Expertenhearing im Landwirtschaftsausschuss
Wien (pk) - Die Zukunft der europäischen Agrarpolitik (GAP) stand am 25.11. im Mittelpunkt eines
Hearings im Landwirtschaftsausschuss, in dem sich Expertinnen und Experten mit den Perspektiven für die Landwirtschaft
vor dem Hintergrund der Globalisierung und der ökologischen Herausforderungen auseinandersetzten. Anknüpfungspunkt
war ein Paket von Anträgen der Grünen und des BZÖ, die Forderungen nach einer klaren Positionierung
der Bundesregierung für die Zeit nach 2013 unter Berücksichtigung der Frage der Nachhaltigkeit, aber
auch der Marktchancen für die heimischen bäuerlichen Betriebe enthielten. Diese Anträge wurden auf
Vorschlag des Abgeordneten Kurt Gaßner (S) mehrheitlich vertagt. Das Thema GAP-Reform wird im Landwirtschaftsausschuss
weiterhin auf der Tagesordnung stehen, schon in der nächsten Sitzung in Form einer aktuellen Aussprache und
dann auch bei einer Parlamentarischen Enquete, teilte Abgeordneter Gaßner mit.
Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich schickte voraus, das diesbezügliche Kommissionspapier lasse noch
viele Fragen offen, so etwa jene der finanziellen Ausstattung des Agrarbudgets und der detaillierten Höhe
der Prämien, treffe aber entscheidende Weichenstellungen im Sinne Österreichs. Für die heimische
Landwirtschaft sei es wichtig, dass es zu einer Weiterentwicklung der GAP und nicht zu einem Umbruch des Systems
kommt, stellte der Ressortchef klar. Die Bauern müssen Sicherheiten hinsichtlich der Rahmenbedingungen vorfinden,
öffentliche Gelder seien mit einer Leistungskomponente auszustatten. Berlakovich konnte sich eine Obergrenze
für Agrarsubventionen vorstellen und nannte in diesem Zusammenhang einen Betrag von 800.000 Euro.
Er begrüßte es, dass nach dem vorliegenden Papier die Bergbauernförderung in der zweiten Säule
verbleibt und Österreichs Politik einer flächendeckenden Bewirtschaftung gerade in schwierigen Regionen
dadurch weitergeführt werden könne. Als Erfolg der österreichischen Arbeit in Brüssel verbuchte
Berlakovich auch den Umstand, dass es keine Flatrate geben werde.
Leo Steinbichler zeichnete ein pessimistisches Bild der heimischen Landwirtschaft und sprach insgesamt von Fehlentwicklungen.
Die Preise seien so hoch wie vor 40 Jahren, die Bauern könnten dadurch nicht mehr kostendeckend wirtschaften,
von der Politik des Feinkostladens habe sich Österreich längst verabschiedet. Er beklagte jüngste
Lebensmittelskandale wie etwa den Kunstkäse, die zulasten der österreichischen Bauern geführt haben,
und kritisierte Versäumnisse bei der Kennzeichnung. Er forderte Ausgleichszahlungen, insbesondere eine Anhebung
der Grünlandprämie, und unterstrich mit Nachdruck, Bauerngeld müsse in die Bauernhöfe gehen.
Iris Strutzmann erklärte die Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum auch im sekundären
und tertiären Sektor zum zentralen Ziel einer gemeinsamen Agrarpolitik ab 2013. Wichtig sei es dabei, eine
entsprechende Infrastruktur zu errichten, um die Landregionen auch für Frauen und Jugendliche attraktiv zu
erhalten und der Abwanderung entgegen zu wirken. Sie forderte weiters eine gerechtere Verteilung der Agrarförderungen
und Obergrenzen bei der Auszahlung. Insgesamt meinte sie, die Subventionen müssten verstärkt in die Arbeitsplätze
im ländlichen Raum gehen.
