Bundesrat: Subsidiaritätsrüge gegen EU-Pläne für Saisonniers   

erstellt am
06. 10. 10

EU-Ausschuss diskutiert Grünbuch zur Sicherung der Pensionssysteme
Wien (pk) - Die Pläne der EU zur Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen für SaisonarbeiterInnen sind auch für den EU-Ausschuss des Bundesrats inakzeptabel. Mittels einer von SPÖ, ÖVP und FPÖ einhellig angenommenen Subsidiaritätsrüge präzisierten die Bundesrätinnen und Bundesräte ihre Kritik an der geplanten Richtlinie und bestätigten damit die ablehnende Haltung des EU-Unterausschusses des Nationalrats vom 14. September 2010 zu diesem Vorhaben.

Der Vorschlag der EU widerspricht nach Meinung der BundesrätInnen dem Subsidiaritätsprinzip. Sie lehnen insbesondere das Konzept der zirkulären Migration ab und halten die vorgeschlagenen Regelungen in verschiedenen Aspekten nicht nur für praxisfern, sondern auch für verwaltungsaufwendig und bürokratisch. Die Beschäftigung von SaisonarbeiterInnen hänge zu sehr von den äußerst unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten ab, sodass eine EU-weite Regelung in den Augen des Ausschusses als nicht sinnvoll erachtet wird.

Die Vizepräsidentin des Bundesrats, Susanne Neuwirth (S/S), unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Lissabon-Vertrags. Es sei das erste Mal, dass der Bundesrat gemeinsam mit dem Nationalrat in dieser Form eine Rüge an die EU ausspricht, weil die EU mit der geplanten Richtlinie eindeutig ihre Kompetenzen überschreite, stellte sie fest. Neuwirth mahnte aber dazu, vorsichtig und sehr bewusst mit diesem Instrument umzugehen.

Kritisch fiel auch die Stellungnahme zum EU-Richtlinienvorschlag betreffend die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen für nicht EU-BürgerInnen im Rahmen einer Entsendung von Arbeitskräften innerhalb internationaler Konzerne aus. Das Anliegen eines erleichterten konzerninternen Austauschs von Führungskräften wurde zwar nicht in Abrede gestellt, dennoch bedürfe der Entwurf noch einer Überarbeitung, meinten die BundesrätInnen. In einem von SPÖ und ÖVP und gegen die Stimme der FPÖ mehrheitlich angenommenen Antrag auf Ausschussfeststellung wird die Bundesregierung aufgefordert, in Konsultation mit den Sozialpartnern eine Einschätzung zu den möglichen Auswirkungen der geplanten Regelungen vorzunehmen. Außerdem soll geprüft werden, inwieweit diese mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar sind.

Die Stimmen zum Grünbuch über die Pensions- und Rentensysteme waren zwar auch nicht euphorisch, man anerkannte aber das Bemühen der Kommission um Angemessenheit und Nachhaltigkeit der Pensionssysteme. Allgemein wurde betont, dass sich die staatlichen Pensionen und das Umlagesystem in Österreich in der Krise bewährt haben und am besten in der Lage sind, nicht nur einen umfassenden Schutz sicherzustellen, sondern auch die Solidarität innerhalb der Gesellschaft zu gewährleisten.

In der Diskussion standen den Ausschussmitgliedern Ingrid Novotny und Ulrike Neufang vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Peter Part vom Bundesministerium für Finanzen sowie Dietmar Hudsky vom Bundesministerium für Inneres als ExpertInnen zur Verfügung.

Keine Notwendigkeit für EU-einheitliche Saisonnier-Regelung
Geht es nach der EU-Kommission, soll es künftig einheitliche Regelungen für Saisonarbeit geben. In der geplanten Richtlinie wird durch einheitliche Kriterien umschrieben, was unter Saisonarbeit zu verstehen ist. Ferner werden die Zulassungsvoraussetzungen und Versagungsgründe gesetzlich fixiert. Es soll ein Verfahren für Zulassung und Arbeitsaufnahme und eine kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis mit dem Aufdruck "Saisonarbeiter" geben. Die maximale Aufenthaltsdauer soll 6 Monate im Kalenderjahr betragen. Der Vorschlag sieht auch eine erleichterte Wiedereinreise durch die Erteilung von "Multi-seasonal worker permits" (bis zu 3 Jahren) vor. Das Verfahren und die Zulassung soll nicht länger als 30 Tage dauern. Regelungen für eine angemessene Unterkunft und verhältnismäßige Kosten sowie in Bezug auf Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit und des Arbeitsrechts runden die Gesetzesinitiative der EU-Kommission ab. Die Festlegung von Zulassungsquoten für SaisonarbeiterInnen bleibt jedoch weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen.

