Prammer überreicht Demokratiepreis 2010 im Parlament   

erstellt am
23. 11. 10

Diesjährige Auszeichnung geht an Frauen und Fraueninitiativen
Wien (pk) - Im Rahmen eines Festakts im Hohen Haus überreichte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer am 22.11. den mit 15.000 € dotierten Demokratiepreis der Margaretha Lupac-Stiftung. Der Preis der beim Parlament eingerichteten Stiftung geht zu gleichen Teilen an Gitta Martl, langjährige Generalsekretärin des Vereins "Ketani" in Linz, die Direktorin des Wiener Gymnasiums Rahlgasse Heidi Schrodt sowie an den Innsbrucker Verein "Frauen aus allen Ländern".

Prammer würdigte in ihrer Eröffnungsrede das Engagement der Preisträgerinnen auf dem Gebiet der Minderheitenrechte und der Geschlechterdemokratie und wies auf das Ziel der Lupac-Stiftung hin, Demokratie, Parlamentarismus und Toleranz zu fördern. Der Demokratiepreis sei ihr besonders ans Herz gewachsen, weil er es ermögliche, engagierte VertreterInnen der Zivilgesellschaft "vor den Vorhang zu holen", meinte sie. In diesem Sinn äußerte sich Prammer auch über die zahlreichen Bewerbungen und Nominierungen erfreut, aus denen die drei Preisträgerinnen von einer Jury ausgewählt worden seien.

Detailliert ging die Nationalratspräsidentin auch auf die Entstehungsgeschichte der Stiftung ein und erinnerte an die "unglaublich beeindruckende Person" Margaretha Lupac.

Die Laudationes für die Preisträgerinnen hielten Universitätsprofessor Oliver Rathkolb, die Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs Brigitte Bierlein und ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. So hob Rathkolb die enormen Verdienste Gitta Martls um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Sinti und Roma hervor und unterstrich das Bemühen des Vereins Ketani, auch den Alltag der Menschen zu erreichen. Dies sei etwa durch die Gründung einer Fußballmannschaft gelungen. Martl setze sich sowohl mit Integration als auch mit Identität auseinander, betonte Rathkolb. Als Wissenschaftler wies er bedauernd darauf hin, dass der seinerzeitige Kindesentzug in Roma-Familien bis heute ein Tabuthema in Österreich sei.

Brigitte Bierlein machte auf die lange Tradition des Gymnasiums Rahlgasse aufmerksam, welches sich ihrer Meinung nach zu Recht Gender-Kompetenzschule nennt. Vom Konzept der Schule, das Kommunikation, Kooperation und Konfliktlösung in den Mittelpunkt stellt, wäre auch Margaretha Lupac überzeugt gewesen, zeigte sie sich überzeugt und wies unter anderem auf zahlreiche Einzelprojekte hin. Gerade in einer Zeit, wo die Themen Bildungsauftrag und Schulreformen im besonderen Fokus des öffentlichen Interesses stünden und es nicht leicht sei, innovative Schulkonzepte zu verfolgen, seien, so Bierlein, SchuldirektorInnen nach dem Vorbilds Schrodt gefragt.

Alexander Wrabetz wies darauf hin, dass der Verein "Frauen aus allen Ländern" Außerordentliches auf dem Gebiet der Integration leiste und Migrantinnen viel praktische Hilfe biete. Besonders beeindruckt zeigt er sich vom "Erzählcafé", das den Frauen einen ungezwungenen Austausch ohne Männer ermögliche. Wrabetz sprach auch an, dass der Verein auf Unterstützung angewiesen sei und freute sich darüber, dass der Demokratiepreis 5.000 Euro in die Vereinskassen bringe.

Unter der Moderation von Astrid Zimmermann kamen auch die Preisträgerinnen selbst zu Wort. So schilderte Gitta Martl etwa, dass am Beginn ihres Engagements die Sorge um ihre Eltern, insbesondere um ihre Mutter gestanden sei. Allein, ohne MitstreiterInnen, hätte sie es nicht geschafft, meinte sie, hinter ihr seien aber immer andere Menschen gestanden. Manchmal könne man Recht auch "mit sehr viel Geduld" zum Durchbruch verhelfen. Die Freude über Erfolge habe Rückschläge immer aufgewogen, unterstrich Martl.

Heidi Schrodt gab zu bedenken, dass es großen Engagements einzelner LehrerInnen bedürfe, um das, was der Schule als Bildungsauftrag vorgegeben werde, auch tatsächlich umzusetzen. Ihr selbst sei es schon als Schülerin wichtig gewesen, sich für diejenigen einzusetzen, die ungerecht behandelt worden seien, sagte sie. Wenn man sich mit einem Schulschwerpunkt wie Geschlechtergerechtigkeit "hinauswagt", müsse man auch mit viel Widerstand rechnen, unterstrich Schrodt, vor allem am Anfang ihrer Direktorinnenzeit habe sie das "sehr heftig erlebt".

