Justizminister der EU schreiben Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren
fest
Brüssel (ec.europe) - Die Justizminister der EU-Staaten haben einen Richtlinienvorschlag angenommen,
der das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Strafverfahren gewährleistet. Die Europäische
Kommission und das Europäische Parlament hatten der Regelung bereits im Juni zugestimmt. Dies ist die erste
EU-Maßnahme überhaupt, mit der gemeinsame Mindestnormen für Verteidigungsrechte in Strafverfahren
festgelegt werden. Sie garantiert den Betroffenen das Recht auf Hinzuziehung eines Dolmetschers in Strafverfahren
vor allen Gerichten der EU und auf Rechtsberatung in ihrer Sprache. Eine solche Maßnahme, die EU-weit faire
Verfahren für jedermann sicherstellt, ist längst überfällig. Ihr werden weitere Maßnahmen
zur Festlegung gemeinsamer EU-Normen für Strafverfahren folgen. Die EU-Mitgliedstaaten haben nun drei Jahre
Zeit, um die EU-Regelung in innerstaatliches Recht umzusetzen.
Die Verabschiedung der ersten Richtlinie über Verfahrensrechte ist ein Meilenstein bei den Bestrebungen,
den Bürgern ein faires Verfahren zu garantieren. Für die Europäische Kommission ist dies ein wichtiger
erster Schritt zur Stärkung der Rechte der Verteidigung in Europa und zur Korrektur des ungleichen Kräfteverhältnisses
zwischen Verteidigung und Anklage, so Vizepräsidentin Viviane Reding, die für das Ressort Justiz zuständig
ist. Es ist ein großer Verdienst der Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, Baroness Sarah
Ludford, sowie des spanischen und belgischen Vorsitzes, dass diese Vorschriften so schnell angenommen werden konnten.
Jetzt ist es an den Mitgliedstaaten, sie möglichst bald in innerstaatliches Recht umzusetzen und anzuwenden,
damit sie den Bürgern zugute kommen. Wir sollten den Moment nutzen und mit verstärkter Kraft auf ein
ausgewogenes Verhältnis zwischen den Befugnissen der Anklage und den Verfahrensrechten der Verteidigung hinarbeiten.
Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn Parlament und Rat auch den Vorschlag der Kommission vom
Juli über die Rechtsbelehrung schnell aufgreifen würden.
Am 9. März legte die Kommission die erste einer Reihe von Maßnahmen zur Festlegung gemeinsamer EU-Normen
für Strafverfahren vor. Danach müssen die EU-Länder dafür sorgen, dass Verdächtigte und
Beschuldigte umfassende Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Anspruch nehmen können.
Das Europäische Parlament stimmte im Juni mit großer Mehrheit dem ausgehandelten Entwurf zu. Voraussetzung
dafür war ein Kompromiss, auf den sich Rat, Kommission und Parlament am 27. Mai verständigt hatten. Das
Parlament bestätigte diesen Kompromiss am 15. Juni.
Die Richtlinie garantiert den Bürgern das Recht auf Verwendung ihrer eigenen Sprache in Verhandlungen und
Vernehmungen in allen Abschnitten eines Strafverfahrens vor einem Gericht der EU. Darüber hinaus haben sie
Anspruch auf Information und Rechtsberatung in ihrer eigenen Sprache.
Die Kommission bestand auf das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Strafverfahren, weil es
entscheidend dazu beiträgt, die uneingeschränkte Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention
und der Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs sowie der Charta der Grundrechte zu garantieren.
Die Richtlinie garantiert zudem, dass die Bürger eine schriftliche Übersetzung aller maßgeblichen
Unterlagen wie der Anklageschrift erhalten und bei allen Anhörungen und Vernehmungen sowie bei Treffen mit
ihren Rechtsanwälten Anspruch auf Beiziehung eines Dolmetschers haben. Auf diese Rechte kann nur verzichtet
werden, wenn der Betreffende zuvor eine Rechtsberatung erhalten hat oder umfassend über die Konsequenzen eines
solchen Verzichts informiert worden ist.
Die Kosten der Übersetzung und Verdolmetschung trägt nicht die betroffene Person, sondern der Mitgliedstaat.
Ohne gemeinsame Mindestnormen, die ein gerechtes Verfahren garantieren, werden Justizbehörden eine Person
nur ungern an ein Gericht in einem anderen Land überstellen. Das kann zur Folge haben, dass EU-Vorschriften
zur Verbrechensbekämpfung wie der Europäische Haftbefehl nicht in vollem Umfang angewandt werden.
2007 wurde in 11 000 Fällen ein Europäischer Haftbefehl ausgestellt, 2005 nur in 6 900 Fällen. Nach
Ansicht der Kommission sollten die EU-Bestimmungen über die Verfahrensrechte, darunter das Recht auf Verdolmetschung
und Übersetzung, bei diesen Haftbefehlen in Zukunft grundsätzlich Anwendung finden.
Statt der üblichen zwei Jahre haben die EU-Mitgliedstaaten nun drei Jahre Zeit, diese Vorschriften umzusetzen,
damit die erforderlichen Übersetzungen angefertigt werden können.
Hintergrund
Nach dem Vertrag von Lisabon kann die EU Maßnahmen zur Stärkung der Rechte der EU-Bürger erlassen.
Da die ersten, umfassenden Vorschläge über Verfahrensrechte zur Gewährleistung fairer Verfahren,
die die Kommission 2004 unterbreitet hatte, nicht die einstimmige Unterstützung der EU-Regierungen erhielten,
verfolgt die Kommission jetzt, wie im Stockholmer Programm vom Dezember 2009 vorgesehen, einen Stufenansatz: in
den nächsten vier Jahren wird sie nach und nach Maßnahmen zu Verfahrensrechten vorlegen, die faire Verfahren
garantieren sollen.
Den Vorschlag für die zweite Maßnahme das Recht auf Rechtsbelehrung legte die Kommission im Juli
vor. Rat und Parlament sind bereits mit dem Kommissionsvorschlag befasst. Als nächstes plant die Kommission
für 2011 eine Richtlinie über das Recht auf Rechtsbeistand und das Recht auf Kommunikation mit Angehörigen,
Arbeitgebern und Konsularbehörden. |