Bundesrat diskutiert soziale Themen
Wien (pk) – Der Bundesrat sprach sich am 05.11. auch für das Übereinkommen über die
Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der
elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern aus. Damit soll in Bezug auf die zuständigen
Behörden Rechtssicherheit für Kinder von Eltern verschiedener Staatsbürgerschaft geschaffen werden.
Ohne Einspruch blieben weiters sozialrechtliche Änderungen, die unter anderem die Beschäftigung von Kindern
und Jugendlichen, das Arbeitsruhegesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz betreffen sowie das KünstlerInnensozialversicherungs-Strukturgesetz,
das die Einrichtung eines Servicezentrums bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft für
Künstlerinnen und Künstler vorsieht.
Den Abschluss der Tagesordnung bildete das Abkommen zwischen Österreich und Montenegro über soziale Sicherheit,
das ebenfalls unbeeinsprucht blieb.
Mehr Schutz für Kinder von Eltern mit verschiedener Staatsbürgerschaft
Bundesrätin Anneliese JUNKER (V/T) bewertete das Gesetz als besonders wichtig, da es darin um die Rechte der
Kinder gehe. Die Frage der elterlichen Verantwortung werde klar geregelt. In der bisherigen Praxis sei es vielfach
zu Schwierigkeiten im Falle von Doppelstaatsbürgerschaften gekommen, die zum Nachteil der Minderjährigen
gereichten, sagte sie. Nunmehr sei die Behörde des hauptsächlichen Aufenthalts zuständig. Die Regelung
betreffe bisher vor allem europäische Staaten. Opferschutzeinrichtungen bestätigten, dass es sich um
ein gutes Gesetz handle, dem aber mehr Staaten, insbesondere mehr Nicht-EU-Staaten, beitreten müssten, stellte
Junker fest.
Bundesrätin Ana BLATNIK (S/K) unterstrich, dass es um Kinder aus binationalen Beziehungen gehe, denen unser
voller Schutz zustehe. Die Bundesrätin erläuterte ihre Position anhand eines konkreten Beispiels aus
einem Sorgerechtsstreit, in dem der geschiedene Vater auf "Kindesentführung" klagen konnte. Zur
Entscheidung der offenen Sorgerechtsfrage müsse das Kleinkind nun nach Griechenland gebracht werden. Der Fall
illustriere, dass es Probleme mit der rechtlichen Zuständigkeit in Sorgerechtsfragen gebe, die mit der vorliegenden
Gesetzesänderung nun geregelt werde. Nunmehr gelte das Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen
Aufenthalt habe. Für Kinder, die in Österreich geboren wurden, ist das österreichische Rechtssystem
zuständig. Man werde dem Gesetz daher sehr gerne zustimmen.
Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) sah darin ebenfalls ein wichtiges Gesetz, da immer mehr Familien den
Gesetzen verschiedener Länder unterliegen. Die Vorlage bringe nun eine Klärung der Lage. Kerschbaum kritisierte
in diesem Zusammenhang vehement jüngst durchgeführte Abschiebungen von Kleinkindern mit einem österreichischen
Elternteil. Sie bezeichnete es als schade, dass die UN-Kinderrechtskonvention noch nicht zur Gänze in den
Verfassungsrang gehoben wurde, kündigte aber die Zustimmung ihre Fraktion zum Übereinkommen an.
Bundesrätin Inge POSCH-GRUSKA (S/B) sah in der Regelung einen weiteren Schritt zur Verankerung von Kinderrechten.
Kinder hätten Anspruch auf Schutz. Daher sei es wichtig, dass österreichische Behörden auch für
in Österreich geborene Kinder zuständig seien. Was das Thema gemeinsame Obsorge anbelangt, verwies sie
auf das Beispiel Italiens, wo sich zeige, dass eine solche Regelung auch Probleme aufwerfe. Die gemeinsame Obsorge
müsse freiwillig sein, denn eine gesetzliche Verpflichtung gehe zu Lasten der Kinder. Das vorliegende übereinkommen
schaffe klare Spielregeln und sei ein wichtiger Schritt, Kinderrechte zu verankern, weshalb man ihm natürlich
zustimme, sagte die Bundesrätin.
Das Übereinkommen wurde mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.
Mehr arbeitsrechtlicher Schutz für Jugendliche
Bundesrätin Muna DUZDAR (S/W) erläuterte, das Gesetz regle die Ausnahmen bei Kinder- und Jugendarbeit
in Gewerbebetriebe. Dort konnten bisher Kinder ab 12 Jahren zu gewissen Arbeiten heranzogen werden. Nun erfolge
eine Anpassung an internationale Bestimmungen, durch die das Mindestalter auf 13 Jahre angehoben werde. Dies sei
ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Kinderarbeit. Gerade ein wohlhabendes Land wie Österreich müsse
eine Vorreiterrolle bei den Schutzvorschriften für Kinder und Jugendliche spielen. Die geplante Ausdehnung
auf ausländische ArbeitgeberInnen sei ein weiteres wichtiges Detail des Gesetzes.
Das Landarbeitsgesetz werde im Sinne der Mitbestimmung von jugendlichen ArbeiterInnen geändert, indem man
das aktive Wahlrecht für den Betriebsrat auf 16 und das passive Wahlalter auf 18 Jahre senke. Somit können
nun die Interessen der Jugendlichen in Land- und Forstwirtschaftsbetrieben leichter vertreten werden.
Die Änderung der Arbeitszeitbestimmungen im Bereich der Krankenanstalten betreffe den Schutz von ArbeitnehmerInnen,
aber auch von PatientInnen. Hier gehe es um die Qualitätssicherung im Gesundheitssystem. Man werde daher der
Novelle gerne zustimmen, betonte die Bundesrätin.
