Brüssel (ec.europe) - Die Kommission hat am 03.11. die Einführung von Sicherheitsstandards
für die Endlagerung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle aus Kernkraftwerken sowie aus
Medizin und Forschung vorgeschlagen. Im entsprechenden Richtlinienvorschlag werden die Mitgliedstaaten aufgefordert,
nationale Programme vorzulegen, in denen sie angeben, wann, wo und wie sie höchsten Sicherheitsstandards entsprechende
Endlager zu bauen und zu betreiben beabsichtigen. Mit Verabschiedung der Richtlinie würden international vereinbarte
Standards in der Europäischen Union rechtsverbindlich und durchsetzbar gemacht.
Dazu Energiekommissar Günther Oettinger: „Sicherheit betrifft alle Bürger und alle EU-Länder, unabhängig
davon, ob sie für oder gegen Kernenergie sind. Wir müssen gewährleisten, dass wir über die
höchsten Sicherheitsstandards in der Welt verfügen, um unsere Bürger, unsere Gewässer und unsere
Böden vor radioaktiver Kontaminierung zu schützen. Sicherheit ist unteilbar. Kommt es in einem Land zu
einem Unfall, kann dies auch in anderen Ländern verheerende Folgen haben.“
Die Kommission schlägt vor, einen verbindlichen und durchsetzbaren EU-Rechtsrahmen zu schaffen und auf diese
Weise sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten die gemeinsamen Standards anwenden, die im Kontext der Internationalen
Atomenergieorganisation (IAEO) für sämtliche Stadien der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver
Abfälle bis hin zur Endlagerung entwickelt wurden.
Insbesondere sieht die Richtlinie Folgendes vor:
- Die Mitgliedstaaten müssen innerhalb von vier Jahren nach Verabschiedung der Richtlinie nationale Programme
erstellen. Diese sollten Folgendes enthalten: Pläne für den Bau und den Betrieb von Endlagern mit einem
konkreten Zeitplan für die Errichtung der Anlagen und Angaben zu den Zwischenetappen, einer Beschreibung sämtlicher
zur Umsetzung der Endlagerungslösungen erforderlichen Tätigkeiten, Kostenbewertungen sowie Angaben zu
den geltenden Finanzregelungen.
- Die nationalen Programme sind der Kommission zu notifizieren. Die Kommission kann die Mitgliedstaaten auffordern,
ihre Pläne abzuändern.
- Zwei oder mehrere Mitgliedstaaten können untereinander Vereinbarungen über die Nutzung eines Endlagers
in einem dieser Mitgliedstaaten treffen. Die Verbringung von Nuklearabfällen zur Endlagerung in Länder
außerhalb der EU ist verboten.
- Die Öffentlichkeit muss von den Mitgliedstaaten informiert werden und sollte die Möglichkeit haben,
sich an der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Entsorgung nuklearer Abfälle zu beteiligen.
- Die von der Internationalen Atomenergieorganisation entwickelten Sicherheitsstandards werden rechtsverbindlich.
Somit sind unter anderem unabhängige Behörden einzurichten, die für die Vergabe von Genehmigungen
für den Bau von Endlagern und für die Prüfung der Sicherheitsanalysen für die einzelnen Lager
verantwortlich sind.
Hintergrund
Mehr als 50 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten Kernkraftreaktors (Calder Hall, Vereinigtes Königreich, 1956)
existieren noch immer keine Endlager. Jährlich fallen in der EU etwa 7 000 Kubikmeter hochradioaktive Abfälle
an, die größtenteils in Zwischenlager verbracht werden. Bei hochradioaktivem Abfall handelt es sich
um den Teil von wiederaufgearbeiteten abgebrannten Brennelementen, der nicht wiederverwertet werden kann und somit
endgelagert werden muss.
Zwischenlager sind zur Abkühlung und zur Absenkung der Strahlung von Brennelementen und hochradioaktiven Abfällen
zwar notwendig, stellen aber keine langfristige Lösung dar, weil sie eine kontinuierliche Wartung und Überwachung
erfordern. Da sich Zwischenlager üblicherweise an oder nahe der Erdoberfläche befinden, besteht zudem
die Gefahr von Unfällen, z. B. bei Flugzeugabstürzen, Bränden oder Erdbeben. Unter Wissenschaftlern
und internationalen Organisationen wie der IAEO herrscht allgemein Einigkeit darüber, dass eine Endlagerung
in tiefen geologischen Formationen die am besten geeignete Lösung zur langfristigen Entsorgung hochradioaktiver
Abfälle ist.
Nach dem Euratom-Vertrag ist es Aufgabe der Europäischen Union, die Bevölkerung vor ionisierender Strahlung
zu schützen. Die Wahl des Energiemixes fällt jedoch in die nationale Zuständigkeit. Kernkraftwerke
gibt es in 14 der 27 Mitgliedstaaten.
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