RH-Präsident Moser: Wachstum saniert Budget nicht automatisch
Wien (´pk) - Jüngste Prognosen der Wirtschaftsforscher geben Hoffnung auf Wachstum, Investitionen
und mehr Beschäftigung, kurz, auf ein Ende der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den dreißiger
Jahren. Auch Budgetdaten aus den Monaten Juni, Juli und August 2010 belegen steigende Steuereinnahmen und eine
rückläufige Defizitentwicklung. Diesbezügliche Berichte behandelte der Budgetausschuss unter dem
Vorsitz seines Obmannes Jakob Auer am 06.10. im Rahmen der begleitenden parlamentarischen Budgetkontrolle.
Im Mittelpunkt der Ausschusssitzung standen aber der Finanzschuldenbericht und der Bundesrechnungsabschluss über
das Jahr 2009, die die gravierenden finanziellen Folgen dokumentieren, die die Krise seit ihrem Beginn im Herbst
2008 im Bundeshaushalt, aber auch in den Budgets der Länder und Gemeinden hinterlassen hat. Daraus folgt die
Notwendigkeit einer Budgetkonsolidierung ab 2011 mit dem Ziel, ein Maastricht-konformes Defizit des Gesamtstaates
von maximal 3 % des BIP bis 2014 zu erreichen.
Während Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) die hohe Staatsverschuldung als Folge der Krise und nicht als Ausdruck
struktureller Probleme sah, warnte Rechnungshofpräsident Josef Moser vor der Illusion, eine bessere Konjunktur
könnte die Kluft zwischen Ausgaben und Einnahmen quasi automatisch schließen. FP-Abgeordneter Alois
Gradauer verwahrte sich gegen Steuererhöhungspläne, die den Wirtschaftsstandort belasten würden.
Abgeordneter Günter Stummvoll (V) sprach sich für strukturelle Reformen aus, um finanzielle Handlungsspielräume
wiederzugewinnen. Abgeordneter Rainer Widmann (B) verlangte eine Verwaltungsreform und Abgeordnete Ruperta Lichtenecker
(G) wandte sich bei der Budgetsanierung im Interesse der Zukunft des Landes gegen die Kürzung von Bildungs-
und Forschungsausgaben. Abgeordneter Jakob Auer äußerte einmal mehr Sorgen wegen der Verschlechterung
der finanziellen Situation vieler Gemeinden, insbesondere durch wachsende Sozial- und Gesundheitskosten. Abgeordneter
Christoph Matznetter (S) ortete die Ursachen für die hohe Verschuldung der Gemeinden hingegen in der seit
vielen Jahren sinkenden Lohnquote sowie darin, dass die Einheitswerte bei der Grundbesteuerung seit 1973 nicht
mehr angehoben wurden.
Für die FPÖ beantragte schließlich deren Budgetsprecher Alois Gradauer die Einführung einer
strukturellen Schuldenbremse, also eine verfassungsrechtlich abgesicherte Neuverschuldungsgrenze von 0,35 % des
BIP. Die Initiative wurde letztlich mit S-V-G-Mehrheit abgelehnt. Die Abgeordneten Kai Jan Krainer (S) und Günter
Stummvoll (V) hatten gegenüber Gradauer geltend gemacht, das neue Haushaltsrecht biete mit den Ausgabenobergrenzen,
die der Nationalrat jeweils im Frühjahr beschließt, ein besseres System der Schuldenbegrenzung als der
FPÖ-Antrag.
Debatte über die Staatsfinanzen im Jahr 2009
Abgeordneter Alois Gradauer (F) zeigte sich sehr besorgt wegen der im Jahr 2009 stark wachsenden Staatsverschuldung
und wies auf die zunehmende Verschuldung auch der Bundesländer hin. "Es brennt der Hut", formulierte
der Abgeordnete pointiert und sah dringenden Handlungsbedarf bei der Konsolidierung des Staatshaushalts, wenn man
verhindern wolle, dass die Zukunft kommender Generationen verspielt wird. Entschieden wandte sich der Mandatar
gegen Steuererhöhungen im Rahmen der Budgetkonsolidierung, weil dies die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts
gefährden würde.
