Rezeptorblockade gibt wieder Kraft zum Atmen
Salzburg (universität) - In Europa leiden rund 30.000 Menschen an Mukoviszidose (auch Cystische
Fibrose, CF), einer erblichen und bislang unheilbaren Stoffwechselkrankheit. Aktuellste Forschungsergebnisse der
Universität Salzburg unter der Leitung von OR Dr. Wolf-Dietrich Krautgartner in Zusammenarbeit mit der DFG
Emmi Noether Forschungsgruppe um Prof. Dominik Hartl in München, können künftig zu einer wesentlichen
Verbesserung der Lebensqualität von CF-Patienten beitragen. Die Ergebnisse dieser Grundlagenstudie wurden
in der September-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht.
Bei an Mukoviszidose erkrankten Patienten kommt es in der Lunge zu vermehrter Absonderung eines zähen Schleims.
Ein wahrer Bakterienfänger, der häufige Entzündungen verursacht und die Atmungsfunktion negativ
beeinflusst. Angelockt durch Botenstoffe, sogenannte Chemokine, sammeln sich bei den durch Mukoviszidose ausgelösten
Entzündungen neutrophile Granulozyten (das sind weiße Blutzellen) im erkrankten Lungengewebe an. Diese
eigentlich nützlichen, Bakterien fressenden Immunzellen bilden dort aber auch mikroskopisch kleine Netzwerke
aus DNA und Proteinen, die sogenannten NETs (neutrophil extacellular traps). Bei Mukoviszidose-Patienten verursachen
diese eine zusätzliche Schädigung des Atmungssystems.
Ein internationales Forschungsprojekt unter der Leitung Prof. Dominik Hartl (München/Tübingen), durchgeführt
an der Abteilung für Elekronenmikroskopie des Fachbereichs Organismische Biologie der Universität Salzburg
(Leitung OR Dr. Wolf-Dietrich Krautgartner), hatte zum Ziel, diesen schädlichen Vorgang in Zukunft medikamentös
weitaus effizienter zu behandeln, als dies bisher möglich war. Das Forscherteam untersuchte Zellen aus den
Lungen von Patienten sowie von sogenannten „CF-Mäusen“ – transgenen Mäusen, in denen künstlich ein
Gendefekt, der Mukoviszidose hervorruft, erzeugt wurde. Dabei wurde der Chemokin-Rezeptor CXCR2 identifiziert,
der bei Mukoviszidose-Patienten die NETs-Bildung auslöst. Wird dieser Rezeptor blockiert, kann die schädliche
NETs-Bildung unterdrückt werden.
„Indem sie Bakterien bekämpfen, haben die NETs primär eine sehr positive Funktion. Jedoch nehmen sie
durch eine vermehrte Bildung bei CF-Patienten äußerst schlechten Einfluss auf den Krankheitsverlauf.
Werden die CXCR2-Rezeptoren blockiert, und somit die Bildung dieser DNA-Netze verhindert, führt das zu einer
deutlichen Verbesserung der Immunabwehr der Patienten“, so Ao. Prof. Walter Stoiber, stellvertretender Leiter der
Arbeitsgruppe Elektronenmikroskopie an der Universität Salzburg.
Atemwegsentzündungen bei Mukoviszidose effizient behandeln, ganz ohne Nebenwirkungen
Die Erkenntnis, dass die Bildung dieser Netze durch eine Blockade des Chemokin-Rezeptors CXCR2 verhindert
werden kann, ist ein entscheidender Schritt bei der Entwicklung einer effizienten Behandlung der Mukoviszidose
„Derzeit kommen unter anderem DNase-Sprays zum Einsatz, die NETs enzymatisch abbauen. Mit dem Ansatz, die NETs-Bildung
von Anfang an durch eine Blockade des Chemokin-Rezeptors zu verhindern, lässt sich das Problem aber elegant
lösen. Wir können die Krankheit damit zwar nicht heilen, aber zu einer Verbesserung der Lebensqualität
und auch der Verlängerung der Überlebenszeit von CF-Patienten beitragen“, so Dr. Wolf-Dietrich Krautgartner.
Für die Entwicklung anwendungsreifer Medikamente, die jene Rezeptoren blockieren, sind jedoch weitere Tests
und klinische Studien erforderlich.
Perfekter Kompetenz-Mix
Dr. Ljubomir Vitkov, praktizierender Zahnmediziner und Gastforscher an der Universität Salzburg, beschäftigt
sich seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Team der Abteilung für Elektronenmikroskopie mit der Untersuchung
von Entzündungsvorgängen im Mundraum. Dass die NETs-Bildung auch bei der Parodontose eine wesentliche
Rolle spielt, konnte dabei bereits nachgewiesen werden. Aufmerksam geworden durch die Publikationen Vitkovs, bot
Prof. Dominik Hartl an, bei den Untersuchungen zur NETs-Bildung bei Mukoviszidose mitzuarbeiten. Unter Einbindung
von Wissenschaftlern weiterer europäischer Universitäten mit unterschiedlichen Forschungskompetenzen
entstand eine fruchtbare Kooperation. Das Ergebnis ist die Veröffentlichung dieser Grundlagenstudie als Titelgeschichte
im Wissenschaftsmagazin Nature Medicine. Neben der Salzburger Forschungsgruppe und jener um Prof. Dominik Hartl
in München waren Forscher der Universitäten Heidelberg, Tübingen, Amsterdam und Homburg/Saarland
sowie des Helmholtz Zentrums München an den Untersuchungen maßgeblich beteiligt.
Mukoviszidose: Schleim als Bakterienfänger im Atmungssystem
Die Ursache dieser bislang noch unheilbaren Stoffwechselkrankheit ist ein genetischer Defekt. Dieser bewirkt eine
Störung der Funktion exokriner Drüsen in der Lunge, aber auch in Bauchspeicheldrüse, Leber, Darm
und Haut. In der Lunge bildet sich anstelle eines normalerweise flüssigen Sekrets zäher Schleim, der
nur schwer wieder abtransportiert werden kann. Als idealer Nährboden für Bakterien führt dieser
Schleim zu immer wiederkehrenden Lungenentzündungen, die das Lungengewebe dauerhaft schädigen. |