Remlers Leitmotiv: Familie ist dort, wo Kinder sind
Wien (pk) -Vor der Ersten Lesung des am 30.11. von Finanzminister Josef Pröll vorgelegten Budgetentwurfs
für 2011 stellten Bundeskanzler Werner Feymann und Vizekanzler Josef Pröll dem Nationalrat in seiner
88. Sitzung vom 01.12. die neue Familienstaatssekretärin Verena Remler vor. Nationalratspräsidentin Barbara
Prammer wünschte Verena Remler viel Erfolg für ihre Arbeit und dankte ihrer Amtsvorgängerin Christine
Marek für deren Leistungen im Dienste der Republik Österreich. Die Abgeordneten nutzten den personellen
Wechsel im Familienstaatssekretariat zu einer lebhaften und teilweise sehr kontroversiellen Debatte über aktuelle
Fragen der Familienpolitik.
Vor Eingang in die Tagesordnung kündigte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer für 15 Uhr eine
von der FPÖ verlangte Kurzdebatte zur "unterlassenen Auswertung der Rufdatenrückerfassung in der
Causa Kampusch II" an. Zur Diskussion steht Anfragebeantwortung 6411/AB von Justizministerium Claudia Bandion-Ortner.
Auch Bundeskanzler Werner FAYMANN bedankte sich einleitend bei Christine Marek für ihre engagierte Arbeit
und hielt gleichzeitig fest, dass in der Familienpolitik noch viel zu tun sei. Er begrüßte die neue
Familienstaatssekretärin Verena Remler und skizzierte deren beruflichen Werdegang. Remler hat Erfahrung im
Familien- und Sozialdienst, sagte Faymann. Sie wisse daher, dass Familienpolitik bedeute, generationsübergreifend
zu denken sowie Notwendigkeiten und Finanzierbarkeit und im Auge zu behalten. Faymann sah auf die neue Staatssekretärin
eine große Herausforderung zukommen und zeigte sich überzeugt, dass sie diese mit Engagement und Kompetenz
erfüllen wird. Er wies darauf hin, dass in der Familienpolitik trotz aller Diskussionen vieles zu verteidigen
sei, weil Österreich zu den Ländern gehöre, die die höchsten Familienleistungen in Europa haben.
In Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium gelte es in der Familienpolitik einiges voranzutreiben. Dafür
wünschte der Bundeskanzler der neuen Staatssekretärin Verena Remler alles Gute.
Auch Vizekanzler Josef PRÖLL dankte Christine Marek für ihre Arbeit und hielt fest, dass Verena Remler
einen sehr verantwortungsvollen Bereich übernimmt. Pröll blickte zurück und stellte fest, dass seit
2008 wesentliche Schritte erfolgt seien: die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, das einkommensabhängige
Kinderbetreuungsgeld und der verpflichtende Kindergartenbesuch für Fünfjährige. Der Vizekanzler
hielt auch fest, dass Österreich in Europa eine "Topposition" einnehme. Pröll sieht in der
Generationengerechtigkeit eine große Frage der Zukunft und hielt die die Wahlfreiheit sowie die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf für verbesserungsbedürftig. Verena Remler hieß Josef Pröll "herzlich
willkommen an Bord".
F-Klubobmann Heinz-Christian STRACHE sagte, Verena Remler würde das Amt "unter nicht leichten Umständen"
antreten, die "verursacht wurden durch die Herrschaften auf der Regierungsbank, die neben Ihnen sitzen".
Er führte aus, wie die Familien von dem vorgelegten Budget belastet werden und bezeichnete diesen Budgetentwurf
als "Bankrotterklärung der ehemaligen Familienpartei ÖVP". Die Familien seien, so Strache,
"verraten und verkauft" worden. Er gehe davon aus, dass Verena Remler wie Christine Marek agieren werde,
die "besonders erfolglos" war. Man hätte mit gutem Beispiel vorangehen und bei sich selbst einsparen
können, meinte er weiter. Das Staatssekretariat wäre ersatzlos zu streichen gewesen. An die neue Staatssekretärin
richtete Strache daher den Appell, ihren Rücktritt zu erklären und fügte hinzu: "Damit könnten
Sie positiv in die Geschichte eingehen". Und die Bundesregierung, der die Bevölkerung laut FPÖ-Klubobmann
"völlig egal ist", forderte Strache auf, bei sich selbst mit dem Sparen anzufangen, statt die Menschen
zu schröpfen.
