Grazer Forscher untersuchen Chiribaya-Mumie   

erstellt am
06. 12. 10

Graz (universität) - Für dekorative und therapeutische Tätowierungen wurden unterschiedliche Farbmittel benutzt Graz, am 06.12.: Prähistorische Mumien mit dekorativen Tätowierungen sind aus vielen Teilen der Welt bekannt. Neben aufwendigen Schmuck-Tattoos wurden in einigen Fällen auch einfache Tätowierungen in Form von Punkten, Strichen, Kreuzen oder Kreisen gefunden, die von Wissenschaftlern meist als therapeutische oder rituelle Tätowierungen interpretiert werden. Nun konnten Forscher der Med Uni Graz (Institut für Zellbiologie, Histologie und Embryologie, Institut für Humangenetik und Institut für Physiologie) und der Technischen Universität Graz (Forschungszentrum für Elektronenmikroskopie) erstmals bei einer 1.000 Jahre alten peruanischen Mumie, die zwei Arten von Tätowierungen aufwies, zeigen, dass für diese auch unterschiedliche Materialien benutzt worden waren.

Farbmittel in die Haut einzubringen ist eine sehr alte und weit verbreitete Art des Körperschmucks. Die älteste bekannte Tätowierung ist etwa 8.000 Jahre alt und wurde bei einer männlichen Mumie der Chinchorro-Kultur in Chile gefunden. Auch Ötzi, der vor 5.300 Jahren starb, hatte mehrere strich- und kreuzförmige Tätowierungen. Aus Ägypten sind ebenfalls mehrere Mumien mit Tätowierungen bekannt. Von einer besonders hochentwickelten Tätowierkultur zeugen die eindrucksvollen Schmuck-Tattoos eines Skythenprinzen, dessen frostkonservierte Leiche im Altaigebirge gefunden wurde. Mumien aus dem nördlichen Peru legen nahe, dass 1.000 v.Chr. 30% der Fischer tätowiert waren.

Wesentlich seltener waren Tätowierungen bei den Menschen, die vor etwa 1.000 Jahren in der Nekropolis von Chiribaya Alta im südlichen Peru bestattet wurden und deren Leichname im heißen trockenen Wüstenklima auf natürliche Weise mumifizierten. Schon vor einigen Jahren wurden bei einer dieser Mumien typische Schmucktätowierungen an Händen, Armen und einem Bein gefunden. Neben Tierdarstellungen (stilisierten Affen, Reptilien und Vögel) fanden sich auch mehrere symbolische und dekorative Muster. Besonders interessant war jedoch, dass diese Mumie zusätzlich im Nackenbereich kreisförmige Tätowierungen aufwies, die mit großer Wahrscheinlichkeit keine Schmuck-Tattoos waren, da die tätowierten Nackenstellen im Alltag von Haaren oder Kleidung bedeckt gewesen sein düften.

Um die Hypothese, dass die zwei Arten von Tätowierungen auch unterschiedliche Funktionen hatten, genauer zu untersuchen, wurden der Mumie Gewebeproben entnommenen. Die Analyse des Untersuchungsmaterials wurde von Univ.-Prof. Mag. Dr. Maria Anna Pabst, die bereits die Tätowierungen des Tiroler Eismannes untersucht hatte, am Institut für Zellbiologie, Histologie und Embryologie der Med Uni Graz und Kollegen am Forschungszentrum für Elektronenmikroskopie der Technischen Universität Graz durchgeführt.

Für die mikroskopischen Analysen wurden Proben der beiden unterschiedlich tätowierten Hautstellen in Kunstharz eingebettet. Was sehr einfach klingt, ist tatsächlich eine höchst präzise Arbeit und ein langes Prozedere. Alleine die Kunstharzeinbettung dauert eine Woche. Anschließend wurden von den in Kunstharz eingebetteten Proben dünne Schnitte angefertigt. Um den Tätowierungsfarbstoff eindeutig zu erkennen, wurden diese Schnitte zunächst --- anders als üblich - ohne Einfärbung im Lichtmikroskop angesehen. Wesentlich feinere Schnitte waren für die anschließenden Untersuchungen im Elektronenmikroskop notwendig

"Schon lichtmikroskopisch war erkennbar, dass für die beiden Tätowierungen unterschiedliche Materialien verwendet worden waren, was ich mir erst durch die Analyse im Elektronenmikroskop erwartet hätte'', berichtet Prof. Pabst. "Während das Material der Schmucktätowierung eine punktförmige Körnung aufwies, fanden sich im Bereich der Nackentätowierung feine längliche Strukturen.'' Mit verschiedenen elektronenmikroskopischen Methoden konnte das verwendete Material der Schmuck-Tattoos als Ruß identifiziert werden. Im Gegensatz dazu waren bei den kreisförmigen Tätowierungen, aufgrund der stärkeren Auflösung im Elektronenmikroskop, unterschiedlich geformte Strukturen zu erkennen, wobei es sich dabei sehr wahrscheinlich um angebranntes Pflanzenmaterial handelt

Damit war erstmals der Nachweis erbracht, dass sich die mutmaßlichen therapeutischen Tattoos nicht nur in ihrem Aussehen und ihrer Lokalisation von den dekorativen Tätowierungen unterschieden, sondern auch in den morphologischen Eigenschaften und der chemischen Zusammensetzung des verwendeten Materials. Dank des guten Erhaltungszustands des Gewebes konnte im Rahmen der Untersuchungen auch eine nicht ganz unwesentliche Frage beantwortet werden: Experten des Instituts für Humangenetik gelang es, anhand der Chromosomen die Mumie als weiblich zu identifizieren.

Zur möglichen Funktion der Nackentätowierungen gibt es interessante unterschiedliche Interpretationen. Wie schon beim Ötzi waren auch hier die tätowierten Areale in unmittelbarer Nähe klassischer Akupunkturpunkte oder Meridiane. Im Fall der Chiribaya-Mumie waren das Punkte, die zur Behandlung von Kopf- oder Nackenschmerzen verwendet werden. Etwas anders wurden die Tätowierungen von einem bekannten peruanischen Schamanen interpretiert, dem Prof. Pabst Bilder der Mumie zeigte: Er meinte, dass die Tätowierungen Bestandteil eines Stärkungsrituals bei einer höher gestellten Persönlichkeit gewesen sein könnten.
     
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