Türkei-Debatte im Parlament  

erstellt am
18. 11. 10

Muttonen für privilegierte Partnerschaft mit Türkei
Rolle Österreichs im Sicherheitsrat wird international geschätzt
Wien (sk) - Christine Muttonen, außenpolitische Sprecherin der SPÖ, hat sich am 18.11. im Nationalrat für eine privilegierte Partnerschaft der EU mit der Türkei ausgesprochen. "Diese Form der Kooperation bildet eine stabile Grundlage für eine dauerhafte und konstruktive Zusammenarbeit für beide Seiten", so Muttonen. Eine Aufnahme der Türkei als EU-Mitglied würde die Institutionen der EU überfordern. Die Reformprozesse in der Türkei müssen unterstützt werden.

Der kürzlich veröffentlichte Fortschrittsbericht der EU-Kommissionen zu den Verhandlungen über einen Beitritt spreche eine klare Sprache, so Muttonen. In den bisher verhandelten Kapiteln gäbe es nur wenig Fortschritt. Nach wie vor verfüge das Militär in der Türkei über großen Spielraum zur politischen Intervention, so der Bericht. Zudem liegen Beweise vor, dass eine große Zahl von inhaftierten Menschen keine Rechtshilfe bekomme. Unabhängig der kritischen Beurteilung durch die EU-Kommission führe das Beispiel Irland vor Augen, wie groß die Herausforderungen sind, mit denen die EU derzeit zu kämpfen habe. Muttonen erwartet sich von Außenminister Spindelegger, dass sich dieser auch im EU-Rat deutlich für eine privilegierte Partnerschaft mit der Türkei positioniert.

Zur Rolle Österreichs in der internationalen Gemeinschaft betonte Muttonen, dass die Arbeit Österreichs als nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat sehr geschätzt werde. Die transparente Mitgliedschaft - alle EU-Mitglieder wurden umfassend über die Arbeit informiert - werde auch von Portugal nächstes Jahr fortgesetzt werden, so Muttonen. "Österreich hat einen wichtigen Beitrag für die langfristige Zusammenarbeit in der EU-Sicherheitspolitik geleistet", so Muttonen.

Mit den Themen Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten, die Stärkung der Rolle der Frau und der Kampf für die internationale Abrüstung habe Österreich auf internationalem Parkett an Vertrauen gewonnen. "Es ist für Österreich unabdingbar, sich im Bereich der Menschenrechte und der Armutsbekämpfung zu engagieren", betonte Muttonen. Ausdrücklich erfreut zeigte sich Muttonen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien. "Das ist eine Riesenchance für die vielen jungen Menschen und eine bessere Zukunft in einem gemeinsamen Europa."

 

Plassnik: Integrationsdefizite sind nicht heilbar durch Abbruch der Verhandlungen EU-Türkei
ÖVP-Abgeordnete zum Außenpolitischen Bericht 2009: Für ein Kompetenzzentrum für interreligiöse Mediation in Österreich
Wien (övp-pk) - "Wir werden es in Zukunft auf der internationalen Ebene mit einer zunehmend selbstbewussten Türkei zu tun haben. Der Druck seitens der türkischen Regierung steigt, obwohl oder vielleicht gerade weil in den Verhandlungen EU-Türkei seit geraumer Zeit Flaute herrscht", erklärte die ÖVP-Abgeordnete und ehemalige Außenministerin Ursula Plassnik im Nationalrat. "Bisher wurde erst ein einziges Kapitel der mehr als 30 Verhandlungskapitel im Mai 2006, übrigens unter österreichischem Vorsitz, tatsächlich abgeschlossen."

"Der jüngste Fortschrittsbericht der EU über die Türkei zeigt abermals eine Reihe von Mängeln bei der Umsetzung europäischer Standards auf: fehlende Fortschritte in der Kurdenfrage, unzulässiger Druck auf Medien, rechtliche Unklarheiten bei der Pressefreiheit und fehlende Ergebnisse im Dialog mit den Aleviten und Christen. Die Gleichberechtigung der Frauen bleibt eine zentrale Herausforderung im Alltag, Ehrenmorde, arrangierte Ehen und Zwangsheiraten sowie häusliche Gewalt bleiben laut Kommissionsbericht ernste Probleme. Nicht erkennbar sind weiters Fortschritte in der Zypernfrage. Hier liegen acht Verhandlungskapitel auf Eis, solange das Ankara-Protokoll nicht ratifiziert ist", so Plassnik.

