Sozialausschuss: Mindestalter für Beschäftigungen wird angehoben   

erstellt am
06. 10. 10

Grüne blitzen mit Forderung nach gesetzlichem Mindestlohn ab
Wien (pk) - Um einem internationalen Übereinkommen Rechnung zu tragen, wird das Mindestalter für Beschäftigungen in Österreich von 12 auf 13 Jahre angehoben. Das sieht ein Gesetzentwurf der Regierung vor, der 05.10. vom Sozialausschuss des Nationalrats einstimmig gebilligt wurde. Mit dem Entwurf werden in verschiedenen Bereichen des Arbeitsrechts Adaptierungen vorgenommen und zum Beispiel das aktive Wahlalter für den Betriebsrat in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben auf 16 Jahre und das passive Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt. Die Bestimmung, wonach bis zum 15. Lebensjahr nur bestimmte und vereinzelte leichte Arbeiten, etwa in Familienbetrieben, verrichtet werden dürfen, bleibt allerdings unverändert.

Vom Gesetzentwurf betroffen ist auch die Arbeitszeitregelung in Krankenanstalten. Demnach können Sonderregelungen für die wöchentliche Ruhezeit in Krankenanstalten künftig auch auf Betriebsebene getroffen werden. Damit erhalten auch ausgegliederte Krankenanstalten die Möglichkeit, die wöchentliche Ruhezeit in die Woche nach einem Wochenenddienst zu verlegen. Von Strafanzeigen der Arbeitsinspektion, die Ärztinnen und Ärzte in Krankenanstalten betreffen, wird in Zukunft auch die Ärztekammer informiert.

Die Arbeitszeitregelung in Krankenanstalten war auch Hauptthema bei der Diskussion im Sozialausschuss. So wies etwa Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) darauf hin, dass die gesetzlichen Bestimmungen häufig nicht eingehalten würden und eine Arbeitszeit von mehr als 72 Wochenstunden bzw. durchgehende Dienste von mehr als 24 Stunden an der Tagesordnung seien. Sollten außerhalb der erlaubten Arbeitszeit ärztliche Fehler, etwa bei Operationen, gemacht werden, drohe der Versicherungsschutz nicht zu greifen, warnte er.

Abgeordneter August Wöginger (V) sprach sich dafür aus, die für Krankenanstalten geltenden Ruhezeit-Sonderregelungen auch auf andere Bereiche im Gesundheits- und Pflegewesen auszuweiten. So ist es für ihn etwa auch in der mobilen Heimpflege denkbar, die wöchentliche Ruhezeit in die Woche nach einem Wochenenddienst zu verlegen. Das wäre sowohl im Sinne der Dienstgeber als auch der Dienstnehmer.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) mahnte weitere Schwerpunktkontrollen der Arbeitsinspektion in Krankenanstalten ein und wies auf die hohe Zahl von Beanstandungen bei der letzten Schwerpunktaktion hin. Positiv äußerte er sich zur Erhöhung des Mindestalters für Beschäftigungen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer bekräftigte, dass Krankenanstalten regelmäßig von der Arbeitsinspektion kontrolliert und Übertretungen bestraft würden.

Regierungsparteien lehnen gesetzlichen Mindestlohn weiter ab
Auf wenig Unterstützung im Sozialausschuss stieß ein Antrag der Grünen, der auf die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns abzielt. Seitens der Regierungsparteien lehnten sowohl Abgeordneter August Wöginger (V) als auch Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) das Ansinnen ab. Die Festlegung von Löhnen und Mindestlöhnen sei eine Angelegenheit der Sozialpartner, argumentierten sie, ein gesetzlicher Mindestlohn könnte, so Spindelberger, konterkarierend sein.

Für den Antrag der Grünen, in leicht adaptierter Form, warb hingegen Abgeordnete Birgit Schatz (G). Sie machte geltend, dass ein Mindestlohn von 7,50 € pro Stunde bzw. 1.300 € im Monat Vollzeiterwerbstätigen ein Einkommen über der Armutsgefährdungsschwelle sichern würde. Schließlich gebe es eine immer größere Anzahl von Beschäftigten in Österreich, die von ihrem Einkommen nicht leben könnten. Gesetzlich festgelegt werden soll nach Vorstellung von Schatz lediglich der Mindestlohn, alles andere solle den Kollektivverträgen vorbehalten bleiben.

