden Mittelschicht in der Türkei boomt der Heimwerkersektor,
viele Männer entdecken das Heimwerken als Hobby, erzählt der stellvertretende österreichische Handelsdelegierte
in Ankara, Christian Maier.
Handelsdelegierter Konstantin Bekos wies im Gespräch mit Journalisten darauf hin, dass die Türkei noch
großes Potenzial für die österreichische Wirtschaft biete. Viele Unternehmen kämen nämlich
auch aufgrund von festsitzenden Vorurteilen "gar nicht auf die Idee, in die Türkei zu gehen". Möglichkeiten
sieht er vor allem in den Bereichen Umwelttechnik, erneuerbare Energie oder auch bei der Ausstattung von Wintersportzentren.
Bekos zog einen Vergleich zu seinem bisherigen Einsatzort Slowakei. Dort gebe es 1.600 österreichische Unternehmensniederlassungen,
verglichen mit 130 in der Türkei.
Die Schwarzmeer-Region mit ihren 140 Millionen Einwohnern und ihrem großen Wirtschaftspotenzial gilt als
der große Zukunftsmarkt für die österreichische Wirtschaft. Samsun liegt nicht nur im Zentrum der
Region, Österreich knüpft dort auch an eine reiche geschichtliche Tradition an. Schon die Donaumonarchie
unterhielt eine diplomatische Vertretung in der Schwarzmeerstadt, der Bildhauer Heinrich Krippel schuf in den 1920er
Jahren die berühmte Reiterstatue Atatürks im Stadtzentrum.
Während in der Oper Samsuns derzeit "Gräfin Mariza" auf dem Spielplan steht, erklangen an der
Universität am Freitag klassische Klänge eines Streich-Quartetts. Unter großer Anteilnahme der
Studenten und begleitet unter anderem von Infrastrukturministers Demir weihte Spindelegger am Freitag eine Österreich-Bibliothek
an der Hochschule ein. Sie nimmt nun mit etwa 1.000 Bänden nun einen großen Teil der Fremdsprachenabteilung
ein. Die Österreich-Bibliothek sei "ein weiterer Baustein für die Zusammenarbeit zwischen der Türkei
und Österreich", sagte Spindelegger. Sie solle nicht nur der Fortbildung dienen, sondern auch ein Raum
sein, "wo man zusammenkommt", sagte Spindelegger, während Minister Demir die Vision einer "blühenden
Zukunft Samsuns mit dem Freund Österreich" entwarf |