Abgeordneter Bernhard Themessl (F) kritisierte heftig die Absicht der Bundesregierung, das Budget für 2011
erst im Dezember vorzulegen und sprach dabei von einem "Verfassungsbruch".
Abgeordneter Rainer Widmann (B) gab zu bedenken, dass bei den Staatsschulden im engeren Sinn die Verbindlichkeiten
für ÖBB und ASFINAG nicht berücksichtigt werden. Beziehe man diese "ausgegliederten" Schulden
ein, steige die österreichische Verschuldungsquote von 66,5 % auf über 70 %. Angesichts der katastrophalen
finanziellen Lage vieler Gemeinden drängte der Abgeordnete auf Hilfsmaßnahmen und auf einen neuen Finanzausgleich.
Kai Jan Krainer (S) erinnerte daran, dass die zunehmende Staatsverschuldung im Jahr 2009 nicht auf strukturelle
Ursachen zurückzuführen sei, sondern auf die Finanz- und Wirtschaftskrise. Wie sonst wäre es zu
erklären, dass in den Jahren vor Ausbruch der Krise die Schuldenquote gesenkt werden konnte. Krainer machte
auf die wichtige Rolle der Gemeinden als öffentliche Investoren aufmerksam und hielt Überlegungen für
angebracht, wie man diese volkswirtschaftliche Funktion der Gemeinden aufrecht erhalten könne.
Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) zitierte aus den Empfehlungen des Staatsschuldenausschusses, der vor Konsolidierungsmaßnahmen
warnt, die die Konjunktur gefährden könnten. Lichtenecker trat dafür ein, auf Budgeteinschnitte
in den Bereichen Forschung, Bildung und Umwelt aus Rücksicht auf die Zukunft des Landes zu verzichten.
Abgeordneter Günter Stummvoll (V) ordnete dem größten Sanierungspaket seit 1945, das derzeit vom
Finanzminister vorbereitet werde, das Ziel zu, Schulden abzubauen, budgetäre Handlungsspielräume für
die Zukunft zu gewinnen und eine Abhängigkeit von den Finanzmärkten zu vermeiden. Dabei hielt Stummvoll
die Empfehlung des Staatsschuldenausschusses auf strukturelle Reformen für wichtig. Das gelte auch für
die Länder, sagte Stummvoll.
Abgeordneter Werner Königshofer (F) sah die Pleite Griechenlands durch die Griechenlandhilfe nur aufgeschoben,
meldete Zweifel an der Erfüllung der finanziellen Auflagen für Griechenland an und erkundigte sich nach
europäischen Konzepten zur Lösung der Schuldenkrise.
Abgeordnete Gabriele Tamandl (V) machte darauf aufmerksam, dass es das Verschuldungsproblem der Länder nicht
löse, wenn dort kommunale Einrichtungen ausgegliedert werden.
Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) wies auf die wachsende Zahl defizitärer Gemeinden hin, die immer mehr
Probleme bei der Kinderbetreuung und bei der Altenpflege bekommen und verlangte Hilfsmaßnahmen.
Abgeordneter Christoph Matznetter (S) sah die Ursache für die hohe Verschuldung der Gemeinden in der seit
vielen Jahren sinkenden Lohnquote sowie darin, dass die Einheitswerte bei der Grundbesteuerung seit 1973 nicht
mehr angehoben wurden. Deshalb sinke die für die Volkswirtschaft so wichtige Investitionskraft der Gemeinden,
klagte Matznetter.
