Albanien im Gegenlicht: Fotografie nach der politischen Wende 1990   

erstellt am
20. 10. 10

19.10. – 26.11.2010 in der Galerie ArtPoint Wien
Wien (kulturkontakt) - Seit der großen politischen Wende vor 20 Jahren erlebte Albanien sehr wechselvolle Zeiten. Die KünstlerInnen Alketa Kurrizo und Leonard Qylafi sowie die bedeutendsten Fotografen Albaniens, Albes und Bevis Fusha, – alle leben und arbeiten in Tirana – zeigen in der Galerie ArtPoint mit ihren Arbeiten eindrucksvolle Bilder dieser Entwicklung.
Eine Ausstellung von KulturKontakt Austria im Rahmen von „Eyes On – Monat der Fotografie Wien“.


Die Ausstellung widmet sich der albanischen Fotografie, die im Spannungsbogen zwischen Dokumentation und künstlerischer Auseinandersetzung in den letzten zwanzig Jahren seit der politischen Wende im Lande eine rasante Entwicklung genommen hat. Die vier beteiligten KünstlerInnen haben an der Kunstakademie Tirana studiert. Durch die Teilnahme an internationalen Programmen haben sie sich europäischen und globalen künstlerischen Strömungen geöffnet, dabei aber nie ihre Prägung durch die lange Tradition der Fotografie in ihrem Heimatland verleugnet. In der Ausstellung werden sowohl dokumentarische Bilderzyklen, Einzelstudien und Porträts als auch neue Videoarbeiten gezeigt.

Albes Fusha präsentiert sein Schaffen durch eine Auswahl von drei Werkgruppen: ein „Küchenstillleben“, Kinderphotographien und Szenen aus dem Albanien heute. So verschieden die drei Werkgruppen auf den ersten Blick sind, so führen sie alle in die Kindheit zurück: ein Engel in der Küche, in der wir unseren Alltag erlebten; eine Lichtquelle an einem namenlosen Ort. Kinder, die den Betrachter selbst wieder in die Kindheit versetzen und Bilder evozieren. Bilder, die plötzlich wieder auftauchen, die vielleicht zu den ersten visuellen Eindrücken zählen, an die man sich erinnern kann. Als dritten Punkt zeigt Albes Fusha Urbanes und Ländliches im heutigen Albanien – zeitlos, dokumentarisch, als Momente der Erinnerung, gleich personalisierten Strukturen aus der Vergangenheit. Dies alles zeigt Fusha ohne Pathos, indem er stets die entsprechende Distanz zum Objekt wahrt.

Die Aufnahmen seines Bruders Bevis Fusha zeigen den künstlich angelegten Seepark in Tirana, der in den 70er- und 80er-Jahren für Jugendliche eine besondere Rolle spielte: Mit seinen verborgenen Plätzen diente er vielen von ihnen als geeigneter Ort, um in die Geheimnisse und Freuden der Sexualität einzutauchen. Es war ein Ort der „Forest Lovers“, wie Fusha sie bezeichnet, ein Ort, an dem die vermeintliche Zeugung vieler Kinder der 70er- und 80er-Jahre stattfand. Als Reaktion auf gesellschaftliche Konventionen und ethische Vorstellungen in einem streng kommunistischen Land, suchten Liebende nach Schlupflöchern, in denen sie die Vorgabe von „Kein Sex ohne Ehe“ umgehen konnten.
Die Fotografien dieser Orte sind für Fusha ein Zeichen des Respekts gegenüber „these natural moments, that gave life to the majority of Tirana's residents“. Es sind Fotografien von Orten, die den Ursprung vieler Albaner und AlbanerInnen erst ermöglichten.

Alketa Kurrizo setzt sich in „THE DREAM-project“ mit Kunst im diktatorischen System Albaniens auseinander. Da Kunstschaffen als Mittel der Propaganda dienen musste und nicht dazu verwendet werden durfte eine persönliche Meinung zu äußern, suchten KünstlerInnen nach ausgeklügelten, wohl durchdachten Wegen des Ausdrucks in ihren Arbeiten. Sie fanden sie im Film – einem vom politischen System als besonders effizient eingeschätzten Propagandamittel: Hier konnten KünstlerInnen als „Träume“ verpackte Denkansetze oder Ideen verstecken, um damit das Publikum emotional in andere Hyperrealitäten zu entführen und es zum eigenständigen Nachdenken anzuregen – ohne dadurch gegen das Filmskript und die ideologischen Vorgaben zu verstoßen und womöglich der Zensur zum Opfer zu fallen.
Alketa Kurrizo montierte für ihre Arbeit ohne Kommentar oder detaillierte Information zu den Quellen unterschiedliche solcher „Traum-Sequenzen“ nacheinander zu einem Film, der – unabhängig von seinem historischen Hintergrund – durch die Intensität der einzelnen Abschnitte nachhaltig beeindruckt.

Leonard Qylafi zeigt drei Arbeiten aus der Serie „The book of negatives“. Die Arbeiten basieren auf Aufnahmen mit einer Analogkamera und den damit entstandenen Negativen, die Qylafi scannt und weiter bearbeitet. Für Qylafi verdeutlicht der Prozess der Bildentwicklung die zeitliche Distanz zwischen Aufnahmemoment und dem Moment der Entwicklung. Das Negativ entspricht der physischen Manifestation von Licht, Perspektive oder Bewegung im Raum und lässt mitunter erst als solches Subjekte auf dem Bild festmachen, die während des Moments der Aufnahme nicht aufgefallen waren. So sind von Bild zu Bild unterschiedliche Aspekte des Lebens auszumachen: Einsamkeit oder Liebe, Kindheit oder Freundschaft etc.
Zusätzlich zeigt Leonard Qylafi auch das Video „Once“. Dabei schwenkt die Kamera langsam über verschiedene Objekte wie einen Schuh, Steine oder Wasser. Erst am Ende weitet sich der Blickwinkel und gibt die Gesamtszene preis.
     
Informationen: http://www.kulturkontakt.or.at/    
     
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