EU-Hauptausschuss: Antrag auf Einführung einer Finanztransaktionssteuer beschlossen
Wien (pk) - Mit großer Mehrheit sprachen sich am 27.10. die Mitglieder des Hauptausschusses
in Angelegenheiten der Europäischen Union mittels eines Antrags auf Mitteilung für die Einführung
einer Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene aus. Sie unterstützten darüber hinaus in Form eines die Regierung
bindenden Antrags auf Stellungnahme die geplante Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, wobei
sie die Bundesregierung beauftragten, dafür Sorge zu tragen, dass die Rechte des Nationalrats zur Entscheidung
über den Bundeshaushalt und die Kontrolle des Budgetvollzugs im Zusammenhang mit den notwendigen Bemühungen
um die Reform des Pakts nicht eingeschränkt werden. Beide Anträge der Koalitionsparteien fanden auch
Unterstützung von Oppositionsparteien.
Anlass für die Sitzung des EU-Hauptausschusses war der kommende Europäische Rat am 28. und 29. Oktober
in Brüssel. Im Mittelpunkt dabei wird der Bericht der Task-Force stehen, die vom EU-Ratspräsidenten Herman
Van Rompuy eingesetzt wurde, um strengere Regeln im Kampf gegen steigende Defizite und Schulden der EU-Mitgliedsländer
in Zukunft festzulegen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird es einen neuen Sanktionsmechanismus für Defizitsünder
geben, aber auch einen stärkeren Überwachungsmechanismus der nationalstaatlichen Budgets durch die EU-Kommission.
Automatischer Sanktionsmechanismus versus poltischer Spielraum
Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll erläuterte dazu, die im Zuge der Krisenbewältigung gestiegenen
Defizite und Schulden der Euro-Länder würden eine Gefahr bedeuten, die es einzudämmen gelte. Die
Task-Force, der auch Finanzminister Pröll angehört hatte, habe einen Schlussbericht vorgelegt, der nun
im Rat zu diskutieren sei. Demnach schlage die Task-Force strengere Regeln in der budgetären Überwachung
vor, wobei das Maastricht-Kriterium der Schuldenquote von nicht mehr als 60 % stärker in die Bewertung einfließen
soll. Auch ist geplant, die Sanktionen härter zu gestalten, wobei die Task-Force ein Drei-Stufen-Modell vorschlägt.
Zunächst sollen die Einlagen verzinst werden, dann gehe es um unverzinste Einlagen bis hin zu Strafzahlungen.
Für die Einleitung des Defizitverfahrens werde es einen neuen Abstimmungsmechanismus geben mit umgekehrter
Mehrheitsentscheidung. Das heißt, wenn die Kommission ein Defizitverfahren anstrebt, dann werde dies mit
qualifizierter Mehrheit möglich sein.
Dies stelle eine qualitative Verbesserung dar, stellte Pröll fest, er räumte aber gleichzeitig ein, dass
dieser Mechanismus nicht so weit geht, wie es der Präsident der EZB, Jean-Claude Trichet, möchte. Trichet
plädiere für einen automatischen Sanktionsmechanismus ohne politischen Entscheidungsspielraum.
Sowohl Finanzminister Josef Pröll als auch Bundeskanzler Werner Faymann hielten in dieser Frage einen politischen
Spielraum für notwendig. Faymann zeigte zwar Verständnis für die Haltung Trichets, zumal die EZB
bei der Krisenbewältigung eine bedeutende Rolle gespielt habe und bis an die Grenzen ihrer Möglichkeit
gegangen sei. Es könne aber nicht sein, dass die Kommission eine sich verselbständigende Rolle bei der
Haushaltsüberwachung erhält, sagte der Bundeskanzler.
Skepsis gegenüber Stimmrechtsentzug für Defizitsünder
Ebenfalls Skepsis äußerten Faymann und Pröll zur Frage des Stimmrechtsentzugs für Defizitsünder.
