Diesjährige Auszeichnung geht an Frauen und Fraueninitiativen
Wien (pk) - Im Rahmen eines Festakts im Hohen Haus überreichte Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer am 22.11. den mit 15.000 € dotierten Demokratiepreis der Margaretha Lupac-Stiftung. Der Preis der
beim Parlament eingerichteten Stiftung geht zu gleichen Teilen an Gitta Martl, langjährige Generalsekretärin
des Vereins "Ketani" in Linz, die Direktorin des Wiener Gymnasiums Rahlgasse Heidi Schrodt sowie an den
Innsbrucker Verein "Frauen aus allen Ländern".
Prammer würdigte in ihrer Eröffnungsrede das Engagement der Preisträgerinnen auf dem Gebiet der
Minderheitenrechte und der Geschlechterdemokratie und wies auf das Ziel der Lupac-Stiftung hin, Demokratie, Parlamentarismus
und Toleranz zu fördern. Der Demokratiepreis sei ihr besonders ans Herz gewachsen, weil er es ermögliche,
engagierte VertreterInnen der Zivilgesellschaft "vor den Vorhang zu holen", meinte sie. In diesem Sinn
äußerte sich Prammer auch über die zahlreichen Bewerbungen und Nominierungen erfreut, aus denen
die drei Preisträgerinnen von einer Jury ausgewählt worden seien.
Detailliert ging die Nationalratspräsidentin auch auf die Entstehungsgeschichte der Stiftung ein und erinnerte
an die "unglaublich beeindruckende Person" Margaretha Lupac.
Die Laudationes für die Preisträgerinnen hielten Universitätsprofessor Oliver Rathkolb, die Vizepräsidentin
des Verfassungsgerichtshofs Brigitte Bierlein und ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. So hob Rathkolb die enormen
Verdienste Gitta Martls um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Sinti und Roma hervor und unterstrich
das Bemühen des Vereins Ketani, auch den Alltag der Menschen zu erreichen. Dies sei etwa durch die Gründung
einer Fußballmannschaft gelungen. Martl setze sich sowohl mit Integration als auch mit Identität auseinander,
betonte Rathkolb. Als Wissenschaftler wies er bedauernd darauf hin, dass der seinerzeitige Kindesentzug in Roma-Familien
bis heute ein Tabuthema in Österreich sei.
Brigitte Bierlein machte auf die lange Tradition des Gymnasiums Rahlgasse aufmerksam, welches sich ihrer Meinung
nach zu Recht Gender-Kompetenzschule nennt. Vom Konzept der Schule, das Kommunikation, Kooperation und Konfliktlösung
in den Mittelpunkt stellt, wäre auch Margaretha Lupac überzeugt gewesen, zeigte sie sich überzeugt
und wies unter anderem auf zahlreiche Einzelprojekte hin. Gerade in einer Zeit, wo die Themen Bildungsauftrag und
Schulreformen im besonderen Fokus des öffentlichen Interesses stünden und es nicht leicht sei, innovative
Schulkonzepte zu verfolgen, seien, so Bierlein, SchuldirektorInnen nach dem Vorbilds Schrodt gefragt.
Alexander Wrabetz wies darauf hin, dass der Verein "Frauen aus allen Ländern" Außerordentliches
auf dem Gebiet der Integration leiste und Migrantinnen viel praktische Hilfe biete. Besonders beeindruckt zeigt
er sich vom "Erzählcafé", das den Frauen einen ungezwungenen Austausch ohne Männer ermögliche.
Wrabetz sprach auch an, dass der Verein auf Unterstützung angewiesen sei und freute sich darüber, dass
der Demokratiepreis 5.000 Euro in die Vereinskassen bringe.
Unter der Moderation von Astrid Zimmermann kamen auch die Preisträgerinnen selbst zu Wort. So schilderte Gitta
Martl etwa, dass am Beginn ihres Engagements die Sorge um ihre Eltern, insbesondere um ihre Mutter gestanden sei.
Allein, ohne MitstreiterInnen, hätte sie es nicht geschafft, meinte sie, hinter ihr seien aber immer andere
Menschen gestanden. Manchmal könne man Recht auch "mit sehr viel Geduld" zum Durchbruch verhelfen.
Die Freude über Erfolge habe Rückschläge immer aufgewogen, unterstrich Martl.
Heidi Schrodt gab zu bedenken, dass es großen Engagements einzelner LehrerInnen bedürfe, um das, was
der Schule als Bildungsauftrag vorgegeben werde, auch tatsächlich umzusetzen. Ihr selbst sei es schon als
Schülerin wichtig gewesen, sich für diejenigen einzusetzen, die ungerecht behandelt worden seien, sagte
sie. Wenn man sich mit einem Schulschwerpunkt wie Geschlechtergerechtigkeit "hinauswagt", müsse
man auch mit viel Widerstand rechnen, unterstrich Schrodt, vor allem am Anfang ihrer Direktorinnenzeit habe sie
das "sehr heftig erlebt".
