Beherztes Plädoyer für eine neue Solidarität   

erstellt am
02. 11. 10

Prammer: "Demokratiebildung" ist mehr als "Institutionenkunde"
Wien (pk) - Zivilcourage und Demokratie gehören untrennbar zusammen, so das Fazit von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die am 02.11. die zahlreich zur Startveranstaltung des "Projekts Zivilcourage – Aufruf zu einer neuen Solidarität" erschienen Gäste im Hohen Haus begrüßte. Lebendige Demokratie sei schließlich auf die Partizipationsbereitschaft der BürgerInnen angewiesen, die es bereits früh zu fördern und zu unterstützen gelte. "Demokratiebildung" umfasse dabei mehr als schlichte "Institutionenkunde", gab Prammer zu bedenken. Vielmehr gehe es darum, den Grundstein für Lust am Austausch, Kompromissfähigkeit, interkulturelle Kompetenz und Kritik an Autoritäten zu legen. Natürlich könne der Staat, obgleich er sie brauche, Zivilgesellschaft und –courage nicht "verordnen". Es liege letztlich an jedem Einzelnen, demokratische Werte zu leben und zu verfechten, schloss Prammer.

Die Bedeutung von Menschen, die ihrem Gewissen folgen, hob auch Luitgard Derschmidt, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich und Initiatorin des Projekts, hervor. Vor dem Hintergrund beunruhigender Entwicklungen wie dem Anstieg von Xenophobie, Demokratie- und Politikverdrossenheit und dem gravierendem Verlust von Solidarität sei die Zivilgesellschaft gefragt, einen Diskurs zu initiieren. Wer Zivilcourage fordere, müsse sich aber auch mit den Bedingungen, unter denen sie möglich ist, auseinandersetzen: Die heutige Veranstaltung wolle dazu einen Beitrag leisten, schloss Derschmidt.

Vor diesem Hintergrund diskutieren die prominenten WissenschaftlerInnen Gerhard Jagschitz, Veronika Brandstätter-Morawietz, Christian Felber, Rudolf de Cillia, Susanne Heine, Markus Hengstschläger und Ottomar Fuchs sowie die kritische Journalistin Antonia Gössinger heute in den Räumlichkeiten des Parlaments über die Voraussetzungen für Engagement und ein offenes Miteinander. Moderiert werden die Podiums- und Publikumsdiskussionen von Magda Krön, Peter Pawlowsky und Matthias Zauner. Für die entsprechende musikalische Umrahmung sorgen Ernst Molden und Willi Resetarits.

Eingeleitet wurden diese Diskussionen von einem Impulsreferat des Zeitgeschichtlers Gerhard Jagschitz, der zunächst auf die Probleme, die mit der Verwendung des mehrdeutigen Begriffs "Zivilcourage" einhergehen, zu sprechen kam. So sei man heute mit einer Vielzahl von Definitionen konfrontiert, die aber einige Elemente gemeinsam hätten: Darunter falle beispielsweise die Tatsache, dass Zivilcourage stets mit einem Element des sozialen Handelns verbunden sei, das von einem Individuum ausgehe, stellte Jagschitz fest. Am Beginn stehe schließlich stets die Entscheidung des Einzelnen zum Widerstand, der dafür Nachteil und Diffamierung in Kauf nehme, zumal der Ausgang eines solchen Prozesses ungewiss sei. Jagschitz wies in diesem Zusammenhang außerdem auf ein "eklatantes Missverhältnis" zwischen jenen Dingen, die die Menschen tun wollten, und jenen, die sie wirklich täten, hin. Was das politische System Österreichs anbelange, wünschte sich der Zeitgeschichtler einen "Demokratiesturm" zur Etablierung einer neuen partnerschaftlichen Basis zwischen Zivilgesellschaft und Politik.
     
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