Dies sei aber neben der Frage einer etwaigen Vertragsänderung noch ein wesentlicher Diskussionspunkt beim
kommenden Gipfel, erläuterte der Bundeskanzler. Ein Stimmrechtsentzug würde die politische Diskussion
verschärfen ohne die Probleme zu lösen, sagte er. Notwendig sei vielmehr eine verbesserte Kontrolle und
Überwachung sowie ein gemeinsamer Schutz. Die von Deutschland und Frankreich vorgelegte Linie stelle einen
grundsätzlichen Vorschlag dar und sei der Beginn eines Diskussionsprozesses, merkte Faymann weiters an. Detailvorschläge
lägen jedoch nicht auf dem Tisch.
Faymann stimmte mit Abgeordnetem Alexander Van der Bellen (G) überein, dass man, sollte die Forderung nach
dem Stimmrechtsentzug entfallen, keine Vertragsänderung werde brauchen, wobei dies Deutschland in Hinblick
auf die Spruchpraxis des Verfassungsgerichts Karlsruhe anders sehe.
Im Gegensatz zu mehrheitlich geäußerten Zweifeln über die Sinnhaftigkeit eines Stimmrechtsentzugs
für Defizitsünder, brachte Abgeordneter Christoph Hagen (B) einen Antrag auf Ausschussfeststellung ein,
in dem sich das BZÖ mit Nachdruck für die Möglichkeit eines Stimmrechtsentzugs ausspricht.
Überwachung der Budgetdisziplin der EU-Länder durch Kommission
Mehr Gefahrenprävention soll es im Interesse der Budgetdisziplin aller EU-Mitgliedstaaten geben. Dabei will
man die makroökonomischen Ungleichgewichte und die unterschiedlichen Wettbewerbsfaktoren stärker in die
Beobachtung einfließen lassen, erklärte Finanzminister Pröll. Insbesondere gehe es dabei um Auslandsverschuldung,
um das Erkennen von Spekulationsblasen, um den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit sowie um die Lohnentwicklung
- Faktoren, die für die Währungsentwicklung entscheidend sind.
Zudem beginne ab 1. Jänner das sogenannte "Europäische Semester". Das bedeutet, dass die EU-Kommission
früher über die nationalen Budgetpläne der Mitgliedstaaten informiert werden muss, damit diese gegebenenfalls
steuernd eingreifen kann. Sowohl Faymann als auch Pröll bekräftigten, dass dies in keiner Weise das Budgetrecht
der nationalen Parlamente schmälere. Österreich selbst gelte mit seiner Haushaltsreform und dem Budgetrahmen
als ein Best Practice-Modell, betonte der Finanzminister. Auf die Kritik des Abgeordneten Peter Fichtenbauer (F)
an den InspektorInnen der EU reagierte der Bundeskanzler, für ihn sei es eher beruhigend, wenn ExpertInnen
prüfen, ob die Unterlagen, die an die EU geschickt werden, auch tatsächlich stimmen. Wäre das in
der Vergangenheit bereits der Fall gewesen, hätte das vielleicht vieles erspart. Faymann gab jedoch zu bedenken,
dass es dann der politischen Verantwortung obliegt, die Empfehlungen der ExpertInnen auch zu beachten.
Mehrheit der Abgeordneten unterstützt Position der Regierung
Die Position der Bundesregierung wurde seitens der Abgeordneten grundsätzlich unterstützt. So wies etwa
Abgeordneter Josef Cap (S) auf die Notwendigkeit hin, die Souveränität der nationalen Parlamente zu achten.
Auch Abgeordnete Christine Muttonen (S) bestand trotz aller Notwendigkeit, die Budgets in Ordnung zu bringen, darauf,
dass die Letztentscheidung über die Budgets bei den nationalen Parlamenten bleibt. Die EU dürfe nicht
den Fehler machen, Entscheidungen darüber einem nur teilweise demokratisch legitimierten Gremium zu überlassen.
Muttonen begrüßte eine bessere Prävention und die stärkere Beachtung der Gesamtverschuldung,
dabei müsse aber in schlechten Zeiten Spielraum für eine aktive Politik bleiben, forderte sie. Sparen
sei kein Selbstzweck.