Abgeordneter Jakob Auer (V) hingegen führte die finanziellen Probleme der Gemeinden auf die enorme Ausgabenentwicklung
in den Bereichen Soziales und Krankenanstalten zurück, eine Erhöhung der Grundsteuer könnte diese
Entwicklung nicht korrigieren, zeigte sich Auer überzeugt und riet dringend dazu, die Entwicklung der Einnahmen
und Ausgaben der Gemeinden genau zu analysieren.
Staatssekretär Reinhold Lopatka informierte Abgeordneten Gradauer, dass von den zur Finanzmarktstabilisierung
vorgesehenen 10,3 Mrd. Euro letztlich nur 4,9 Mrd. Euro eingesetzt wurden. Bei Refinanzierungskosten von 200 Mio.
Euro habe das Bankenpaket Einnahmen von 765 Mio. Euro (500 Mio. Haftungsentgelte und 265 Mio. Euro an Dividenden)
erbracht.
Österreich liege mit seiner Schuldenquote von 66 % deutlich unter den europäischen und internationalen
Vergleichswerten, außerdem habe der Finanzminister beim Budgetvollzug im Jahr 2009 sein Defizitziel punktgenau
erreicht. Für die Konsolidierung gilt für Lopatka nach wie vor der Schlüssel von 60 % ausgabenseitigen
und 40 % einnahmenseitigen Maßnahmen.
Lopatka teilte den Abgeordneten mit, die Bundesregierung plane keine Änderungen beim Finanzausgleich. Die
Ausgabenobergrenzen für das Budget 2011 ließen erkennen, dass bei Bildung und Forschung weniger Einschnitte
vorgesehen seien als in anderen Bereichen. Die Erwartung, dass Griechenland seine finanziellen Verpflichtungen
einhalten werde, seien realistisch.
Staatssekretär Andreas Schieder wies den Vorwurf der FPÖ-Abgeordneten, die verspätete Budgetvorlage
stelle einen Verfassungsbruch dar, entschieden zurück. Auf die Budgetentwicklung eingehend, führte Schieder
aus, dass Österreich im internationalen Vergleich bei allen Daten gut liege und die Wettbewerbsfähigkeit
eines Landes nicht nur an den Budgetdaten gemessen werde, sondern auch an der Produktivität. Die Defizit-
und Schuldenentwicklung sei eine Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise, dieser Beurteilung des Abgeordneten Krainer
schloss sich auch der Staatssekretär an. Die Bundesregierung arbeite an einem Konsolidierungspaket und werde
mit den Bundesländern Vereinbarungen über deren Defizite treffen.
Abgeordnetem Werner Kogler (G) teilte Schieder mit, dass die Beteiligung an der Hypo-Alpe-Adria zu der letztlich
gelungenen Stabilisierung des Finanzsektors gehöre. Die schwierige Aufgabe bestehe nun darin, Verlustbereiche
abzustoßen, gewinnbringende Bereiche zu erhalten und einen Restrukturierungsplan zu erstellen, der von der
EU genehmigt wird. Die Sanierung soll möglichst budgetschonend abgewickelt werden, als Ziel gelte eine "schwarze
Null", sagte Staatssekretär Schieder.
Die Europäische Union plane, von den Mitgliedsländern mehr Verbindlichkeit in finanziellen Fragen einzufordern,
und diskutiere über mehr Sanktionen und mehr Anreize für die Einhaltung der Maastricht-Kriterien.
