Tel Aviv (gewitsch) - Am 10.11. fand im Auditorium und im Museum des Kibbutz Lochamei Hagetaoth die bereits
traditionelle Zeremonie anläßlich der Reichspogromnacht, die auch allzuoft zur "Reichskristallnacht"
verschönert wird, statt. Die Gedenkfeier wird alljähtlich vom Zentralverband der Juden aus Österreich
in Israel organisiert, seit die Verbindung zwischen dem Zentralverband und dem Erinnerungszentrum im Kibbutz begann.
Dies war vor mehreren Jahren, als der Zentralverband eine Erinnerungstafel an Aaron Menczer (1917 - 1942) in der
Gedenkhalle an die in der Shoah ermordeten Kinder anbringen ließ. Menczer war ein Jugendaliyah - und Jugendführer
von jüdischen Waisenkindern in Wien, der im Frühling 1939 (!) eine Gruppe nach Palästina brachte,
um dann nach Wien zurück zu kehren (!) weil er seine dortigen Schützlinge (kaum 5 - 6 Jahre jünger
als er selbst), trotz der Todesgefahr im Nazireich, nicht im Stich lassen wollte; er begleitete sie auf ihrem
Leidensweg bis zum Tode und wird daher auch der "österreichische Janos Korczak" genannt.
Die Gedenkfeier begann mit einer Begrüßung durch Jossi Shavit, dem Direktor des Archivs, auf Hebräisch
- die ganze Veranstaltung fand diesmal nur auf Hebräisch statt - und dann wurde ein neues Exponat, welches
jetzt ins Museum kam, vorgezeigt: Eine rote Fahne der zionistischen/sozialistischen Jugend in Wien, mit goldenen
hebräischen Buchstaben. Danach sptach Gideon Eckhaus und begrüßte die zahlreichen Anwesenden, die
das Auditorium überfüllten. Es waren nicht nur drei Autobusse gekommen (Tel Aviv, Jerusalem und Haifa)
viele Teilnehmer kamen auch in ihren Privatautos. Josef Linser sprach das Totengebet "Kaddisch". Dann
sang Betty Klein jiddische Lieder, darunter auch die bekannte Partisanenhymne "Wir sind da!"
Danach kam der eigentliche Höhepunt der Veranstaltung: Chovkah Raban, Partisanin und Überlebende des
Warschauer Ghettos, die 1949 zu den Gründern des Kibbutz zählte, berichtete über - unter dem Titel:
"Ohne Abschied" über ihre Erlebnisse aus der schrecklichen Zeit und beantwortete auch die zahlreichen
Fragen aus dem Publikum. Nach dem - sehr schmackhaften! - Mittagessen besuchten wir den das Museum und vor allem
den neu gestalteten "Treblinka-Saal", in dessen Mittelpunkt das grosse Modell des Lagers, angefertigt
vom Kunsttischler Jacob Weiernik (1889-1972) geschaffen, der Gefangener in diesem Lager war. Nur eine kleine Diskrepanz
wartet der Aufklärung: Eine große Tabelle an der Wand zeigt die Zahlen der in der Schoah ermordeten
Juden, nach Ländern geornet. Bei Österreich steht daß beim Anschluß dort 185,000 Juden lebten,
von denen 50,000 umkamen. Bisher waren wir immer der Ansicht daß 65,000 österreichische Juden ermordet
wurden.
Es war eine sehr schöne, wenn auch naturgemäß ergreifende und traurige Veranstaltung und wir Teilnehmer
sind Gideon Eckhaus, dem Vorsitzenden des Zentralverbands, sowie Debbie Neufeld (welche die organisatorische Leitung
hatte - alles klappte "wie am Schnürchen"), der Leiterin des Österreicherklubs in Tel Aviv,
zu großem Dank verpflichtet.
Peter F. Michael Gewitsch
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