"Ich möchte an dieser Stelle klar zurückweisen, dass Österreich sich beim Thema Türkei nicht durchsetzt, gerade auch auf europäischer Ebene", entgegnete Plassnik den Anschuldigungen der Opposition. "Hier hat kein Land mehr erreicht als Österreich, etwa bei der Formulierung des Verhandlungsmandats 2005. Hier haben wir Maßstäbe gesetzt. Wir haben damals die Aufnahmefähigkeit der Union als Kriterium gegen den Widerstand sämtlicher Partner hineingebracht und erreicht, dass die Verhandlungen ergebnisoffen geführt werden."

Plassnik forderte mehr Nüchternheit und Differenziertheit: "Österreich hat sich auch im geltenden Regierungsprogramm weitblickend positioniert und arbeitet vor diesem Hintergrund an den Verhandlungen EU-Türkei als konstruktiver Partner mit. Es gibt keinerlei Grund, diese Verhandlungen in Frage zu stellen oder gar den Abbruch der Verhandlungen zu fordern. Wir brauchen Festigkeit in der Sache und gute Nerven. Populistische Panikattacken helfen nicht."

In Hinblick auf die innen- und europapolitischen Dimensionen der Integrationsdebatte meinte Plassnik: "Ja, es gibt erhebliche Defizite bei der Integration türkischstämmiger Österreicher, und zwar von der Gemeindeebene bis zur Bundesebene, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft. Es gibt allerdings auch Integrationsverweigerer. Wir brauchen Politiker und Bürger mit Mut und Fingerspitzengefühl, wenn Integration im Alltag gelingen soll. Viele Menschen leisten konkrete Beiträge zu einem besseren Verständnis sowohl der Gefühle und Anliegen unserer türkischen Mitbürger, als auch der Gefühle und Anliegen der Mehrheitsbevölkerung", zeigte sich Plassnik überzeugt.

"Beginnen wir bei den Kindern. Hier hat gerade der Vorgänger des jetzigen türkischen Botschafters verdienstvolle Beiträge zur gelebten Integration erbracht. Botschafter Selim YENEL hat speziell für Kindergarten- und Volksschulkinder eigenes Lehrmaterial (Bücher und CD-Roms) entwickelt. Es zielt darauf ab, den kleinen Türken die kleinen Österreicher nahe zu bringen und umgekehrt. Verständnis füreinander wecken, Misstrauen abbauen und gemeinsame Zielvorstellungen formulieren - so und nicht anders kann Integration gelingen", betonte die Nationalratsabgeordnete.

"Der Ruf nach Abbruch der Verhandlungen EU-Türkei ist ein verfehlter Therapieansatz mit dem falschen Medikament. Damit werden die praktischen Probleme im täglichen Zusammenleben nicht kleiner. Kein einziges Kind bekommt so Deutschkenntnisse und kein türkischstämmiger Migrant einen geeigneten Arbeitsplatz. Integrationsarbeit braucht offene Ohren und kreative Köpfe auf beiden Seiten. Wer zuhört, wo der Schuh drückt, wird lebensnahere Lösungen erarbeiten als die Empörungsbewirtschafter. Wir brauchen mehr gezielte Sacharbeit. So wünsche ich mir zum Beispiel für Österreich ein Kompetenzzentrum für interreligiöse Mediation. Dessen Zweck wäre es, das in Österreich vorhandene fachliche Wissen zum Islam in Wissenschaft und Praxis zu vernetzen und zu erden, um es für die Alltagsarbeit der Integration besser nutzbar zu machen", empfahl Plassnik. "Wir müssen nicht jedes Mal das Rad neu erfinden. Packen wir bestehende Probleme mit bereits gewonnenen praktischen Erfahrungen an", so die Abgeordnete.

"Auch auf europäischer Ebene bräuchten wir den Austausch von konkreten best-practise Modellen der Integration. Österreich könnte sich hier durchaus sachkundig und selbstbewusst einbringen", regte die ehemalige Außenministerin und ÖVP Abgeordnete an.

 

Strache fordert Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
Türkischer Botschafter Tezcan muss zurücktreten
Wien (fpd) - FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache nutzte die Nationalratsdebatte zum Außenpolitischen Bericht, um die freiheitliche Kritik an den unverschämten Äußerungen des türkischen Botschafters zu bekräftigen. Gleichzeitig forderte er den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Die beleidigenden Aussagen Tezcans hätten klar gezeigt, dass die Türkei über keinerlei Europareife verfüge und noch längst nicht im abendländischen Wertesystem angekommen sei, erklärte Strache. Der Botschafter habe sich als türkischer Nationalist und Imperialist entpuppt. Allein seine Aussage, dass die Österreicher in der Kopftuchfrage nichts zu sagen haben, zeige seine verwerfliche und arrogante Geisteshaltung. Ebenso bezeichnend sei es, dass er türkische Lehrer nach Österreich importieren wolle, um die Kinder in Türkisch zu unterrichten. Das beweise, dass der Botschafter ein Gegner jedweder Integration sei und diese aktiv hintertreiben wolle. Türkische Nationalisten und Islamisten in Österreich würden sich durch solche Aussagen ermutigt fühlen. "Es fehlte ja gerade noch, dass er fordert, dass Türkisch in Österreich offizielle Amtssprache wird", so Strache. Grundsätzlich habe ein Botschafter nach einer solchen Entgleisung umgehend zurückzutreten. Tezcan sei untragbar geworden. Eine derartige Österreich-Beschimpfung könne keinesfalls geduldet werden und folgenlos bleiben.