Rechnungshofpräsident Josef Moser warnte angesichts besserer Wirtschaftsprognosen vor der Illusion, die Krise
sei schon gelöst. Moser wies auf historische Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit hin, die zeigten,
dass es nicht möglich sei, alleine durch Wirtschaftswachstum Defizite und Verschuldungsquoten zu reduzieren,
deren Ursachen im strukturellen Bereich liegen. Auch der Rechnungshofpräsident zeigte sich angesichts der
zunehmenden Verschuldung von Gemeinden besorgt und ortete Probleme insbesondere bei der Finanzierung von Sozial-
und Gesundheitsleistungen. Einmal mehr kritisierte Präsident Moser die mangelnde finanzielle Transparenz infolge
von Ausgliederungen, etwa wenn die Schulden marktbestimmender Betriebe nicht ausgewiesen werden. Ähnliche
Probleme sah Moser bei Sonderfinanzierungsformen und Leasingverträgen und empfahl den Abgeordneten, für
mehr Transparenz in den Finanzen der Länder und Gemeinden zu sorgen. Dies sei die Voraussetzung, um in einer
mittelfristigen Betrachtung unterscheiden zu können, welche Gemeinden Hilfe brauchen.
In der Diskussion über den Bundesrechnungsabschluss für 2009 wies Rechnungshofpräsident Josef Moser
eine Kritik des Niederösterreichischen Landeshauptmannstellvertreters Sobotka an der Darstellung der Verschuldungsentwicklung
der Bundesländer zurück. Moser legte dar, dass der Bundesrechnungsabschluss alle Defizitdaten des Bundes
und der Länder exakt ausweise und ausgewogen darstelle.
Abgeordnetem Werner Königshofer (F), der sich besorgt wegen der Bundeshaftung für die wachsenden ÖBB-Schulden
gezeigt hatte, erklärte der Rechnungshofpräsident, dass 70 % der ÖBB-Neubaukosten auf 30 Jahre vom
Bund getragen werden. Das sei eine Entscheidung der Politik. Der Rechnungshof beschränke sich darauf, Empfehlungen
für eine nachhaltige und wirtschaftliche Betrachtungsweise, auch bei den ÖBB, zu unterbreiten.
Abgeordneter Alois Gradauer (F) drängte darauf, die Subventionen, bei denen Österreich "Weltmeister"
sei, abzuschlanken. Abgeordneter Rainer Widmann (B) verlangte eine vom Bund gesteuerte Verwaltungsreform, während
Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (V) darauf aufmerksam machte, dass die Gemeinden in einem Land wie Niederösterreich
große Aufgaben und daher hohe Kosten bei der Erhaltung der Schulen, der Kinderbetreuungseinrichtungen sowie
bei der Pflege und bei den Spitälern haben.
Die Monatsberichte über den Budgetvollzug in den Monaten Juni, Juli und August (vgl. PK-Meldungen 652/2010,
655/2010 und 712/2010) sowie Berichte zu überplanmäßigen Ausgaben und Vorbelastungen im 2. Quartal
2010 (siehe PK-Meldungen Nr. 622/2010 und 652/2010) wurden jeweils mit SP-VP-Mehrheit zur Kenntnis genommen. Abgeschlossen
wurde auch die im Frühjahr vertagte Beratung über die Voranschlagsvergleichsrechnung (Stand März
2010); der Bericht wurde durch Kenntnisnahme und Beschluss des Bundesrechnungsabschlusses 2009 miterledigt. Der
Bericht erhielt eine S-V-G-Mehrheit.
Umgründung der Neusiedler Seebahn AG
Um die Schließung des ungarischen und österreichischen Streckenabschnitts der Neusiedler Seebahn AG
(NSB AG) mangels Förderungsmittel für die notwendige Sanierung zu verhindern, verabschiedete der Budgetausschuss
schließlich einstimmig eine Regierungsvorlage zur Umgründung der Betriebsgesellschaft. Diese befindet
sich derzeit zu 90 % in Österreich und zu 10 % in Ungarn, ist eine Gesellschaft ungarischen Rechts und gehört
der Republik Österreich und dem Land Burgenland. Die neue Gesellschaft namens "NSB GmbH Österreich"
und eine 100 %-Tochter namens "NSB AG Ungarn" sollen sich direkt bzw. indirekt zu jeweils 50,19 % im
Eigentum des Burgenlandes und zu 49,81 % im Eigentum des Bundes befinden. |