Irmi Salzer plädierte für die Förderung der kleineren landwirtschaftlichen Betriebe und eine stärkere
Ausrichtung auf ökologische Kriterien sowie eine Umverteilung der Direktzahlungen. Hinsichtlich des Milchbereiches
verlangte sie eine effiziente Marktregulierung, die sich am Bedarf der EU zu orientieren habe, insbesondere eine
bessere und flexiblere Ausgestaltung der Milchquoten. Auch Salzer drängte auf Maßnahmen zur Erhaltung
des ländlichen Raumes und schlug vor, die Auszahlungen der Förderungen verstärkt an den Faktor Arbeitskraft
zu koppeln. Die Bundesregierung rief sie dazu auf, als Vorkämpfer für eine Umkehr des Strukturwandels
zu agieren.
Edith Klauser sah die gemeinsame Agrarpolitik unter dem Aspekt der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und
des Schutzes von natürlichen Ressourcen und räumte ebenfalls der Förderung der ländlichen Wirtschaft
hohen Stellenwert ein. Wichtig war für sie, dass die Zahlungen der ersten Säule mit einer ökologischen
Komponente verbunden werden, sodass es demnach ein Basiseinkommen und eine Umweltprämie gibt. Auch gelte es,
die vorhandenen wirtschaftlichen Potentiale auf lokaler Ebene zu nutzen und darüber hinaus Ausgleich für
benachteiligte Regionen zu schaffen.
Ernst Huber warnte vor drastischen Kürzungen für Österreichs Agrarbetriebe nach 2013 und sprach
von einer existentiellen Gefahr, insbesondere für die heimischen Bergbauern. Gerade angesichts der großen
Bedeutung der Rinderzucht sei es unabdingbar, die Position Österreichs als Zucht- und Exportland aufrecht
zu erhalten.
Thomas Schmidthaler nahm zur Lage auf dem Milchsektor Stellung und trat für eine Bündelung der Milchbauern
ein, um ihre Verhandlungsposition zu stärken. Auch sollte in der EU eine Monitoring-Stelle eingerichtet werden,
die einen kostendeckenden Milchpreis für die Gunstlage ermittelt, benachteiligte Gebiete sollten einen Ausgleich
erhalten. Zudem schlug Schmidthaler eine flexible Mengenregelung und die Erstellung eines Preisbandes vor, bei
dessen Überschreitung bzw. Unterschreitung die Mengen erhöht oder gesenkt werden können.
Franz Hochegger sah die gemeinsame Agrarpolitik vor allem dazu aufgerufen, ihre Maßnahmen in Richtung des
Arbeitseinsatzes im Betrieb zu treffen, sprach sich darüber hinaus für Obergrenzen bei der Förderung
aus und verlangte eine wirksame Kennzeichnung der Lebensmittel hinsichtlich ihres Herkunftslandes.
Ewald Grünzweil meinte, Österreich brauche eine völlig andere Agrarpolitik, und forderte eine "Schubumkehr".
Ihm ging es vor allem um kostendeckende und gewinnbringende Preise für die Milchbauern, eine flexible Steuerung
der Milchmenge und sozialen Ausgleich für die Bergbauern. Die Betriebe sollten seiner Einschätzung nach
eher eine überschaubare Größe haben, zumal, wie er sagte, Großbetriebe mit Landwirtschaft
oft nichts mehr zu tun hätten.
Adolf Marksteiner beklagte, Österreichs System der Förderabwicklung sei mit viel Verwaltung verbunden.