Cap und Muttonen sprachen sich gegen den von Deutschland und Frankreich forcierten Stimmrechtsentzug bei Defizitsündern
und damit gegen eine Vertragsänderung aus. Deutschland und Frankreich ließen bei ihren Vorschlägen
völlig außer Acht, welche Möglichkeiten den einzelnen Ländern auf den internationalen Finanzmärkten
außerhalb der eigenen Budgets zur Verfügung stehen. Daher sei es notwendig, internationale Regelungen,
wie etwa die Finanztransaktionssteuer, einzuführen.
Dieser Analyse stimmte Abgeordneter Günter Stummvoll (V) zu. Es seien Fortschritte gemacht worden, sagte er,
im Hinblick auf neue Finanzmarktregeln und die Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Auch
auf dem Weg zu einer Finanztransaktionssteuer sei man schon sehr weit gekommen. Da Frankreich im Rahmen des G-20-Gipfels
den Vorsitz übernehmen wird, habe man dabei auch in diesem Gremium einen Verbündeten im Hinblick auf
die Finanztransaktionssteuer, merkte Bundeskanzler Faymann an.
Kritischer äußerte sich Abgeordneter Johannes Hübner (F). Was die Task-Force vorschlage, bedeute
eine massive Einengung der staatlichen Souveränität, sagte er, da man die Budgetgrundsätze mit der
EU absprechen müsse. Wenn man schon Eingriffe vorhabe, dann müsse man dafür klare Rechtsvorschriften
schaffen und sie nicht von politischen Entscheidungen abhängig machen. Er unterstützte daher einen automatischen
Mechanismus und bewertete es als einen massiven Misserfolg, dass nun wieder Platz für politische Entscheidungen
gemacht werde.
Mittels eines weiteren Antrags des BZÖ sprach sich dessen Abgeordneter Christoph Hagen gegen die mögliche
Abschaffung der sogenannten Bail-Out-Klausel aus. Diese Klausel stellt sicher, dass ein Euro-Teilnehmerland nicht
für die Verbindlichkeiten und Schulden anderer Teilnehmerländer haften oder aufkommen muss. Der Antrag
fand ebenfalls nicht die erforderliche Mehrheit.
Sind die Maastricht-Kriterien entscheidend für die Stabilität?
Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) stellte in seiner Wortmeldung die Maastricht-Kriterien – maximal 3 %
Neuverschuldung und 60 % Gesamtverschuldung – grundsätzlich in Frage. Für diese Obergrenzen gebe es keine
Begründung, sagte er, sie bewirkten nur prozyklische Budgets. Irland und Spanien seien nicht wegen der Verletzung
des Stabilitäts- und Wachstumspakts in Schwierigkeiten geraten, begründete er seine Zweifel an den genannten
Kriterien. Für ihn liegt der entscheidende Punkt in einer geordneten Insolvenzordnung für Staaten, und
dazu brauche man keine Vertragsänderung. Dem konnte der Finanzminister einiges abgewinnen, es bleibe aber
die Frage, inwieweit man den Privatsektor miteinbeziehen kann, gab Pröll zu bedenken.
Auch Bundeskanzler Werner Faymann bestätigte, dass es neben den Maastricht-Kriterien auch andere Faktoren
gibt, die auf die Stabilität der Staaten Einfluss haben. Im Umkehrschluss sei es aber auch noch niemandem
gelungen, die Maastricht-Kriterien als unrichtig zu erklären. Als wesentliche Faktoren nannte Faymann beispielsweise
die Struktur der Budgets und Ausgliederungen, Spekulationen, Immobilienblasen, aber auch die Schattenwirtschaft.
Daher müsse man durch zusätzliche Regelungen auch in derartige Fehlentwicklungen regulierend eingreifen.
Dazu gehöre z.B. auch eine europäische Ratingagentur, bemerkte er gegenüber Abgeordnetem Peter Fichtenbauer
(F), der sich danach erkundigt hatte.