Ingrid Novotny vom Sozialministerium wies darauf hin, dass die Saisonarbeit sehr stark von regionalen Gegebenheiten abhängt, weshalb eine EU-einheitliche Regelung sehr fragwürdig sei. Außerdem würde die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer von sechs Monaten einen massiven Eingriff in innerstaatliche Regelungen bedeuten, da ein und dieselbe Person in Österreich sowohl im Sommer als auch im Winter beschäftigt werden kann. Auch die Bewilligung für drei Jahre sei abzulehnen, da der Arbeitsmarkt viel zu dynamisch ist, sagte Novotny. Das Sozialministerium halte überdies den Zeitpunkt für eine derartige Richtlinie für nicht optimal, zumal in einigen Monaten der Arbeitsmarkt für BürgerInnen aus den neuen EU-Staaten geöffnet werden soll. Dietmar Hudsky vom Innenministerium schloss sich dieser Beurteilung an und meinte, eine mehrjährige Bewilligung sei abzulehnen. In Österreich funktioniere die Saisonnier-Regelung sehr gut und man müsse Missbrauch in aufenthaltsrechtlicher Sicht auf jeden Fall vermeiden.

Bundesrat Franz Perhab (V/St) bemerkte dazu, trotz bevorstehender Öffnung des Arbeitsmarktes erwarte man sich keinen Ansturm von Arbeitskräften. Er wies auch auf den Mangel von Arbeitskräften in manchen Bereichen hin und bekräftigte die Ablehnung der Sechsmonatsfrist.

Konzerninterne Entsendungen: Auswirkungen sind noch genau zu prüfen
Mit der geplanten Richtlinie für die Einreise von Drittstaatsangehörigen im Rahmen einer konzerninternen Entsendung betrete man kein vollkommenes Neuland, erläuterte Ingrid Novotny vom Sozialministerium. Neben innerstaatlichen Regelungen gebe bereits im Rahmen der allgemeinen Handels- und Dienstleistungsabkommen sowie in Assoziierungsabkommen diesbezügliche Vorschriften. Es sei zu hinterfragen, wie nun diese neue Kategorie an Regelungen in das bestehende Netz eingebunden werden kann.

Laut vorliegendem Entwurf soll es ein einheitliches Antragsverfahren mit einer zuständigen Behörde ("One-Stop-Shop-Schnellverfahren") sowie eine kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ("Single Permit") mit bis zu dreijähriger Gültigkeit geben. Unter welchen Bedingungen Konzerne ihre Arbeitskräfte, die nicht aus der EU stammen, in ihren Niederlassungen innerhalb der EU flexibel einsetzen können, wird einheitlich definiert. Das Schema zielt auf Schlüsselpersonal, einschließlich ManagerInnen, SpezialistInnen und PraktikantInnen mit Hochschulabschluss ab.

Weitere Bestimmungen betreffen die Festlegung von Versagungsgründen und Zulassungskriterien wie ein "Fast-Track"-Verfahren mit einer Verfahrensfrist von höchstens 30 Tagen, eine verpflichtende Auslandsantragsstellung und ein arbeits- und sozialversicherungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot. Eine Arbeitsmarktprüfung soll grundsätzlich unzulässig sein.

Österreich hat laut Novotny einen allgemeinen Vorbehalt angemeldet, zumal es sich hier um arbeitsrechtliche Sachverhalte handelt und die Kompetenz der EU dafür in Zweifel gezogen wird. Vor allem müsse man darauf achten, dass die Tätigkeit von Leiharbeitsunternehmen nicht unter diese Richtlinie fällt, unterstrich die Expertin. Sie hielt auch effizientere Kontrollmechanismen hinsichtlich der lohn- und sozialrechtlichen Bedingungen für notwendig.

