Linz (jku) - Was u.a. Enrico Fermi, einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts vor rund 50 Jahren
andachte, denken JKU-Wissenschafter auf dem Gebiet der Teilchenstrahlung heute fort. Mit Erfolg: Eine Arbeitsgruppe
rund um a.Univ.Prof. Dr. Peter Bauer, Leiter der Arbeitsgruppe für Niederenergie-Ionenstreuung, und Dr. Daniel
Primetzhofer konnte nun nur knapp vor anderen internationalen Forschungsteams einen großen Fortschritt auf
dem Gebiet der Wechselwirkung von geladenen Atomen (Ionen) mit Festkörpern verzeichnen und damit einen viele
Jahre währenden wissenschaftlichen Wettstreit um wenige Wochen für sich entscheiden. Diese Ergebnisse
könnten in Zukunft wesentliche Vorteile im Bereich der Materialforschung bringen und beispielsweise zu Verbesserungen
in der medizinischen Strahlentherapie bei der Krebsbehandlung führen oder als zukünftige Energiequelle
im Bereich der Kernfusion angedacht werden.
Der JKU-Arbeitsgruppe gelang es nun erstmals, unterschiedliches Verhalten der Ionen in verschiedenen Materialklassen
nachzuweisen. Dies geschah mit einer besonderen Apparatur, bei der die Flugzeit von Atomen auf milliardstel Sekunden
genau gemessen wird.
"Ein besonders Highlight ist, dass es uns erstmals gelungen ist, Ionen durch einen Festkörper zu schicken,
ohne dass dabei Energie an seine Elektronen übertragen wurde: Es wurde sozusagen die Existenz eines ,Supraleiters
für Ionen' gezeigt", sagt Primetzhofer, der für einen wesentlichen Teil dieser Erkenntnisse verantwortlich
zeichnet und dafür erst kürzlich mit dem Anton-Paar Wissenschaftspreis der Österreichischen Physikalischen
Gesellschaft ausgezeichnet wurde.
"Dieses Forschungsergebnis ermöglicht ein besseres Verständnis des wechselseitigen Einflusses von
Ionen und den elektronischen Eigenschaften eines Festkörpers und verdeutlicht, dass sich Materialien in der
Gegenwart von Ionen deutlich anders verhalten, als sie das in Gegenwart von Elektronen oder Photonen tun",
betont Bauer. Die klassischen Konzepte von Isolator, Halbleiter und Metall gelten für Ionen nicht im selben
Sinn wie für Elektronen - obwohl sowohl Ionen als auch Elektronen geladene Teilchen sind. Aufgrund der vorliegenden
Ergebnisse wird an der JKU weiter in diese Richtung geforscht und ein Folgeprojekt wurde vom Forschungsfonds (FWF)
genehmigt. Jetzt sind insbesondere Halbleiter in den Fokus des Interesses gelangt. Ein weiterer Aspekt der vorliegenden
Resultate betrifft die entscheidende Weiterentwicklung einer Analyse-Methode, die zur Bestimmung der Zusammensetzung
der Oberfläche eines Festkörpers (Tiefenauflösung besser als ein Nanometer) verwendet werden kann.
"Da die Oberfläche eines Festkörpers oftmals seine Interaktion mit der Umgebung bestimmt, ist dies
in vielen Anwendungen relevant", sagt Bauer. Was heute noch Grundlagenforschung in der Abteilung Atom- und
Oberflächenphysik an der JKU ist, könnte schon in einigen Jahren bereits zur Anwendung führen. |