Der Beschluss des Nationalrats wurde mit Stimmeneinhelligkeit bestätigt.
Geteilte Meinung zur Servicestelle für KünstlerInnen
Bundesrätin Monika MÜHLWERT (F/W) begründete die Ablehnung ihrer Fraktion mit dem damit verbundenen
hohen Verwaltungsaufwand. Man müsse bedenken, dass tausende Österreicher und Österreicherinnen in
Teilzeitarbeitsverhältnissen arbeiten, ohne dass eine Arbeitsgruppe eines Ministeriums sich ihrer Anliegen
annehme.
Bundesrätin Juliane LUGSTEINER (S/N) setzte sich mit den gravierenden Veränderungen in der Arbeitswelt
auseinander, die immer weniger Lebensstellungen, aber immer mehr atypische Beschäftigungen biete. Insbesondere
KünstlerInnen, schätzungsweise mehr als 10.000, lebten in unsicheren, prekären Verhältnissen.
Daher begrüßte die Rednerin sozialversicherungsrechtliche Verbesserungen für die KünstlerInnen
und die Einrichtung eines Kompetenzzentrum, eines One-Stop-Shops für Informationen und Hilfestellungen für
die KünstlerInnen.
Bundesrat Franz PERHAB (V/St) zeigte sich enttäuscht über die FPÖ, die die vorliegenden Schritte
zugunsten der KünstlerInnen ablehnt. Tausende KünstlerInnen brauchten eine Pflichtversicherung und die
damit verbundene soziale Sicherheit, ihnen werde die neue Servicestelle Informationen bieten und bei der Antragstellung
behilflich sein. Die Kosten für die neue Stelle seien hoch, räumte der Redner ein und drängte auf
eine möglichst sparsame Verwaltung, kündigte aber dessen ungeachtet die Zustimmung seiner Fraktion an.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer rief die BundesrätInnen der FPÖ dazu auf, sich in die Lage der KünstlerInnen
zu versetzen und zu beachten, dass sich KünstlerInnen durch die Besonderheit ihres Berufs an einem Tag oft
im Rahmen dreier verschiedener Sozialversicherungen bewegen. Die geplante Servicestelle soll die diesbezügliche
Verwaltung vereinfachen, zugleich als Künstlerausgleichsfonds tätig werden und die KünstlerInnen
in schwierigen Lebenslagen unterstützen. Den BundesrätInnen sagte der Minister eine Evaluierung der Erfahrungen
mit der neuen Servicestelle an.
Bundesrat Stefan SCHENNACH (S/W) setzte sich mit der Situation besonders armer KünstlerInnen, etwa mit den
KomponistInnen zeitgenössischer Musik, auseinander und wies ebenfalls auf die unterschiedlichen Versicherungssituationen
der KünstlerInnen und die spezifischen Probleme hin, die daraus entstehen. Daher sei die KünstlerInnenversicherung
so wichtig und unverzichtbar und jede Stimme gegen die Einrichtung der Servicestelle unverständlich, meinte
Schennach.
Bundesrat Stefan ZANGERL (OF/T) befasste sich mit der neuen Möglichkeit der KünstlerInnen, ihre gewerbliche
Tätigkeit ruhend zu stellen, um einen Arbeitslosenbezug beantragen zu können. Der Redner hielt es für
wichtig, die KünstlerInnen über ihre Rechte und Pflichten zu informieren. Er stimme der Gesetzesänderung
gerne zu, sagte Zangerl, regte aber zugleich an, neue Bundesstellen künftig nicht nur in der Bundeshauptstadt
Wien, sondern auch in den Bundesländern anzusiedeln.
Der Bundesrat erhob mehrheitlich keinen Einspruch gegen das Gesetz.
Bundesrat Kühnel: Balance zwischen Zentralmacht und Ländern wahren
Bundesrat Franz Eduard KÜHNEL (V/W) kündigte zunächst die Zustimmung seiner Fraktion zum vorliegenden
Abkommen an.
Im Hinblick auf sein bevorstehendes Ausscheiden aus der Länderkammer bekannte sich der "demokratische
Offizier" zum Primat der Politik und riet seinen BundesratskollegInnen, in der Diskussion um die Länderkammer
Gelassenheit zu bewahren, denn die Argumente gegen den Bundesrat seien "nicht unbedingt nobelpreisverdächtig",
sagte Kühnel pointiert. Der scheidende Ländervertreter bekannte sich nachdrücklich zum Föderalismus,
weil die Länder seiner Meinung nach sozialen Frieden gewährleisten. Er hielt es – als Lehre aus der Geschichte
– für wichtig, die Balance zwischen Zentralmacht und Ländern zu wahren, auch in der Europäischen
Union. Österreich fahre gut mit seinem Zwei-Kammer-System, meinte Kühnel und empfahl dem Bundesrat als
gleichermaßen überzeugter Föderalist und Europäer, die neuen Möglichkeiten des Lissaboner
Vertrags zu nützen und Flagge zu zeigen. Schließlich gab sich Kühnel auch als "Atlantiker"
zu erkennen, der sich für die Zusammenarbeit der Demokratien – eine Minderheit unter den Staaten – einsetze.
Kühnels abschließender Appell lautete, die Budget- und Schuldenprobleme zu lösen, in guten Wirtschaftszeiten
zu sparen, um in schlechten Zeiten Geld ausgeben zu können, und plädierte dafür, die Lebensarbeitszeit
angesichts der demographischen Entwicklung zu verlängern.
Bundesratsvizepräsidentin Susanne NEUWIRTH wünschte Bundesrat Kühnel und allen anderen BundesrätInnen,
die aus der Länderkammer ausscheiden, alles Gute auf ihrem weiteren Lebensweg.
Der Bundesrat stimmte dem Abkommen mit Montenegro einhellig zu. |