Auf die Fragen der Bundesräte Ewald Lindinger (S/O) und Edgar Mayer (V/V) meinte Novotny, in Österreich müsse jede Entsendung gemeldet werden, und das sei auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten sicherzustellen. In welcher Größenordnung sich die Entsendungen bewegen werden, könne sie nicht genau sagen, die Zahlen werden sich aber sehr in Grenzen halten, bemerkte sie gegenüber der Vizepräsidentin des Bundesrats, Susanne Neuwirth (S/S), und dem Ausschussvorsitzenden Georg Keuschnigg (V/T). Man werde daher im Vorfeld eine genauere Quantifizierung vornehmen, versicherte sie. Der Befürchtung von Bundesrat Franz Perhab (V/St), wonach die Saisonbetriebe und KMU durch die Richtlinie benachteiligt würden, begegnete Novotny mit dem Hinweis, dass Unternehmen ohne internationale Verflechtungen nicht unter die gegenständlichen Bestimmungen fallen und sich die Richtlinie nur auf Führungskräfte beziehe, nicht aber auf SaisonarbeiterInnen und Hilfskräfte, die in den kleineren und mittleren Betrieben beschäftigt sind.

Grünbuch Pensionssysteme: Staatliches Umlagesytem hat sich bewährt
Der Kommission geht es im Grünbuch darum auszuloten, wie die EU den Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der Aufgabe, die Pensionssysteme zu sichern, helfen kann, zumal auf EU-Ebene die nationalen Vorsorgesysteme durch zahlreiche Maßnahmen unterstützt werden, die von der strategischen Koordinierung bis hin zu Rechtsakten, etwa in Zusammenhang mit dem Funktionieren des Binnenmarkts, reichen. Die Kommission bezeichnet es als eine vorrangige Aufgabe, ein angemessenes und nachhaltiges Ruhestandseinkommen für die EU-BürgerInnen sicherzustellen. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten für Pensionen und die Rolle der Sozialpartner wird dabei nicht in Frage gestellt. Ein ideales, universelles Pensions-, bzw. Rentenmodell gibt es nicht, heißt es im Grünbuch.

Das Grünbuch behandelt vor allem folgende Themen: angemessene Einkommen im Ruhestand sichern und für langfristig nachhaltige Pensions- und Rentensysteme sorgen; ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeitslebens und des Ruhestands erreichen und Möglichkeiten schaffen, um länger im Arbeitsleben zu bleiben; Hindernisse für Menschen, die in verschiedenen EU-Ländern arbeiten, bei Pensions- und Rentenprodukten beseitigen; im Gefolge der Wirtschaftskrise Pensionen und Renten sowohl jetzt als auch langfristig besser absichern; für mehr Transparenz bei Pensionen und Renten sorgen, damit die Menschen fundierte Entscheidungen für ihr eigenes Ruhestandseinkommen treffen können.

Die Expertin des Sozialministeriums Ingrid Novotny erläuterte, dass die EU zwar bei den staatlichen Pensionssystemen keinerlei Kompetenzen hat, jedoch für kapitalgedeckte Systeme der zweiten und dritten Säule Rahmenbedingungen festlegen könne. Sie unterstrich, das Grünbuch sehe keine Erhöhung des Pensionsantrittsalters auf 70 Jahre vor, die Kommission trete aber für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben ein. Auch in Österreich lege man den Fokus auf die Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters, hielt sie fest.

Das Grünbuch wolle nur eine Diskussion anregen und bilde keine Verpflichtungen für die Mitgliedsstaaten, in ihren Pensionssystemen Änderungen vorzunehmen. Es gebe aber bereits seit 1971 Koordinationsregelungen zur sozialen Sicherheit, um Pensionszeiten, die in verschiedenen Ländern erworben wurden, zusammenzurechnen, erläuterte sie gegenüber Bundesrat Edgar Mayer (V/V).

Die Vizepräsidentin des Bundesrats Susanne Neuwirth (S/S) sowie Bundesrat Gerald Klug (S/St) vertraten mit allem Nachdruck ihre Auffassung, dass Österreich eines der besten Pensionssysteme besitze und, abgesehen von der Anhebung des faktischen Pensionsalters, kein besonderer Reformbedarf vorhanden sei. Angesichts der hohen Zahl an Invaliditätspensionen sollten vor allem gesundheitspolitische Maßnahmen gesetzt werden, meinte Klug. Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) warf ein, es sei oft schwierig, länger zu arbeiten, da man im privaten Sektor bereits oft mit 40 zu alt für den Arbeitsmarkt ist.
     
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