Unterstützt wurde die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn allerdings nur vom BZÖ. Abgeordneter Sigisbert Dolinschek machte darauf aufmerksam, dass seine Fraktion schon vor zwei Jahren einen gesetzlichen Mindestlohn verlangt habe.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer schloss sich der ablehnenden Haltung von SPÖ und ÖVP an. Seiner Ansicht nach ist das wahre Problem nicht der Mindestlohn, sondern die Teilzeitbeschäftigung. Viele Teilzeitbeschäftigte könnten von ihrem Aktiveinkommen nicht leben.

Grüne wollen Über- und Mehrstunden eindämmen
Auch mit ihrer Forderung nach einem "Kurswechsel" in der Arbeitszeitpolitik konnten sich die Grünen – zumindest vorerst – nicht durchsetzen. Um überlange Arbeitszeiten einzudämmen und die Attraktivität von Mehr- und Überstunden zu verringern, schlagen die Grünen unter anderem eine Anhebung der Überstundenzuschläge um 50 % bei gleichzeitiger Streichung der steuerlichen Begünstigung sowie ein Verbot von All-in-Verträgen vor.

Der Antrag der Grünen wurde auf Vorschlag von Abgeordneten Erwin Spindelberger (S) mit S-V-Mehrheit vertagt. Spindelberger wies auf intensive Verhandlungen auf sozialpartnerschaftlicher Ebene zur Frage der Arbeitszeitflexibilisierung hin. Es könne allerdings nicht sein, dass der Zeitraum zum Abbau von Überstunden auf bis zu zwei Jahre ausgedehnt werde, wies er Forderungen von Arbeitgeberseite ausdrücklich zurück.

Abgeordnete Birgit Schatz (G) begründete den Antrag der Grünen damit, dass in Österreich, auch im internationalen Vergleich gesehen, zu lange gearbeitet werde. Trotz der Wirtschaftskrise seien die Überstunden nicht merklich zurück gegangen, skizzierte sie. Überstunden seien ein fixer Bestandteil vieler Arbeitsverhältnisse geworden. Schatz zufolge wirkt sich das nicht nur negativ auf die Gesundheit aus und erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, vielmehr würden Überstunden auch Arbeitsplätze kosten. Viele Überstunden würden außerdem nicht ausbezahlt.

Arbeitsinspektion: Berufskrankheiten nehmen zu, Arbeitsunfälle sinken
Weiters im Sozialausschuss zur Diskussion stand der Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektion 2009. Er zeigt unter anderem auf, dass die Berufskrankheiten weiter im Vormarsch sind, während sich die Zahl der Arbeitsunfälle im vergangenen Jahr deutlich reduziert hat. Insgesamt wurden 2009 99.052 anerkannte Arbeitsunfälle (ohne Wegunfälle) verzeichnet. 98 Unfälle (2008: 115) endeten tödlich.

Im Rahmen von tausenden Überprüfungen von Betriebsstellen 2009 wurden bei 32 % aller besuchten Arbeitsstätten und Unternehmen Übertretungen von ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften festgestellt. Das Gros der Verstöße betraf den technischen und arbeitshygienischen ArbeitnehmerInnenschutz. Weiters hat die Arbeitsinspektion auch 2009 wieder tausende Beratungen durchgeführt.

Im Rahmen der Diskussion beurteilte Abgeordneter Karl Öllinger (G) die Entwicklung skeptisch. Trotz des positiven Trends bei den Arbeitsunfällen glaubt er nicht, dass die angepeilte Reduktion der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten um 20 % innerhalb von fünf Jahren erreicht werden könne. In Bezug auf die Berufskrankheiten verwies er insbesondere auf den Anstieg asbestbedingter Erkrankungen und Todesfälle.

Sowohl Öllinger als auch seine Fraktionskollegin Judith Schwentner machten außerdem auf geschlechterspezifische Unterschiede bei der Anerkennung von Berufskrankheiten aufmerksam. Schwentner führt den geringen Anteil von Frauen in der Statistik (16 %) nicht zuletzt darauf zurück, dass viele berufsbedingte Erkrankungen von Frauen nicht als Berufskrankheiten anerkannt würden. Als Beispiele nannte sie etwa Gehörschäden wie Tinnitus im Kindergarten- und Schulbereich sowie Wirbelsäulenschäden in Pflegeberufen. In diesem Zusammenhang wertete es Schwentner auch als "betrüblich", dass so wenig Frauen im Arbeitsinspektorat tätig seien.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) gab zu bedenken, dass Frauen und Männer unterschiedlichen beruflichen Risken unterliegen würden. So hätten etwa Männer das dreifache Risiko, einen Arbeitsunfall zu erleiden, wie Frauen. Sorge bereiten ihm, wie er sagte, vor allem psychosoziale Erkrankungen wir Burn-out, deren volkswirtschaftlicher Schaden enorm sei. Überdies wies Hofer auf oft miserable Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst hin, die man seiner Ansicht nach einem privaten Unternehmen nicht durchgehen lassen würde.