S-Klubobmann Josef CAP stellte fest, mit Strache kann "so kein Dialog" geführt werden. Der FPÖ-Klubobmann
kritisiere nur und liefere - etwa im Gegensatz zu Jörg Haider - keine Vorschläge. Cap forderte Strache
auf, die Leistungen Österreichs mit jenen anderer Staaten zu vergleichen, und wies ihn darauf hin, dass das
Budget nach Gesprächen mit verschiedenen Interessensvertretern abgeändert wurde. "Das ist demokratische
Kultur", sagte er. Der SPÖ-Klubobmann äußerte den Wunsch, dass man sich trotz unterschiedlicher
Anschauungen der Parteien in der Familienpolitik "zusammenrauft". Verena Remler wünschte Cap alles
Gute für ihre Arbeit, auch wenn es notwendig sein werde, unterschiedliche Anschauungen auszudiskutieren.
Grünen-Klubvorsitzende Eva Glawischnig-Piesczek bemängelte, dass diese Regierungsumbildung nicht zum
Anlass genommen wird, dem Parlament eine Bilanz der vergangenen zwei Jahre und einen Ausblick auf die weiteren
Vorhaben vorzulegen. Sie bezeichnete die Regierung als "personifizierte Reformverweigerung" und deren
Budgetentwurf als "in Zahlen gegossene gegenseitige Blockade". Glawischnig-Piesczek hielt es für
die Verpflichtung der Regierung, "Lösungen und Reformen auf den Tisch zu legen". Der Regierung fehle
es aber am Mut, Fehler einzugestehen, kritisierte die Rednerin und meinte, mit dem vorliegenden Budgetentwurf "taucht
die Regierung unter der Messlatte der sozialen Gerechtigkeit durch". AlleinerzieherInnen und Mehrkindfamilien
seien akut armutsgefährdet, fuhr sie fort und schloss mit der Feststellung: "Wir haben wahrscheinlich
die schwächste Bundesregierung seit langem".
ÖVP-Klubobmann Karlheinz KOPF bedankte sich bei Christine Marek, von deren Arbeit die Familien in Österreich
seiner Meinung nach in vielfältiger Weise profitieren. Österreich hat europaweit die besten Familienleistungen
Österreichs, hielt Kopf fest, sie werden auch nach dem "schmerzhaften" Budget, wie Kopf einräumte,
höher sein als vor dem Ausbruch der Krise im Jahr 2008, unterstrich Kopf. In den letzten Jahren sei in Österreich
viel für die Familien getan worden, vor allem in Bezug auf die Wahlfreiheit müsse aber noch viel geschehen.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll verbessert werden. Es gelte auch, mehr jungen Menschen Mut zu Familie
mit Kindern zu machen.
Abgeordneter Glawischnig-Piesczek entgegnete er, sie fordere Reformen ein, die Grünen würden diesem Anspruch
selber aber nicht nachkommen. Er nahm dabei Bezug auf die Abstimmung zur Wahlrechtsreform im Wiener Landtag. Dass
ÖVP und SPÖ andere Ziele haben, ergibt sich daraus, dass es sich um zwei Parteien handelt, die zwar koalieren,
ihre Identität aber nicht aufgeben, sagte Kopf. Kompromisse seien daher notwendig. Abschließend wünschte
Kopf Staatssekretärin Remler viel Erfolg und sicherte ihr die Unterstützung des ÖVP-Klubs zu.
