Finnischer Ex-Premier Lipponen erläutert ökonomische Erfolgsgeheimnisse seines Landes
Wien (pwk) - "Bei der Krisenbekämpfung und im Bildungssystem setzten die Finnen in den vergangenen
Jahrzehnten Maßstäbe, an denen es sich zu orientieren gilt, um international vorne mitzuspielen",
betonte WKÖ-Präsident Christoph Leitl bei den Wirtschaftspolitischen Gesprächen der Wirtschaftskammer
Österreich (WKÖ) und des Instituts für Höhere Studien (IHS) zum Thema "Zwei Jahrzehnte
finnische Reformen und ihre aktuelle Bedeutung". Finnland gilt als Vorzeigeland der Krisenbewältigung.
Wie es dem nordischen Staat gelungen ist, das schwere wirtschaftliche Tief in den frühen Neunzigern zu überwinden
und wie das Land heute mit Krisenbewältigung umgeht, erläuterte der ehemalige finnische Premierminister
Paavo Lipponen heute, Montag, im Haus der Wirtschaft.
"Innovation und Qualifikation sind die zwei entscheidenden Schlüsselworte der finnischen Reformagenda
der vergangenen Jahrzehnte. Paavo Lipponen hat diese entscheidend geprägt", so Leitl. Der Wirtschaftskammerpräsident
unterstrich, dass Österreich bei der Jugendarbeitslosigkeit den Vergleich mit Finnland nicht zu scheuen brauche.
"Beim PISA-Test können wir noch viel von den Finnen lernen, aber die duale Ausbildung ist ein entscheidender
Erfolgsfaktor im heimischen Ausbildungssystem, der sich bewährt hat. Hier können wir auch voneinander
lernen."
IHS-Chef Bernhard Felderer strich einige Eckpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung Finnlands hervor: Der Staat
sei wie Österreich nach dem zweiten Weltkrieg ein relativ armes Land gewesen, das sich innerhalb kürzester
Zeit prosperierend entwickelte. In den frühen 1990er Jahren durchlebten die Finnen eine schwere Krise mit
einem Wirtschaftseinbruch um zwölf Prozent. "Lipponen hat sich als 'Master of Crises' hervorgetan und
Finnland mit intelligente Reformen wieder nach vorne gebracht".
Die Krise der Banken und eine Blase auf dem Immobilienmarkt hatten der gesamten Volkswirtschaft Anfang der 1990er
stark zugesetzt, als eine politische Umwälzung die Lage noch verschlimmerte. Lipponen: "Was uns damals
fast umgebracht hat, war der Zusammenbruch der Sowjetunion." Viele finnische Wirtschaftszweige, etwa die Textilindustrie,
waren bis dahin vom Handel mit dem Osten abhängig und haben durch den Kollaps der Sowjetunion einen Totaleinbruch
erlitten.
In der Folge war der Staat mit Premier Lipponen an der Spitze zu einer Reihe von Einschnitten gezwungen, um Arbeitslosigkeit
und private Schuldenlast in den Griff zu bekommen. Erhöht wurden dagegen die Ausgaben für Forschung und
Bildung, wie der Politiker ausführte. Als wichtige Schritte in dieser Phase bezeichnete Lipponen die Lohnzurückhaltung
und Währungsabwertung. Ein wesentlicher Faktor für den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg seines Landes
ist aus seiner Sicht das Bildungssystem. Ein kleines Land wie Finnland müsse in Zeiten der Globalisierung
sein ganzes Humankapital heben können, betonte Lipponen. Ein weiterer Schlüsselfaktor ist für den
Ex-Premier die starke Förderung von Innovationen.
Neben diesen "Plus-Punkten" gebe es in seinem Land natürlich auch Probleme und Herausforderungen,
betonte Lipponen. An erster Stelle nannte er hier die relativ hohe Jungendarbeitslosigkeit. Aber auch die im internationalen
Vergleich niedrige Gründungsrate in Finnland macht ihm Sorgen. "Wir sind zwar Weltspitze bei Innovationen,
haben aber nicht genug Unternehmertum. Auch hier können wir sicher von Österreich lernen". |