Finanzminister Josef Pröll ergänzte auf eine Frage von Abgeordnetem Wilhelm Molterer (V), die neue Finanzmarktaufsicht,
bestehend aus drei neuen Behörden, eine für Banken in London, eine für Versicherungen in Frankfurt
und eine für Wertpapiere in Paris, sei abgeschlossen und könne mit ihrer Arbeit, aufbauend auf dem bestehenden
Komitee, ab 1. Jänner 2011 beginnen. Anfang nächsten Jahres werde auch der sogenannte Risk-Board, ein
Frühwarnsystem, das wirtschaftliche Empfehlungen abgeben kann, seine Tätigkeit aufnehmen.
Diskussion um Auswirkungen neuer Abgaben und Regeln für Banken
Abgeordneter Johannes Hübner (F) bestand im Namen seiner Fraktion auf einer Trennung zwischen Investmentbanken
und Geschäftsbanken, denn die Krise sei in erster Linie durch Investmentgeschäfte entstanden. Er brachte
dazu auch einen Antrag auf Stellungnahme ein, der jedoch nicht die erforderliche Mehrheit fand. Abgeordneter Wilhelm
Molterer (V) meinte dazu, der entscheidende Punkt sei nicht die Trennung der Banken, sondern die Erlassung klarer
Spielregeln.
Eine Diskussion entstand auch über die geplanten zusätzlichen Abgaben und Regelungen für Banken.
Abgeordneter Günter Stummvoll (V) befürchtete, dass die kumulative Wirkung von Basel III, der Bankensteuer,
der Einlagensicherung und der Anlegerentschädigung zu einer Belastung der Banken und damit zu einer restriktiven
Kreditvergabe führen könnte. Seine Sorge seien negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigung.
Es wäre durchaus vernünftig zu untersuchen, wie sich die Belastungen auf die Banken auswirken, warf Abgeordneter
Kai Jan Krainer (S) ein, gleichzeitig müsse man sich aber auch anschauen, was die Bewältigung der Krise
den SteuerzahlerInnen gekostet hat und welche Gewinne und Gewinnausschüttung die Banken heute wieder zu verzeichnen
haben. Ähnlich reagierte der Bundeskanzler, der auf die internationalen Verzweigungen und Gewinne österreichischer
Banken hinwies, ohne dass sich dies auf das Steueraufkommen in Österreich positiv ausgewirkt hat.
Wie geht es mit dem Klimaschutz weiter?
Abgeordnete Christiane Brunner (G) thematisierte die Vorbereitungen für den Klimaschutzgipfel in Cancun. Die
Verantwortung für den Klimawandel liege eindeutig bei den Industriestaaten, sagte sie. Auch wenn in Kopenhagen
kein Ergebnis erzielt worden sei, könne jeder Staat, unabhängig von internationalen Übereinkommen
etwas zur CO2-Reduktion beitragen. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang auch scharf die innerösterreichische
Umweltpolitik in Bezug auf CO2-Reduktion und Waldabholzung.
Er sei skeptisch, ob der Rahmen der UNO für diese Fragen der richtige sei, antwortete Bundeskanzler Faymann.
Seiner Einschätzung nach wäre mehr zu erreichen, in kleineren und mittleren Einheiten Schritte zu setzen,
als die Zustimmung aller Regierungschefs und –chefinnen abzuwarten. Österreich sei aber bereit, die CO2-Emissionen
um 30 % zu reduzieren. Dennoch müsse man beachten, dass Österreich etwa durch den Transit spezielle Probleme
hat und der Spielraum der Industrie weitgehend ausgeschöpft ist.
Er wies auch darauf hin, dass es trotz der geplanten Erhöhung der Mineralölsteuer noch immer günstiger
ist, bei uns aufzutanken als in den Nachbarländern. Die wenig konkreten Formulierungen in den Schlussfolgerungen
für den Rat erklärte der Bundeskanzler mit dem Hinweis, dass die EU derzeit Vorgespräche mit den
USA führe, um zu Rechtsverbindlichkeiten zu gelangen.
Der Bundeskanzler bekannte sich auch zu einer nachhaltigen Waldwirtschaft, aber auch hier müssten Vorleistungen
mitberücksichtigt werden, stellte er fest. |