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) äußerte sich über den im Bericht festgehaltenen Rückgang der Arbeitsunfälle erfreut und meinte, er könne die Schlussfolgerungen von Abgeordnetem Öllinger nicht teilen. Wenn man wollte, könne man überall ein "Haar in der Suppe" finden, konstatierte er. Die Ursache für die Steigerung asbestbedingter Erkrankungen ortet er in der Vergangenheit.

Seitens des BZÖ sprachen Abgeordneter Sigisbert Dolinschek und Abgeordnete Ursula Haubner unter anderem den Rückgang des Personalstandes und der durchgeführten Prüfungen im Bereich der Arbeitsinspektion, das Problem der Heimarbeit sowie die zunehmenden Beanstandungen wegen Übertretungen der Mutterschutzbestimmungen an und erkundigten sich nach den Reformplänen von Sozialminister Hundstorfer in Bezug auf die Invaliditätspension. Haubner zufolge ist es außerdem dringend notwendig, die Liste der Berufskrankheiten zu überarbeiten, nicht nur in geschlechtsspezifischer Hinsicht, sondern vor allem auch psychosoziale Erkrankungen betreffend.

Abgeordnete Birgit Schatz (G) trat für eine qualitative Erweiterung des jährlichen Berichts der Arbeitsinspektion ein, eine von ihr namens der Grünen beantragte entsprechende Ausschussfeststellung fand jedoch keine Mehrheit.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer machte geltend, dass die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle im vergangenen Jahr "kräftig gesunken" sei und verwies generell auf eine positive Entwicklung in diesem Bereich. Der Personalstand bei der Arbeitsinspektion konnte ihm zufolge für die nächsten Jahren gesichert werden. Es sei auch zu keinem Rückgang der Überprüfungen gekommen, versicherte er, es habe lediglich eine Verschiebung von klassischen Kontrollen zu Kontrollen mit bestimmter Schwerpunktsetzung gegeben. Der Minister verwies etwa auf Arbeitszeitkontrollen im Handel und die Prüfung von Notausgängen. Auch Heimarbeit würde weiter kontrolliert.

In Richtung der Grünen merkte Hundstorfer an, er hätte gerne mehr Frauen in der Arbeitsinspektion, allerdings sei eine entsprechende technische Grundausbildung erforderlich. Hintergrundinformationen über die Tätigkeit der ArbeitsinspektorInnen würden auf der Website der Arbeitsinspektion zur Verfügung gestellt. Für die Liste der Berufskrankheiten ist Hundstorfer zufolge das Gesundheitsministerium zuständig, das Sozialministerium sei aber in diverse Arbeitsgruppen eingebunden.

Was die Invaliditätspension betrifft, bekräftigte Hundstorfer, Rehabilitation müsse künftig vor allem anderen stehen. Es gelte, möglichst frühzeitig anzusetzen, um die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten. Das Pilotprojekt "Gesundheitsstraße" zeitigt ihm zufolge bereits entsprechende Erfolge. Dass eine Invaliditätspension mutwillig beantragt wird, glaubt Hundstorfer nicht, er verwies auf die niedrige Durchschnittspension von Betroffenen.

Der Bericht wurde mit S-V-F-B-Mehrheit zur Kenntnis genommen, ein Antrag der Grünen betreffend geschlechtergerechte Überarbeitung der Bestimmungen für anerkannte Berufskrankheiten vertagt.

Österreich schließt Abkommen mit Montenegro über soziale Sicherheit
Ein Abkommen Österreichs mit Montenegro über soziale Sicherheit wurde vom Sozialausschuss einstimmig gebilligt. Das Abkommen ersetzt ein ähnliches – bisher pragmatisch weiter angewendetes – Abkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, wobei in einzelnen Punkten Anpassungen vorgenommen wurden. Umfasst sind Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung.
     
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