Er konnte sich etwa Vereinfachungen im Bereich der Rinderkennzeichnung oder ein einheitliches Zahlungsmodell bei
der Betriebsprämie vorstellen. |
In der Diskussion plädierte Abgeordneter Harald Jannach (F) für eine Begrenzung der Förderungen
und thematisierte überdies die Situation auf dem Milchmarkt. Abgeordneter Ewald Sacher (S) trat ebenfalls
für Förderobergrenzen ein und verlangte zudem eine bessere Lebensmittelkennzeichnung. Abgeordnete Rosemarie
Schönpass (S) wiederum sah die Agrarpolitik aufgerufen, entsprechende Rahmenbedingungen für gesunde,
qualitativ hochstehende Lebensmittel zu schaffen. Die Abgeordneten Gabriela Moser und Wolfgang Pirklhuber (beide
G) brachen eine Lanze für Förderungen in den Biolandbau, während Abgeordnete Christiane Brunner
(G) Maßnahmen der Agrarpolitik zugunsten des Klimaschutzes einmahnte. Abgeordneter Hermann Schultes (V) wies
auf die gute Qualitätsentwicklung in der österreichischen Lebensmittelproduktion hin und erkundigte sich
nach der Entwicklung der agrarischen Überschussverwertung. Problematisch sah Schultes die bäuerliche
Entwicklung in der Nord-Ost-Region. Abgeordneter Gerhard Huber (B) hielt es für dringend notwendig, agrarpolitische
Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Höfe abzusichern und drängte darauf, agrarpolitische Fehler der
Vergangenheit in Zukunft zu vermeiden. Huber wandte sich insbesondere gegen die Förderung großer Molkereibetriebe
und trat gegen den Import gentechnisch veränderter Futtermittel sowie für eine klare Kennzeichnung der
Lebensmittel ein.
Reinhard Mang informierte darüber, dass das Optionenpapier die Fortführung marktregulierender Instrumente
ausdrücklich vorsehe. Die Exporterstattung hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren, erfuhren
die Abgeordneten, sie werde nur noch bei extremen Marktstörungen eingesetzt, etwa bei der letzten Milchkrise.
Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich legte ein nachdrückliches Bekenntnis für die Fortsetzung
des österreichischen Wegs in der biologischen Landwirtschaft aber auch des ökologischen Weges in der
konventionellen Landwirtschaft ab. "Da aber auf den Märkten eine andere Musik spielt", sei es notwendig,
ökologische Leistungen durch Förderungen abzugelten, hielt der Minister fest. Er unterstütze kleine
Molkereien und könne sich nicht vorstellen, die Agrarförderungen in Osteuropa an das Niveau der alten
EU-Länder, wo völlig andere Markt- und Produktionsbedingungen herrschen, anzugleichen, sagte Berlakovich.
In einer weiteren Fragerunde beantworteten die Experten und der Landwirtschaftsminister eine Fülle von Detailfragen
der Abgeordneten.
Leo Steinbichler warnte vor "PR-Schmähs" bei der Lebensmittelkennzeichnung, die dazu führen
könnten, dass die Konsumenten das Vertrauen verlieren, weil Produkte auf denen ein österreichisches Gütezeichen
klebe, importierte Waren enthalte.
Ewald Grünzweil erläuterte Abgeordnetem Franz Eßl (V) seinen Vorschlag, dass die Bauern grundsätzlich
von Marktpreisen leben können sollten, die Beeinträchtigungen in benachteiligten Gebieten aber durch
öffentliche Gelder ausgeglichen werden sollen.
Der Kritik des Abgeordneten Harald Jannach (F) an der Nichtauszahlung von Förderungen für viele tausend
Betriebe, bei denen AMA-Kontrollen noch nicht abgeschlossen seien, hielt Minister Berlakovich entgegen, dass vorzeitige
Förderungsauszahlungen nicht möglich seien, betroffen seien 4000 Betriebe.
Von Seiten der SPÖ plädierte Abgeordnete Elisabeth Hakel für eine Förderungsobergrenze von
100.000 Euro, was eine "hübsche Summe" an zusätzlichen Förderungsmitteln für Bergbauern
und Nebenerwerbsbauern freimachen würde. Abgeordneter Kurt Gaßner (S) fragte, ob es für Österreich
sinnvoll sein könne, seine agrarpolitische Position grundsätzlich mit großen Ländern wie Deutschland
und Frankreich abzustimmen.
Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich führte aus, dass Österreich, Frankreich und Deutschland
gemeinsam an einer Weiterentwicklung der GAP interessiert seien, erläuterte die Notwendigkeit von Marktinterventionen
am Beispiel der letzten Milchkrise, die nur durch eine Marktintervention bewältigt werden konnte, und wies
auf die Absicht hin, das Risikomanagement der Bauern zu stärken, indem Versicherungsprämien, wie schon
bisher in der Hagelversicherung, unterstützt werden.
Mit Abgeordneter Christiane Brunner (G) zeigte sich der Landwirtschaftsminister einig in der Einschätzung,
dass den erneuerbaren Energieträgern sowohl in der landwirtschaftlichen Produktion als auch im ländlichen
Raum, wachsende Bedeutung zukommt.
Der mehrfach geäußerten Forderung, die Bauern konkreter über die Absichten der Kommission zu informieren,
hielt der Minister entgegen, die Kommission selbst habe ihre Pläne noch nicht ausreichend präzisiert.
Gegenüber dem Vorschlag des Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber (G), in der Landwirtschaft die Vollkostenrechnung
einzuführen, zeigten sich sowohl Experte Adolf Marksteiner, als auch Bundesminister Berlakovich ablehnend.
Der Minister plädierte dafür, bei kleinen Betrieben das Pauschalierungssystem aufrecht zu erhalten und
bürokratische Belastungen zu vermeiden.
Abgeordnete Ann Höllerer unterstrich die zunehmende Bedeutung weiblicher BetriebsübernehmerInnen und
betonte die Notwendigkeit von Investitionsförderungen sowie von Bildungsprogrammen für Frauen im ländlichen
Raum.
Die von sozialdemokratischer Seite, namentlich vom Abgeordneten Kurt Gaßner (S), angesprochene "Arbeitszeitstudie"
problematisierte VP-Abgeordneter Peter Mayer, der die Befürchtung aussprach, ein solches Modell könnte
unwirtschaftliche Betriebe begünstigen. Dem gegenüber stellte Expertin Irmi Salzer fest, ein auf Arbeitseinsatz
basierendes Förderungsmodell stelle nicht auf individuelle Arbeitszeiten ab, sondern arbeite mit standardisierten
Parametern.
Abgeordneter Gerhard Huber (B) erfuhr vom Experten Ernst Huber, dass nach einer Aufhebung der Milchkontingente
in den westlichen Bundesländern, wo aus klimatischen und naturräumlichen Gründen nur Viehwirtschaft
möglich sei, in den Bergen kaum bäuerliche Betriebe übrig bleiben würden. Das würde die
Schutzfunktion, die Erholungsfunktion und die Wohlfahrtsfunktion der Landwirtschaft in den Bergregionen wesentlich
beeinträchtigen.
Abgeordneter Harald Jannach (F) problematisierte die Verteilung der Agrarförderungen und kritisierte insbesondere
die Auszahlung von Subventionsmitteln an öffentliche Körperschaften.
Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich machte darauf aufmerksam, dass eine Obergrenze von 100.000 Euro an
Agrarförderungen pro Betrieb große Betriebe praktisch von der Umweltförderung ausschließen
würde. Das könne man nicht wollen, wenn Österreich bei den biologischen und ökologischen Leistungen
der Landwirtschaft "Europameister" bleiben will.
Mit Abgeordnetem Wolfgang Pirklhuber (G) zeigte sich der Minister einig, dass die Konsumenten die wichtigsten Partner
der Landwirtschaft sind. Gegenüber Pirklhuber aber, der angesichts hoher Konzentration sowie Dumping und Spekulation
auf den Lebensmittelmärkten den Begriff "freie Märkte" in Frage stellte, hielt der Minister
die Bedeutung der Märkte für die österreichische Landwirtschaft, die immer stärker zum Feinkostladen
Europas werde, fest. Angesichts steigender Qualitätsanforderungen an die Lebensmittelproduktion und zunehmender
Nachfrage nach europäischen Lebensmitteln - auch aus Ländern wie China - sah der Minister gute Zukunftschancen
für die landwirtschaftliche Produktion in Europa. Für die Weiterentwicklung der GAP empfahl Berlakovich
einen evolutionären Weg. |