Silvia Ortner, die den Preis gemeinsam mit Julia Schindler stellvertretend für den Verein "Frauen aus
allen Ländern" entgegennahm, hob die Notwendigkeit hervor, für Migrantinnen einen Raum für
Begegnungen zu schaffen und die Stärke der Frauen in den Fokus zu rücken. Migrantinnen seien oft doppelt
benachteiligt, zum einen als Frau und zum anderen als Fremde, skizzierte sie. Ortner wünscht sich mehr Unterstützung
der öffentlichen Hand und bedauerte auch, dass MigrantInnen nach wie vor das Wahlrecht vorenthalten werde.
Die Preisträgerinnen
Rosa Gitta Martl gehört der Volksgruppe der Sinti an. Aufgrund der Erfahrungen ihrer Familie
gründete sie 1998 gemeinsam mit Albert Kugler den Verein "Ketani" in Linz, dessen Generalsekretärin
sie lange Zeit war. Dieser Verein ist vor allem für Sinti und Roma nicht nur eine Anlaufstelle bei konkreten
Fragen im Umgang mit Behörden, er hilft auch bei alltäglichen Problemen wie der Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche.
Ihre persönliche, tragische Lebensgeschichte hat Martl im Buch "Uns hat es nicht geben sollen: Rosa Winter,
Gitta und Nicole Martl. Drei Generationen Sinti-Frauen erzählen" veröffentlicht. Mit unglaublichem
Engagement hat sie sich um den Abbau von Vorurteilen bei der Mehrheitsbevölkerung und um Aufklärungsarbeit
bemüht. Dabei stand stets das Miteinander zwischen Bevölkerungsgruppen und das Verbindende im Vordergrund
und nicht die Polarisierung. 2009 wurde Martl in den Migrationsbeirat der Stadt Linz berufen.
Das Gymnasium Rahlgasse in Wien versteht sich als "GenderKompetenz-Schule" und legt seine Schwerpunkte
auf Geschlechterfragen, Sozialkompetenz und Umwelt. Davon zeugen etwa das Pilotprojekt "Gendertraining"
und so genannte "Mädchen- und Buben-Tage".
Maßgeblich beteiligt an dieser Schulentwicklung ist Direktorin Heidi Schrodt, die das Gymnasium
seit 1992 leitet. Auch ihre eigene Biographie macht Schrodts Engagement für Geschlechterfragen deutlich. Von
1993 bis 1995 war sie Mitglied der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Behandlung von frauenspezifischen Fragen
im Bereich des Unterrichtswesens. Seit Herbst 2000 arbeitet sie mit den Wissenschaftlerinnen Edit Schlaffer und
Cheryl Benard zum Thema "geschlechtssensible Koedukation" zusammen. 2007 gründete Schrodt die parteiunabhängige
Bildungsinitiative "BildungGrenzenlos".
Der Innsbrucker Verein "Frauen aus allen Ländern" wurde 2001 als Kultur-, Bildungs- und Beratungsinitiative
für Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund gegründet. Ziel des Vereins ist es, durch zielgruppenspezifische
Angebote Integration zu erleichtern sowie einen geschützten Begegnungsraum für Frauen und Mädchen
mit Migrationshintergrund zu schaffen. So werden etwa aktive, lebenspraktische Hilfe für die betroffenen Frauen
durch diverse Bildungsangebote sowie Lern-, Beratungs- und "Erzählcafes" angeboten.
Mit seinen Aktivitäten will der Verein nicht zuletzt die Entscheidungskompetenz der Mädchen und Frauen
fördern, ihre Selbständigkeit stärken und Isolation entgegenwirken. Großes Augenmerk wird
dabei auch auf die Vernetzung und Kooperation mit anderen Einrichtungen und Organisationen gelegt. Besonders hervorzuheben
ist das private, zivilgesellschaftliche Engagement durch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und der Non-Profit-Gedanke.
2011 schreibt Lupac-Stiftung wieder Wissenschaftspreis aus
Mit dem Demokratiepreis der Margaretha Lupac-Stiftung werden alle zwei Jahre Personen und Einrichtungen ausgezeichnet,
die sich in besonderer Weise für Demokratie, Geschlechterdemokratie oder Minderheitenrechte engagieren bzw.
sich für den Dialog in der politischen Auseinandersetzung, in der Kunst und in gesellschaftlichen Fragen als
Ausdruck von Toleranz und Integration einsetzen. Der Preis wird alternierend mit dem Wissenschaftspreis der Stiftung
vergeben. Dessen nächste Ausschreibung ist für Anfang 2011 in Aussicht genommen.
Bereits heute Vormittag hat Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Hohen Haus ein Doppelheft der Schriftenreihe
"Parlament Transparent" über die Margaretha Lupac-Stiftung präsentiert, das sich auch mit aktuellen
demokratiepolitischen Fragestellungen auseinandersetzt. Zu den AutorInnen gehören unter anderem Politikwissenschaftler
Hubert Sickinger, Europarechtsexperte Joseph Marko, der deutsche Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt und die deutsche
Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan (siehe PK-Meldung Nr. 909/2010).
Für die musikalische Umrahmung der heutigen Veranstaltung, an der auch Bundesratspräsident Martin Preineder
teilnahm, sorgte das Frauenstreichquartett "String Fizz." |