Auch BZÖ-Klubvorsitzender Josef BUCHER wünschte Remler alles Gute, weil sich das am Beginn einer Amtsperiode
so gehöre. Remler habe mit dem vorliegenden Budgetentwurf nichts zu tun, sagte Bucher und stellte die Frage,
wozu dieses Staatssekretariat eigentlich notwendig sei. Verena Remler werde laut Bucher so etwas wie eine "Superpraktikantin
zu Lasten der Steuerzahler" sein. Die Familien bezeichnete der BZÖ-Klubobmann als "Herzstück
der Gesellschaft", die keine Almosen brauchen, sondern im Interesse des Landes gefördert werden müssten.
Sie seien nämlich die "Konsumenten Nr. 1", die der Gesellschaft und dem Land dienen. Leistungen
innerhalb der Familie kosten den Steuerzahler weniger als die entsprechenden Einrichtungen, fuhr Bucher fort. Daher
gehen die Förderungskürzungen seiner Meinung nach daher auch zu Lasten der Wirtschaft. Außerdem
geben sie das falsche Signal, Zukunftsprobleme durch Zuwanderung zu lösen. "Wer an Familien spart, spart
an Zukunft", sagte Bucher und kündigte eine Verfassungsklage gegen das Budget 2011 an.
Staatssekretärin Verena REMLER meinte eingangs ihrer Stellungnahme, sie freue sich auf ihre verantwortungsvolle
Aufgabe. Als Leitmotiv für ihre Arbeit nannte sie: "Familie ist dort, wo Kinder sind". Sie trete
ihr Amt in einer schwierigen Zeit an und sei über die geplanten Budgetkürzungen im Familienbereich nicht
glücklich, die Sparmaßnahmen seien für sie aber "verantwortbar". Es gebe dazu keine Alternative,
wolle man kommenden Generationen keinen unfinanzierbaren Schuldenberg hinterlassen.
Erfreut äußerte sich Remler darüber, dass der Mehrkindzuschlag entgegen ursprünglichen Plänen
nun nicht zur Gänze gestrichen wird und die Leistungskürzungen im Familienbereich insgesamt um 300 Mio.
€ geringer ausfallen als zunächst vorgesehen. Trotz Sparmaßnahmen erhielten die Familien im kommenden
Jahr immer noch mehr Geld als im "Hochkonjunkturjahr" 2008, skizzierte sie. Zudem habe Österreich
mit 8 Mrd. € auch weiter höhere Familienförderungen als andere europäische Staaten. Remler hob auch
die Bedeutung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hervor und wertete Sachleistungen und Geldleistungen für
Familien als gleichermaßen wichtig.
Kritik von Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER an wiederholten Zwischenrufen von BZÖ-Mandataren während
der Antrittsrede Remlers führte zu einer Geschäftsordnungsdebatte. BZÖ-Abgeordneter Ewald STADLER
wies die Rüge Prammers unter anderem mit der Bemerkung zurück, dass Regierungsmitglieder keinen Anspruch
auf "andächtiges Zuhören" der Abgeordneten hätten und parlamentarische Traditionen nicht
in der Geschäftsordnung verankert seien, erntete dafür aber seinerseits Kritik von den anderen Fraktionen.
So hoben etwa sowohl Grün-Klubobfrau Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK als auch FPÖ-Abgeordneter Norbert HOFER
die parlamentarische Tradition hervor, bei einer "ersten Rede" im Nationalrat zunächst einmal zuzuhören,
auch wenn man gegenteiliger Meinung sei. ÖVP-Klubobmann Karlheinz KOPF warf dem BZÖ vor, keine "Kinderstube"
zu haben. SPÖ-Klubobmann Josef CAP mahnte generell mehr Fairness und Respekt vor der politischen Meinung anderer
ein. Auch Nationalratspräsidentin Prammer verwies auf "gute Gepflogenheiten".
