"Das Grundanliegen Mission darf nicht in den Hintergrund treten" – In Zukunft mehr "kleine
christliche Gemeinschaften"
Wien (pew) - Die Erzdiözese Wien braucht im Hinblick auf die gesellschaftlichen, demografischen
und kirchlichen Veränderungen eine Strukturreform; aber diese Reform muss kreativ angegangen werden, „keinesfalls
losgelöst vom Grundanliegen Mission“: Dies betonte Kardinal Christoph Schönborn am 15.10. bei einer Pressekonferenz
im „Club Stephansplatz 4“ zur Halbzeit der 3. Diözesanversammlung im Rahmen der Initiative „Apostelgeschichte
2010“. Im Hinblick auf die Diskussion um Leitungsfunktionen in der Kirche stellte der Wiener Erzbischof klar,
dass es nicht um Machtverteilung geht: „Alle Getauften und Gefirmten sind zuerst einmal miteinander Christen; auch
wer eine Leitungsfunktion hat, ist nicht isoliert“. Eine Persönlichkeit wie die Heilige Teresa von Avila
habe viel in Bewegung gebracht, obwohl sie keinen Anteil am hierarchischen Amt hatte. Zuerst müsse das vom
Zweiten Vaticanum betonte allgemeine Priestertum gesehen werden, dann könne man auch organisatorische Fragen
angehen. Kardinal Schönborn: „Muss ein Pfarrer, der vier Pfarrgemeinden betreut, auch vier Pfarrgemeinderäte
haben?“
Der Berliner Jesuit P. Klaus Mertes lobte bei der Pressekonferenz die „visionäre Dimension“, die bei der 3.
Diözesanversammlung spürbar wurde. „Reine Reaktion auf statistisch erhebbare Realitäten“ genüge
nicht. In Wien werde offensichtlich die notwendige Strukturreform nicht als „Verwaltungsvorgang“, sondern als „Erneuerungsprozess
geistlicher Art“ angegangen. Für ihn sei das „inspirierend“ gewesen, sagte der Jesuit.
Die Aufdeckung des Missbrauchs-Skandals habe für die Kirche drei Konsequenzen, sagte P. Mertes: Es gehe darum,
sich der Wahrheit zu stellen, Versöhnung zwischen Opfern und Tätern zu suchen und die „Sprachlosigkeit“
zu überwinden, um die Stimme der Opfer zu verstehen. All dies wirke auch tief in die Gesellschaft hinein.
Insgesamt stehe immer die Überwindung von „Abwehrreaktionen“ im Mittelpunkt. Das gelte im übrigen auch
für das vieldiskutierte Thema „Integration“. Im Hinblick auf die moderne „Völkerwanderung“ durch die
Globalisierung könne die Kirche einen großen Dienst für die Gesellschaft leisten: „Kulturelle Identität
darf nicht durch Abgrenzung bestimmt werden“.
Andrea Geiger und Otto Neubauer vom „Kernteam“ von „Apostelgeschichte 2010“ betonten zwei Aspekte des Vorgangs
„Apostelgeschichte 2010“: Es sei „neue Freude am Glauben“ entfacht worden (die etwa in den liturgischen Feiern
bei den Diözesanversammlungen spürbar wurde) und die Einsicht sei gewachsen, dass Kirche vor allem Gemeinschaft
sein muss, wenn sie missionarisch sein will. Das Ziel der Strukturreform sei daher auch nicht „Rückzug“.
Es werde in Zukunft mehr „kleine christliche Gemeinschaften“ brauchen, sagte der Theologe Otto Neubauer, Leiter
der Wiener „Akademie für Evangelisation“. Nur so könne die Kirche auf die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen
reagieren, auch als „kleiner werdende Kirche mit größerem Elan“. Die Kirche sei keine „Kultkonserve“,
sondern die Gemeinschaft der „Freunde Jesu“. Die tragischen Ereignisse der ersten Jahreshälfte seien eine
Chance, „selber umzukehren als Kirche und neu anzufangen“, so Geiger und Neubauer. Für den Erneuerungsprozess
sei aber langer Atem notwendig. |