Silvia Ortner, die den Preis gemeinsam mit Julia Schindler stellvertretend für den Verein "Frauen aus allen Ländern" entgegennahm, hob die Notwendigkeit hervor, für Migrantinnen einen Raum für Begegnungen zu schaffen und die Stärke der Frauen in den Fokus zu rücken. Migrantinnen seien oft doppelt benachteiligt, zum einen als Frau und zum anderen als Fremde, skizzierte sie. Ortner wünscht sich mehr Unterstützung der öffentlichen Hand und bedauerte auch, dass MigrantInnen nach wie vor das Wahlrecht vorenthalten werde.

Die Preisträgerinnen
Rosa Gitta Martl gehört der Volksgruppe der Sinti an. Aufgrund der Erfahrungen ihrer Familie gründete sie 1998 gemeinsam mit Albert Kugler den Verein "Ketani" in Linz, dessen Generalsekretärin sie lange Zeit war. Dieser Verein ist vor allem für Sinti und Roma nicht nur eine Anlaufstelle bei konkreten Fragen im Umgang mit Behörden, er hilft auch bei alltäglichen Problemen wie der Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche.

Ihre persönliche, tragische Lebensgeschichte hat Martl im Buch "Uns hat es nicht geben sollen: Rosa Winter, Gitta und Nicole Martl. Drei Generationen Sinti-Frauen erzählen" veröffentlicht. Mit unglaublichem Engagement hat sie sich um den Abbau von Vorurteilen bei der Mehrheitsbevölkerung und um Aufklärungsarbeit bemüht. Dabei stand stets das Miteinander zwischen Bevölkerungsgruppen und das Verbindende im Vordergrund und nicht die Polarisierung. 2009 wurde Martl in den Migrationsbeirat der Stadt Linz berufen.

Das Gymnasium Rahlgasse in Wien versteht sich als "GenderKompetenz-Schule" und legt seine Schwerpunkte auf Geschlechterfragen, Sozialkompetenz und Umwelt. Davon zeugen etwa das Pilotprojekt "Gendertraining" und so genannte "Mädchen- und Buben-Tage".

Maßgeblich beteiligt an dieser Schulentwicklung ist Direktorin Heidi Schrodt, die das Gymnasium seit 1992 leitet. Auch ihre eigene Biographie macht Schrodts Engagement für Geschlechterfragen deutlich. Von 1993 bis 1995 war sie Mitglied der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Behandlung von frauenspezifischen Fragen im Bereich des Unterrichtswesens. Seit Herbst 2000 arbeitet sie mit den Wissenschaftlerinnen Edit Schlaffer und Cheryl Benard zum Thema "geschlechtssensible Koedukation" zusammen. 2007 gründete Schrodt die parteiunabhängige Bildungsinitiative "BildungGrenzenlos".

Der Innsbrucker Verein "Frauen aus allen Ländern" wurde 2001 als Kultur-, Bildungs- und Beratungsinitiative für Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund gegründet. Ziel des Vereins ist es, durch zielgruppenspezifische Angebote Integration zu erleichtern sowie einen geschützten Begegnungsraum für Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund zu schaffen. So werden etwa aktive, lebenspraktische Hilfe für die betroffenen Frauen durch diverse Bildungsangebote sowie Lern-, Beratungs- und "Erzählcafes" angeboten.

Mit seinen Aktivitäten will der Verein nicht zuletzt die Entscheidungskompetenz der Mädchen und Frauen fördern, ihre Selbständigkeit stärken und Isolation entgegenwirken. Großes Augenmerk wird dabei auch auf die Vernetzung und Kooperation mit anderen Einrichtungen und Organisationen gelegt. Besonders hervorzuheben ist das private, zivilgesellschaftliche Engagement durch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und der Non-Profit-Gedanke.

2011 schreibt Lupac-Stiftung wieder Wissenschaftspreis aus
Mit dem Demokratiepreis der Margaretha Lupac-Stiftung werden alle zwei Jahre Personen und Einrichtungen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise für Demokratie, Geschlechterdemokratie oder Minderheitenrechte engagieren bzw. sich für den Dialog in der politischen Auseinandersetzung, in der Kunst und in gesellschaftlichen Fragen als Ausdruck von Toleranz und Integration einsetzen. Der Preis wird alternierend mit dem Wissenschaftspreis der Stiftung vergeben. Dessen nächste Ausschreibung ist für Anfang 2011 in Aussicht genommen.

Bereits heute Vormittag hat Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Hohen Haus ein Doppelheft der Schriftenreihe "Parlament Transparent" über die Margaretha Lupac-Stiftung präsentiert, das sich auch mit aktuellen demokratiepolitischen Fragestellungen auseinandersetzt. Zu den AutorInnen gehören unter anderem Politikwissenschaftler Hubert Sickinger, Europarechtsexperte Joseph Marko, der deutsche Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt und die deutsche Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan (siehe PK-Meldung Nr. 909/2010).

Für die musikalische Umrahmung der heutigen Veranstaltung, an der auch Bundesratspräsident Martin Preineder teilnahm, sorgte das Frauenstreichquartett "String Fizz."
     
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