Abgeordneter Norbert HOFER (F) vermisste in der Rede von Staatssekretärin Remler konkrete Vorschläge,
wie Belastungen für Familien und Behinderte vermieden werden könnten. Trotz hoher Familienleistungen
weise Österreich eine niedrige Geburtenrate auf. Dies durch Zuwanderung zu kompensieren halte die FPÖ
für den falschen Weg. Ein Vorschlag des FPÖ zur Verbesserung der finanziellen Situation der Familien
sei das Familiensteuer-Splitting. Hofer kündigte eine Verfassungsklage der FPÖ mit der FPK an. In seinen
weiteren Ausführungen zitierte Hofer Vorwürfe, aus Zeitungsartikeln, die gegen die neue Familienstaatssekretärin
im Zusammenhang mit ihren vorherigen Funktionen erhoben wurden. Diese Berichte würden wenig Anlass zu Vertrauen
in ihre Fähigkeiten geben, sagte Hofer. Sie sei in ihrer Funktion nicht mehr als "ein Feigenblatt des
Wirtschaftsministeriums".
Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) hieß Staatssekretärin Remler willkommen und meinte in Richtung
ihres Vorredners, persönliche Angriffe hätten im Hohen Haus nichts verloren, hier sollte es um eine politische
Auseinandersetzung gehen. Zur Rede der Staatssekretärin meinte Binder-Maier, diese habe die Bereiche Familie
und Kind, Familie und Beruf, Familie und Pflege in den Mittelpunkt gestellt. Gerade Frauen stünden hier oft
vor unlösbaren Problemen. Die von Staatssekretärin Remler angesprochene Wahlfreiheit sei aus Sicht der
Sozialdemokraten nur durch den richtigen Mix aus Sach- und Geldleistungen erreichbar. Ihre Fraktion setze sich
daher für den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen ein. Man müsse Lösungen für mehr Kinderrechte
und einen einheitlichen Jugendschutz finden sowie der Verwahrlosung von Jugendlichen wirksam entgegentreten – es
ist noch viel zu tun, sagte die Abgeordnete.
Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) kritisierte den "Alltagssexismus", der auch im Hohen Haus zu finden sei.
Die Rede von Abgeordnetem Hofer habe in mehr oder weniger subtiler Weise jene Einstellungen zum Ausdruck gebracht,
mit denen Frauen im Berufsalltag oft konfrontiert seien. Weiters meinte sie, das Budget, wie es nun vorliege, sei
keineswegs sozial gerecht. Die Einsparungen im Familienbereich beträfen vor allem Alleinerzieherinnen und
ärmere Familien. Sie hoffe, dass sich die Staatssekretärin in Bereichen, wo ihre Vorgängerin Marek
am Widerstand der Landeshauptleute gescheitert sei, wie etwa beim einheitlichen Jugendschutz, durchsetzen werde
können. Anschließend betonte Musiol, es gebe heute viele Formen von Familie, darunter auch Familien
von gleichgeschlechtlichen Paaren und Patchwork-Familien.
Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V) kritisierte das Verhalten der Opposition und insbesondere des BZÖ als "nicht
schmeichelhaft für das Parlament". Die Wortmeldung von Abgeordnetem Hofer sei unsachlich und von persönlichen
Diffamierungen geprägt gewesen. Steibl verwies auf die zahlreichen Leistungen, welche die ÖVP in den
letzten Jahren für die Familie durchgesetzt habe. Ihre Partei bleibe die Familienpartei, sagte Steibl und
hielt fest, der Grundsatz "Familie ist dort, wo Kinder sind", den Staatssekretärin Remler geäußert
habe, sei gut und richtig. Familienpolitik sei eine Querschnittmaterie, deshalb seien auch Maßnahmen für
die Wirtschaft oder das Pendlerpauschale Teil einer guten Familienpolitik.
Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) befand, das Budget stelle gar nicht den Anspruch, sozial gerecht zu sein. Jede Kritik
daran sei deshalb notwendig und berechtigt. Leidtragende dieses Budgets seien vor allem die Familien, bei denen
360 Mio. € eingespart würden. Sie zahlten damit die Rechnung für den Reformstillstand in der Regierung
und für diverse Rettungsschirme und Bankenhaftungen. Es sei ein Faktum, dass bestraft werde, wer Kinder habe.
Für Alleinerzieherinnen und beim Pflegegeld müsse etwas getan werden. Dringend notwendig sei auch eine
Reform des FLAF. |