Österreich sei keine Kolonie der Türkei, stellte Strache klar. "Wenn der Botschafter noch über einen Rest von Anstand verfügt, muss er sich offiziell bei den Österreichern und Österreicherinnen entschuldigen und von sich aus sein Amt niederlegen. Ebenso unumgänglich ist eine offizielle Entschuldigung der türkischen Regierung."

Zu befürchten sei allerdings, dass hinter solchen Entgleisungen System stecke und diese nicht zufällig passierten. Möglicherweise versuche Ankara auszutesten, wie weit man gehen könne, ohne dass es Konsequenzen gebe, vermutete Strache. "Solche Aussagen geben uns auch einen Vorgeschmack, was los sein wird, wenn die Türkei tatsächlich einmal EU-Mitglied werden sollte. Dann werden am Bosporus nämlich endgültig die letzten Hemmungen fallen. Man muss sich das ja wirklich einmal vor Augen halten: Österreich pumpt auf dem Umweg über Brüssel Millionen und Abermillionen an Steuergeldern in die Türkei, um diese Europa-fit zu machen, und als Dank wird man dann noch beschimpft."

"Für uns zeigt das die Richtigkeit unserer Forderung, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen", erklärte Strache. "Wir haben diese immer schon grundsätzlich abgelehnt, weil die Türkei weder historisch noch geografisch noch kulturell ein Teil Europas ist." Bezeichnend sei die Reaktion der Grünen gewesen, die die Österreich-Beschimpfungen des türkischen Botschafters als "erfrischend" bezeichneten und als "eine für die Integrationsdebatte dringend nötige Positionsbestimmung". "Das sind genau jene Grünen, mit denen Herr Häupl nun eine Koalition eingeht", so Strache.

 

Scheibner: Wer Österreich beschimpft, ist untragbar und muss das Land verlassen
Österreich lässt sich nicht erpressen
Wien (bzö) - In seinem Debattenbeitrag übte der stellvertretende Bündnisobmann und außenpolitische Sprecher des BZÖ, Abg. Herbert Scheibner, heftige Kritik an den Aussagen des türkischen Botschafters in Wien und an dem Verhalten von Außenminister Spindelegger. "Wer Österreich beschimpft, ist nicht der Vertreter seines Landes, der hat das Land zu verlassen und ist untragbar geworden. Wir brauchen von diesem Botschafter keine Belehrungen", so Scheibner, der daran erinnerte, dass es ein Einmischungsverbot für Botschafter gibt.

"Wenn aus einem Land Millionen von Analphabeten mit einem Wertebewusstsein aus dem Mittelalter nach Westeuropa kommen und sich nicht einbinden wollen, dann soll er zuerst die Hausaufgaben in seinem Land erfüllen, uns nicht kritisieren, nicht Aufwiegeln und nicht Aufhetzen", so Scheibner in Richtung des türkischen Botschafters und zum Außenminister meinte der außenpolitische Sprecher des BZÖ: "Herr Außenminister, da hätten wir uns schon erwartet, dass sie nicht nur kritisieren, denn soweit ich weiß, haben sie lediglich einen Beamten zu dem Gespräch mit dem Botschafter geschickt. Sie haben nicht einmal selber mit diesem Botschafter gesprochen. Österreich lässt sich nicht erpressen".

"Ein Land, das Menschenrechtsprobleme hat und Grenzen von einem EU-Land nicht anerkennt - da werden die Grundsätze der EU von Anfang an gebrochen", kommentierte Scheibner den Wunsch der Türkei, der EU beitreten zu können.

Peinlich sei für Scheibner der Empfang in der türkischen Botschaft gewesen, bei dem sich ranghohe rote und grüne Politiker die zweite Türkenbelagerung erklären ließen. "Als Gastgeschenk an ihren Botschafter Kadri Ecvet Tezcan haben vergangene Woche türkische Unternehmer nämlich eine Darstellung der zweiten Türkenbelagerung Wiens durch Truppen des Osmanischen Reiches gewählt", erklärte Scheibner, der von diesem Empfang ein Foto präsentierte.
     

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